Kannst du nicht EINMAL still sein???

Hier kommt der letzte Teil des Menus! Eine nicht „verordnete“ Stille im Klassenzimmer? Hier liest du von Ritualen und Segensideen im Anfangsunterricht, die in die Ruhe führen …

Von Ritualen und Segensideen im Anfangsunterricht, die in die Ruhe führen

Das Menu endet mit der Nachspeise!

Hier folgt nun der letzte Teil meines Menus. Die Vorspeise und die zwei Hauptgänge („Eine Geschichte von Jesus“ und „Ich bin wertvoll„) haben wir hinter uns gelassen, nun folgt die Nachspeise – vielleicht der Höhepunkt eines guten Essens?!?

Eine Nadel im Heuhaufen

Manchmal wird eine verrückte Idee zu einem Ritual: Ich hatte vor einiger Zeit eine sehr unruhige erste Klasse (ich weiß, sie sind ALLE unruhig ;-)). Doch manchmal sehnt man sich schmerzlich nach ein paar Sekunden wundervoller Stille … Ich halte eine Nähnadel hoch und erkläre: „Wenn wir es schaffen, so leise zu sein, dass wir die Stecknadel aufkommen hören, sind wir echte Stilleprofis!“ Der Ehrgeiz ist entfesselt. Alle halten den Atem an. Ich zögere die Stille ein wenig hinaus und lasse die Nadel fallen. Wir hören den leisen klingenden Ton. Herrlich! Lässt sich diese Stille nicht auch ein wenig länger durchhalten, frage ich mich … Na klar! Aber das braucht ein wenig mehr Zeit und besonders Achtsamkeit.

Rituale wie Sand am Meer

Rituale im Unterricht gibt es auf vielen Ebenen

  • um eine Stunde zu strukturieren
  • um eine Gemeinschaft zu bilden
  • um einzelne Kinder in der Gruppe zu stärken
  • Inhalte des Unterrichts tiefgehender zu betrachten

Ich möchte diesen Beitrag einem weiteren Aspekt widmen:
– Rituale, um die Achtsamkeit zu trainieren, z.B. um Ruhe zu finden.
Auch dieses Mal orientiere ich mich an der Religionspädagogischen Praxis.

Die verodnete Stille

Wie oft ruft man in den Raum: „Ruuuuuuhe! Jetzt!“. Könnte man sich eigentlich sparen. Und doch gibt es ein großes Verlangen nach wirklicher Ruhe. Nicht nur wir sehnen uns danach- auch die Kinder. Wirkliche Stille muss aber auch erst erlernt werden (auch von uns selbst). Viel zu oft sind wir zu hektisch, zu schnell beim Thema und bleiben nicht beim Ritual, das uns Ruhe schenken soll. Wirkliche Ruhe ist ein Geschenk, sie kann nicht eingefordert werden, sie muss entstehen. Und sie fängt bei dir an!

„Goosfraba“

Im etwas abgedrehten Film „Die Wutprobe“ (hier ein Ausschnitt) wird dieses Wort als Mantra benutzt, um sich selbst zu beruhigen. Ich bevorzuge das bewusste Atmen. Hier muss jeder seinen eigenen Weg finden. Denn wir sind einer der Schlüssel für die Ruhe im Klassenzimmer. Starte nicht gleich durch, sondern nimm dir Zeit fürs Ankommen. Es lohnt sich!

  • Setz dich in den Kreis
  • Nimm drei tiefe Atemzüge
  • Kontrolliere deinen Kiefer (komische Idee? Ganz und gar nicht. Die Muskulatur verkrampft sich schnell bei Stress). Lockere ihn! Du kannst auch mit der Zunge über deine Zähne fahren. Das entspannt den Mundraum.
  • Lächle (auch ein nicht tief empfundenes Lächeln entspannt dich)

  • Wir schauen uns im Kreis um, wer ist mit mir da?
  • Wir werden auf unsere Mitschüler*innen aufmerksam. Wir lächeln uns zu.
  • Wir bilden einen Kreis. Langsam. Die Zeit gönnen wir uns. Kind für Kind reicht sich die Hand. Dabei schauen wir unseren Nachbarn, mit dem wir uns verbinden, an.
  • Nicht den Mut verlieren. Es wird von Stunde zu Stunde besser!

