( 1 ) Adel Theodor Khoury (Hrsg.) Der Hadith. Urkunde der islamischen Tradition, ausgewählt und übersetzt von A.Th.Kh. Band 1: Der Glaube.
Gütersloh: Gütersloher VA, 2008. [455 S. Geb. EUR 49,95. ISBN 978-3-579-08066-6]
Band 2: Religiöse Grundpflichten und Rechtschaffenheit. [395 S.
( 2 ) al-Nawawi: Hadithe. Kitab al_Arbacin. Aus dem Arabischen von Marco Schöller. Frankfurt am Main: Verlag der Weltreligionen ISBN (VdWR)-70006-7
( 3 ) Marco Schöller: Mohammed. (BasisBiographie 34) Frankfurt am Main: Suhrkamp 2008. [160 S. 7,90 Euro]
Während in der christlichen Tradition und ganz besonders seit der Reformation nur eine Quelle der Autorität ganz im Vordergrund steht, die Bibel, ist das im Islam anders. Da steht neben dem Koran eine zweite Autorität: die Hadithe (gesprochen chadithe mit ‚englischem TH’). Während der Koran eine Stufe höher steht als Offenbarung des Gotteswortes, das der Engel Gabriel dem Propheten mitgeteilt habe (Verbalinspiration), kann er für die konkrete Anweisung muslimischer Lebensführung (was im Hebräischen die Halacha genannt wird, u.a. mit den Regeln des koscheren Lebens) oft nicht genaue Auskunft geben. Denn er ist in vielen Fällen unscharf, poetisch, offen. Deutsche Gerichte, die für Urteile zu religiösen Fragen gewohnt sind zu fragen: „Steht das in der Bibel?“, können für Islamische Regeln vergeblich den Koran befragen: Dort steht meist nichts Konkretes oder man hat aus Andeutungen hineininterpretiert: das Kopftuchgebot, das islamische Schächten (Halal). Viele Regeln müssen aus einer anderen, sehr viel eindeutigeren Quelle zur Begründung islamischer Gesetze konstruiert werden: Dafür gibt es die Sammlung von „Nachrichten von Taten und Aussprüchen des Propheten Muhammad“, so der deutsche Titel der Sammlung des Şahïh al-Buhārï. (lebte 810-870) ausgewählt, , aus dem Arabischen übersetzt und herausgegeben von Dieter Ferchl. (Reclam 4208) Stuttgart 1991. (ISBN 978-3-15-004208-3; 512 Seiten; 11 Euro) eben die Hadithe. Sie sind die Grundlage für das Religionsgesetz, das tief in viele Bereiche der Gesellschaft hineinreicht, das Strafrecht, das Personenstandsrecht, Speisegebote, Regeln für das Leben in einer nicht-islamischen Umgebung, usf.
Diese Quelle hat ein großes Autoritätsproblem! Denn sie ist nicht so kanonisiert wie eine Heilige Schrift, sondern die gesammelten Taten und Aussprüche müssen ihre Autorität beweisen. Die umfangreichste Sammlung umfasst bald 30 000 Aussprüche des Propheten. Die muslimischen Gelehrten selbst unterteilen in „schwache“ und „korrekte“ oder ‚Authentische’ und „umstrittene“ oder zu verwerfende. Autorität gewinnen sie durch die Überlieferungskette (isnad), wenn sie über viele vertrauenswürdige Männer letztlich auf einen Menschen aus der Umgebung des Propheten zurückgeführt werden können.
Zwei neue deutschsprachige Bücher widmen sich dieser Gattung Hadith, ein älteres steht schon lange preiswert zur Verfügung (al-Buhari bei Reclam).
