Das Kursbuch Religion 1

Cover_4324_Das_Kursbuch_2015Das Kursbuch Religion 1 „Neuausgabe 2015“ Schülerbuch

Arbeitsbuch für den Religionsunterricht im 5./6. Schuljahr

Herausgegeben von Heidrun Dierk, Petra Freudenberger-Lötz, Michael Landgraf und Hartmut Rupp

In Zusammenarbeit mit dem Verlag Moritz Diesterweg. 240 Seiten mit 382 farb. und 22 sw Abb.  Auflage 2015   broschiert Format: 19,5 x 26,2 cm

ISBN 978-3-7668-4324-1      € 22,95

 

Kurz: Das neue Kursbuch Religion 1 ist ein Meilenstein für einen modernen Religionsunterricht. Es bietet auf sehr ansprechende Weise fundierte Inhalte. Die Aufgabenkultur ist überaus vielfältig und antizipiert einen Unterricht, der erfahrungsorientiert auf verschiedenen Niveau-Ebenen gestaltet werden kann. Der Umgang mit der Vielfalt der Religionen ist beispielhaft. Das Buch ist ein MUSS für jeden Praktiker!

„Kursbuch Religion“ ist schon lange ein Klassiker, wohl der ‚Dinosaurier‘ unter den evangelischen Religionsbüchern in Deutschland. Seit 1976 wird diese Reihe für die Sekundarstufen I und II in vielen Neuauflagen herausgegeben. Zahllose Schülergenerationen wurden dadurch geprägt! Die hier zu besprechende Neuausgabe 2015 ist angestoßen durch den neuen Bildungsplan Religion in Baden-Württemberg, der 2016 erscheinen wird. Umgesetzt wurde hier jedoch weit mehr als eine Bildungsplanrevision: religionsdidaktisch und schulbuchdidaktisch wurden einschneidende Neuorientierungen vorgenommen. Eine weitgehend neue Herausgeber- und Autorengruppe hat sich an dieses Projekt gewagt.

„Das Kursbuch Religion 1“ ist für den evangelischen Religionsunterricht im 5. und 6. Schuljahr konzipiert. Der Verlag stellt das Buch in die Kategorie „mittleres und höheres Lernniveau“; für „einfaches“ Niveau wird 2016 ein neues „Elementarbuch“ folgen. Ein Lehrerhandbuch ist in Erarbeitung.

Das Inhaltsverzeichnis nennt acht große Themen:

  1. Nach Mensch und Welt fragen
  2. Über Gott nachdenken
  3. Jesus Christus nachspüren
  4. Der Bibel begegnen
  5. Die Vielfalt der Kirche entdecken
  6. Verantwortlich handeln
  7. Religionen begegnen
  8. Grundfähigkeiten entwickeln

Das Inhaltsverzeichnis ist sehr übersichtlich gestaltet; jedes Thema hat einige Unterkapitel; die Orientierung wird durch klare Farbhinweise sehr erleichtert. So können alle Schülerinnen und Schüler ihre Navigationswege durch das Buch finden (inklusiver Ansatz). Mit diesen Themen wird das Spektrum der Inhalte der meisten evangelischen Bildungspläne in den Bundesländern abgedeckt. Die überall geforderte Kompetenzorientierung bringt ja viel Verbindendes und lässt der inhaltlichen Gestaltung größere Freiheit. Und genau hier liegt eine große Stärke des neuen Kursbuchs: Es spiegelt die Vielfalt religiöser Themen wider und hilft gleichzeitig, sich diesen durch eine attraktive und differenzierte Aufgabenkultur (sach-) angemessen und adressatenorientiert zu widmen. So wird der Eindruck der lexikonhaften Stofffülle vermieden, jedoch der Reichtum der Inhalte erschlossen.

Neue Aufgabenkultur

Für die SuS* (Schülerinnen und Schüler) wird die differenzierte Arbeitsstruktur zu Beginn des Buches vorgestellt: Die Eröffnungsdoppelseite mit Grundfragen und überschaubaren – und meist auch einholbaren – Zielangaben: „Ich kann am Ende des Kapitels“; die „Naviseite“ mit Basisinformationen und Projektaufgaben – viele Basisinformationen sind auf einer Infosäule zu finden.