Weitere Ideen um zur Ruhe zu kommen

  • Wir lauschen auf einen Ton. Ein Kind stellt sich in die Mitte, schließt die Augen und lauscht. Zimbeln werden angeschlagen, das Kind öffnet die Augen (hier kann wild variiert werden mit Berührungen an der Hand oder der Wange z.B: mit einer Feder, dem Namen zuflüstern, eine Kerze vor den geschlossenen Lidern aufleuchten lassen – vorab die Kerze mit der Hand verdecken und dann die Hand wegziehen).
  • Eine kleine Anschauung: wir betrachten z.B. einen Sonnenblumenkern, befühlen ihn, halten ihn vorsichtig in der Hand. Warum halten wir einen Schatz in den Händen? …
  • Ein Stück Brot ausgeteilen: Alle warten aufeinander, wir betrachten, riechen, fühlen, gedulden uns und essen das Brot am Ende gemeinsam.
  • Wir gehen in die Mitte: Ein Kind wird in die Mitte geführt. Wir gehen langsam, bewusst. Wenn wir in der Mitte angekommen sind, sagen wir es: „Du bist in der Mitte angekommen.“

Vielleicht erscheinen diese Ideen so simpel und bedeutungslos. Doch das sind sie überhaupt nicht. Sie schulen den Blick für das Kleine, Unscheinbare, machen aufmerksam und führen zu uns selbst. Wir werden sensibel. Diese Art des Erlebens führt in die Stille. Nicht das Große zählt, sondern das ganz Kleine. Durch die sinnenhafte Auseinandersetzung wird kleines riesengroß!

Diese Art der Achtsamkeitsübung ist gut in den Unterricht zu integrieren. Um ein paar Ideen zu nennen: Wege gehen, Wasser, die Erde, die Jahreszeiten (passende Anschauungen dazu wie Erde, Sonnenblume, Nest, Brot …).

Die Mitte

Die Mitte zu finden, ist der Anfang von allem.

Warum ist die Mitte auch im Religionsunterricht so wichtig?

  • Die Mitte wird in unserem Kreis gesucht,gefunden und z.B. mit einem Reifen oder Tuch „markiert“
  • Die Mitte wird begangen (ich stelle mich in die Mitte, werde in die Mitte geführt, ich habe sie gefunden …)
  • Gott ist unsere Mitte – wir kennzeichnen das durch eine Kerze
  • Auch das Kreuz hat eine Mitte und verbindet die Erde mit dem Himmel (horizontale Linie) und die Menschen miteinander (vertikale Linie)

Keine Angst: All diese Mitte-Ideen müssen mit den Kindern nicht thematisiert, sondern erlebt werden. Das reicht aus, bildet die Achtsamkeit, die ich beschrieben habe und führt zu einer tiefen Ruhe.

Hier findest du noch weitere Infos zur Mitte in meinem ersten Beitrag in dieser Serie.

Nicht alles sollte zum Ritual werden …

Schwierig finde ich persönlich das Beten in der Gruppe. Oft scheint es eher eine Pflichtveranstaltung zu sein, als ein wirkliches zur Ruhe kommen und sich öffnen. Lieber eine kurze stille Zeit einplanen, in der jeder beten kann – aber nicht muss.

Segen

Ein Segen kann zum Ritual werden, das die Kinder am Ende der Stunde sehr genießen. Ich mag diesen Segen im Anfangsunterricht besonders gerne:

Gott, du bist innen (Hände zeigen in Brusthöhe auf mich)
und außen (Hände zeigen von mir weg)
und um mich herum. (im Kreis drehen)
Schütte deinen Segen aus. (Finger ahmen über dem Kopf Regentropfen nach)
Ich will bei dir wohnen: du bist mein Haus. (Hände bilden über dem Kopf ein Dach)
Amen

Segensideen

Nachfolgend findet ihr einige besondere Ideen, wie man den Segen kreativ in seinen Unterricht integrieren kann. Bei Jo! (Kirche Kunterbunt) könnt ihr sie euch genauer anschauen.

Entspannen, wie geht das nochmal?

Momentan arbeite ich an einem Thema, das sich eher nach einer Krankheit als nach einer Offenbarung anhört: Dem Parasympathikus.  Doch weit gefehlt: Der „Kollege“ hat es in sich! Ohne ihn und seinen Gegenspieler, den Sympathikus, wäre Entspannung gar nicht denkbar!

Momentan arbeite ich an einem Thema, das sich eher nach einer Krankheit als nach einer Offenbarung anhört: Dem Parasympathikus.  Doch weit gefehlt: Der „Kollege“ hat es in sich! Ohne ihn und seinen Gegenspieler, den Sympathikus, wäre Entspannung gar nicht denkbar! Als Grundlage habe ich das Buch „Das Parasympathikusprinzip“ von Dr. med Ursula Eder und Dr. med Franz J. Sperlich gelesen. Eine Idee der beiden Autoren hat mich angesprochen: „Was hat der Mensch mit einem Auto zu tun?“ Mein Video erklärt den Sympathikus und den Parasympatikus mit einem Bild aus der Autowelt und macht Ihnen vielleicht Lust, den beiden zu begegnen. Eines kann ich vorab verraten: Entspannen ist reine NERVENsache …

In diesem Beitrag möchte ich gerne die Frage beantworten:

Wie befreie ich mich selbst aus einer Stressituation?