So genannte „Hotspots“ [musste dieser Ausdruck sein?] markieren große und tiefe Fragen, die zum Theologisieren oder Philosophieren anregen wollen: z. B. „Was ist Angst? Wie fühlt sich Angst an?“ „Vertrauen fühle ich dann, wenn …“ „Ist Gott ein Mann oder eine Frau?“

Begriffe, die den SuS vermutlich nicht oder kaum bekannt sind, werden direkt auf der Seite am Rand erläutert. Eine gelungene Vereinfachung gegenüber den „Lexika“, die sonst am Ende eines Buches oft zu finden sind. Das gilt sowohl für Fachbegriffe wie „Septuaginta“ (113), aber auch für traditionelle religiöse Begrifflichkeiten, die in unserer Alltagswelt immer seltener bekannt sind, z. B. „Gnade“ oder „segnen“ (80). So werden die Anliegen der Sacherklärungen, aber auch die Chancen der einfachen Sprache gut miteinander verbunden. Es fällt wohltuend auf, wie sehr auf diesen wichtigen Sprachaspekt geachtet wurde. Einen großen Raum nehmen die vielfältigen Aufgaben ein. Sie sind meist ausführlich formuliert und geben klare Hinweise, wie zur Lösung gearbeitet werden kann. Im Niveau sind die Aufgaben differenziert, sie ermöglichen den SuS in Partner, Gruppen- oder Einzelarbeit die Themen anzupacken. Es geht in den Aufgaben nicht nur um die Ansammlung von Fachwissen, sondern auch um eine Orientierung, wofür die Erledigung dieser Aufgabe gut ist! Damit unterscheiden sich diese Aufgaben wohltuend von älteren Schulbüchern. Hier wird Kompetenzorientierung praktisch umgesetzt, ohne dass man überhaupt über das Wort stolpert! Der intendierte unterrichtliche Arbeitsprozess spiegelt sich in diesen vielfältigen Aufgaben wider und lässt das Bild eines lebendigen Religionsunterrichts entstehen. Von der Fülle darf man sich nicht schrecken lassen, diese ist erkennbar als Wahl-Angebot zu sehen. Der Aufbau der Kapitel und auch der Einzel- bzw. Doppelseiten folgt klarer Logik, ist aber nicht schematisch. Bibeltexte sind durchgehend blau gedruckt, Aufgaben werden klar, ausführlich und in großer Schrift präsentiert. Die Zeiten des Kleingedruckten im Schulbuch sind Gott sei Dank vorbei! Man merkt, dass hier alles getan wurde, um den Schülerinnen und Schülern einen erfolgreichen Unterricht zu ermöglichen!

Dem Methodischen wird ein eigenes Buchkapitel gewidmet: Grundfähigkeiten entwickeln (220-235) Auch das ist neu! Die Umsetzung der Fähigkeiten „Wahrnehmen“, „Deuten“, „Urteilen“, „Miteinander sprechen“, „Anwenden und Gestalten“ wird an Beispielen erläutert und auch mit Aufgaben praktisch versehen. Auf dieses Kapitel kann die Lehrkraft im Laufe der beiden Schuljahre nach Bedarf zurückgreifen, um mit den SuS methodische Elemente konkret einzuüben. Dieses Kapitel konkretisiert auch die Erwartungen, die an die Kompetenzorientierung geknüpft werden – eine wichtige „empirische Wende“, die angesichts der bisherigen starken Theorieorientierung in den religionspädagogischen Debatten viel Klarheit bringt! Wer den Sinn von Kompetenzorientierung im Religionsunterricht bislang nicht eingesehen hat, sollte hier reinschauen; man bekommt hier beste Praxisbeispiele geliefert.

 

Religionen begegnen

Der Pluralität von Religionen wird im neuen Kursbuch großer Raum gewidmet. Dabei werden sowohl zahlreiche religionskundliche Sachinformationen gegeben, aber auch die Wahrnehmung der Religionen und die konkrete Begegnung mit religiöser Vielfalt spielen eine große Rolle. Als roter Faden zieht sich die Entdeckerlust der Kinder (Pia, David, Keno usw.) aus verschiedenen Religionen durch das Kapitel „Religionen im Umfeld entdecken“. So werden Inhalte und Erfahrungen angemessen miteinander verknüpft und laden ein, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Dabei geht es um die Symbole von Religionen, aber auch um Feste im Jahreskreis sowie an Stationen des Lebens. Konkret wird eine Begegnung mit Muslimen vorbereitet; in diesem Zusammenhang lernen die SuS die Fünf Säulen des Islam kennen und die Abraham-Traditionen aus islamischer und biblischer Sicht (202-205).
Noch ausführlicher ist das folgende Kapitel zum Judentum gestaltet, denn, so heißt es im Buch zutreffend: „Das Judentum ist die Religion, die dem Christentum am nächsten steht“ (208). Die Vermittlung erfolgt auch hier auf ansprechende Weise über Erfahrungsberichte von – überwiegend jugendlichen – Juden, die in Deutschland leben. Die heutige Realität jüdischen Lebens in Deutschland prägt das Kapitel. So wird auch über die Situation der russischen Einwanderer berichtet, die jetzt zahlreich in den jüdischen Gemeinden leben. Der Gottesdienst in der Synagoge wird in einem Erfahrungsbericht geschildert, auch das großzügig eingearbeitete Bildmaterial vermittelt größtmögliche Nähe (z. B. 215). Sehr ansprechend ist auch die Infoseite über die Jüdischen Feste gestaltet (211), eine gelungene Kombination von Erfahrung, Information und Symbolik!
Ein solches Kapitel über das Judentum ist in einem christlichen Religionsbuch bisher einmalig! Hier haben die Autorinnen und Autoren eine wertvolle Pionierarbeit geleistet, die für das künftige Miteinander von Juden und Christen von großer Bedeutung ist. Die dunkle Seite der Geschichte von Christen und Juden wird nicht ausgeblendet, sie steht aber längst nicht so im Zentrum, wie dies in früheren Religionsbüchern der Fall war. Hier im neuen Kursbuch deutet die Doppelseite „Spurensuche auf einem jüdischen Friedhof“ (218-219) auf diesen Kontext hin und eröffnet altersangemessen verschiedene Möglichkeiten der Weiterarbeit, z. B. durch den Besuch eines jüdischen Friedhofs.

 

Dem Rezensenten sind ein paar Unstimmigkeiten aufgefallen (Kein Schulbuch ist perfekt!). Hier und da fällt stark auf, dass die Autorinnen und Autoren theologische Fachkräfte sind. Das ist ja auch nicht schlimm! Aber muss man wirklich für 10-12-Jährige SuS einen fiktiven Paulusbrief entwerfen (151), in dem das Verhältnis von Judenchristen und Heidenchristen theologisch erörtert wird? Der dann auch noch – die historische Dimension völlig vernachlässigend – auf die heutige (!) ökumenische Bewegung empfehlend hinweist? Die Aufgabe: „Zeichne ein Bild, wie sich Paulus eine ideale Gemeinde vorstellt“ (151) würde ich eher einem Predigerseminar vorlegen!-
Eine theologisch sehr anspruchsvolle Aufgabe ist Seite 48 gestellt. Stefanie „hört“ die Erzählung von Josef in Ägypten und bemerkt – ziemlich altklug – „Aber Gott kommt ja gar nicht vor.“ – Ich weiß nicht, welche Erzählversion sie gehört hat. Aber hätte man Stefanie in der Bibel lesen lassen, dann hätte sie in den Kapiteln 43-46 der Genesis durchaus Gott entdeckt! – Dazu wird im Buch die Frage gestellt: „Was würdest du Stefanie antworten?“ Diese Frage gehört m. E. ebenfalls an die Universität, nicht in die 5. Klasse.
Sicherlich ist es gut, wenn die SuS über die Bedeutung des Schulfaches Religion diskutieren. Dafür ist auch eine Doppelseite mit Informationen, Aufgaben und einem Lied von Michael Landgraf bzw. Reinhard Horn vorgesehen (6-7). Aber, warum muss die Frage nach der Begründung eines konfessionell getrennten Religionsunterrichts dann noch prominent das Thema „Die Vielfalt der Kirche entdecken“ (128) einleiten? Hier sind die SuS doch überfordert, wenn sie das noch argumentativ erklären sollen! Diese ‚Plausibilität‘ ist ja inzwischen auch vielen Lehrkräften nicht mehr einsichtig!

Genug kritisiert! Das sind nur Kleinigkeiten, welche den hervorragenden Gesamteindruck, welchen das neue Kursbuch hinterlässt, nicht mindern.

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Auf den Seiten des Calwer Verlags finden sich h i e r  weitere Hinweise
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Dr. Manfred Spieß, Oldenburg

21.8.2015

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