Parasympathikus vs. Sympathikus

Als Einstieg in diese Frage möchte ich Ihnen gerne eine kurze Geschichte von mir erzählen: Mein Mann und ich teilen uns zuhause ein „Großraumbüro“. Viel Platz für uns beide und doch sitzen wir den ganzen Tag beieinander. Lustig wird es bei beidseitigen Zoomkonferenzen, Telefonaten und Drucksessions. Diese coronabedingten Problemchen lösen wir mittlerweile spielend. Eine Aussage meines Mannes hat mich dann doch erschreckt: „Merkst du eigentlich, wie oft du abgrundtief durchschnaufst?“ Am Anfang hatte er mich noch gefragt, ob alles in Ordnung sei. Mir fehlte aber gar nichts! Es war eben nur ein kurzes und tiefes Ausatmen. Irgendwann meinte er: „Das kann nicht gesund sein! Du programmierst deine Psyche negativ!“ Stimmte das? Warum atme ich so tief aus, ohne es zu merken? Eine Antwort hatte ich bis dato nicht gesucht. Der Schnaufer gehörte eben zu mir dazu. Und unwohl fühlte ich mich dabei nicht. Mittlerweile bin ich überzeugt, dass „der Schnaufer“ mir hilft. Das tiefe Ausatmen regt den Parasympathikus an. Er sendet das Signal an den Sympatikus: „Kein wildes Tier in Sicht! Entspann dich! Schau, ich schnaufe schon durch.“ Und so fühlt es sich an – wie ein Atemschöpfen, eine Pause, um neu durchzustarten. Damit hole ich mich aus einer stressigen Situation heraus, auch wenn sie für mich gar nicht spürbar ist. Der Körper kennt solche Tricks.

Bewusst atmen

Eine Stressituation lässt sich hervorragend durch bewusstes Atmen lösen! Normalerweise atmen wir zu oberflächlich. Dabei hebt und senkt sich lediglich der Brustkorb. Legen Sie mal Ihre Hand auf den Bauch und atmen sie normal. Kommt der Atem in Ihrem Bauch an? Versuchen Sie ihn dorthin zu lenken. Merken Sie, wie Ihre Atmung ruhiger, tiefer wird? Erst eine tiefe Atmung lässt uns ruhiger werden und gibt dem Parasympathikus Zeit zum Regenerieren. Probieren Sie es aus. Es lohnt sich! Ein guter Tipp ist die 3-6-1 Atmung (nicht 0-8-15!): 3 Sekunden einatmen, 6 Sekunden ausatmen, eine Sekunde Luft anhalten und wieder von vorne. Zählen Sie still die Sekunden mit. Das hilft Ihnen, ein Gefühl für diese Atmung zu entwickeln.

Der Härtetest

Sie kommen in Ihre Klasse, der Lautstärkepegel ist atemberaubend, die Schülerinnen und Schüler gehen über Tische und Bänke: Einmal 3-6-1 Atmung und schon sieht die Welt noch genauso mies aus wie vorher – aber Sie gehen entspannter an die Sache heran. Und das Ganze hat nur 10 Sekunden gedauert! Einen Versuch ist es wert 😉

Selah, selah whatever will be, will be“ – oder so ähnlich

Da fällt mir das hebräische Wort „Selah“ ein. Es steht für Pause. Die Psalmen wurden früher gesungen und von Musikinstrumenten begleitet. Selah zeigte den Ruhepunkt an, um dem Gesang oder den Instrumenten nachzuspüren und diese Passage eventuell zu wiederholen. Ganz gesichert ist der Sinn des Wortes nicht. Aber ich liebe diese Interpretation: Selah wäre tatsächlich die Pause, das Nachspüren des Atems, des Echos, bevor es weitergeht. Das passt wunderbar zum achtsamen Atmen. Gönnen Sie sich doch gelegentlich ein Selah!

PS: Wenn Sie Ihre Atemtechnik im stillen Kämmerlein üben, fällt es Ihnen schon bald leicht, sich aus Stresssituationen selbst zu befreien. Übung macht den – Sie wissen schon.

Ihr Parasympathikus wird es Ihnen danken!

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