Zu 1: Da ist zum einen Adel Theodor Khourys Sammlung zu nennen. Khoury hat seit Jahren in Deutschland unendlich viel getan für die Vermittlung von Wissen über den Islam, darunter das Islam-Lexikon, A.T.Kh.; Ludwig Hagemann; Peter Heine: Islam-Lexikon. 3 Bde, Freiburg: Herder 1991 (Zahlreiche Nachdrucke). das Corpus der christlichen Texte zum Islam, Das Corpus Islamo-Christianum umfasst seit 1985 mittlerweile 18 Bände (Oros-Verlag, Altenberge). Rez. der ersten Bände Christoph Auffarth: Dialog mit dem Islam. Anmerkungen aus Sicht mittelalterlicher Christen. 1. Der Westen. Wissenschaft und Weisheit 59(1996), 131-143. , die kommentierte Übersetzung des Koran und viele weitere Bücher. Mit den ersten beiden Bänden beginnt er eine fünfbändige Reihe, die die Hadithe zu bestimmten Themen aus den klassischen Sammlungen vergleichend nebeneinander stellt. Der erste Band gilt dem „Glauben“, der zweite umfasst Die Grundpflichten und Riten; es sind geplant (3) Die Tugenden; (4) Soziale Fragen; (5) Der Einsatz (djihad) und Verschiedenes. Der erste Band ist ohne eine Einführung in das Problem der Überlieferung/Sunna, ohne Index. Man kann nur hoffen, dass Khoury das nachholt. Was in den frühen Büchern von Khoury sympathisch war, dass er unpolemisch, durchaus aus christlicher Perspektive einen Blick in ein weitgehend unbekanntes Land eröffnete, will er auch hier bieten. Ausgesprochen lesbar sind die Texte übersetzt. Da die verschiedenen Sammlung systematisch zu den entsprechenden Fragen nebeneinander zusammengestellt zu finden, lässt sich die sunnitische Überlieferung leicht überblicken. Allerdings kann ich als Wissenschaftler diese Sammlung nicht verwenden, so verdienstvoll eine Synopse der Hadithe-Sammlungen ist. Aber auch der interessierte Leser erfährt nichts aus den dürren Beigaben, was für das Verständnis unabdingbar ist. Die wissenschaftlichen Kontroversen um die Hadithe, ihre Entstehungszeit, die Verwendung: Wichtige Kontroversen werden zur Zeit in der Islamwissenschaft geführt, die das Problem der Traditionsbildung im Islam grundlegend diskutieren. Und damit wenigstens in Ansätzen die Möglichkeit – was für den Koran ja vermieden wird – für eine historisch-kritische Arbeit. Der Leser erfährt in Khourys Büchern (bislang) nichts, nicht einmal das Literaturverzeichnis bietet da etwas; es ist völlig veraltet. Hoffentlich liefert Khoury das noch in einem folgenden Band.
Band 1 stellt die Überlieferungen zusammen zu dem, was Islam und Glaube für die Muslime bedeutet, über Gott und den Propheten, dann zum Gericht, Auferstehung, dem Paradies und der Hölle. Es folgen (auf 200 Seiten) allgemeine Bewertungen des Koran und Kommentare zu den Suren.
Band 2 zeigt die „Sprüche und Handlungen“ zu den sogenannten fünf Pfeilern des Islam, also Reinheit und Reinigung, das Gebet (darunter das Begräbnisritual S. 145-167), die Abgabe (Steuer, Almosen), das Fasten, Die Wallfahrt. Es folgen Regeln zum rechten Verhalten, zur Askese, zu den Tugenden und Fehlverhalten wie zu den Strafen dazu bei Apostasie, sexuellen Fehlern, Wein Trinken oder Zauberei.
Zu 2: Da kommt gleichzeitig eine Hadithe-Sammlung auf deutsch heraus, die ein wissenschaftliches Meisterstück darstellt: Marco Schöller hat die vierzig (genauer 42) Hadithe des al-Nawawi übersetzt und kommentiert. Der Verlag der Weltreligionen (unter dem Dach von Suhrkamp) hat die anspruchsvolle Tradition des Deutschen Klassikerverlags weiter geführt in den Ausgaben der Klassiker der Religionen in neuen Übersetzungen, ausführlichen Einleitungen und Kommentaren zu den Stellen. Die Kommentare sind sehr anspruchsvoll, gehen oft ins Detail, ohne ausschweifend zu werden: Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit. Ein Index führt auf wichtige Stellen. Islamische Begriffe sind oft in Umschrift hinter die Übersetzung gesetzt. In der Einleitung 265-370 erklärt Schöller, was Hadithe sind, wozu man sie braucht, wie ihre Glaubwürdigkeit autorisiert wird (291-300). Sie stellt die Sammlung, Kommentierung und Schülerschaft in den Medresen vor am Beispiel des al-Nawawi (1233-1277 in Damaskus, S. 325-341);. wie Rechtsschulen entstehen. Der Kommentar zum Kommentar. Das ist ein herrliches Buch geworden, anspruchsvoll, aber doch lesbar und sehr interessant. Und ein schönes Buch in bester Druckkunst und Buchbinderqualität. Das Lesen lohnt die Konzentration, die man benötigt, um der fremden Welt des Denkens und Argumentierens zu folgen: Ich habe viel gelernt von diesem schmächtigen Gelehrten über seine Welt von Damaskus vor fast 800 Jahren, über die Theologie und Frömmigkeit der Muslime in der Zeit der Kreuzzüge. Da steht beispielsweise Ende des 29. Hadithes (S.186) „Zuerst ermunterte der Prophet den Mucadh zum Dschihad gegen die Ungläubigen. Dann brachte er ihn zum großen Dschihad: Das ist der Dschihad der Seele und ihre Unterdrückung des Redens über das, was ihr weh tut und was ihr Verderben bringt.“ Und weiter bestehen die Muslime der Zeit darauf, dass die Leute der Schrift (die Kreuzfahrer!) einen Sonderstatus haben, auch wenn ihr Monotheismus doch nicht dem Islam entspricht (S. 88).
Zu 3: Marco Schöller hat bei Suhrkamp gerade eine sehr empfehlenswerte Basis-Biographie zu Mohammed verfasst (2008, 160 Seiten), die außerordentlich informativ Leben, Werk und Wirkung vorstellt. Präzise Information, ohne sich in den fruchtlosen Gegensatz zu begeben, den die beiden neuen Monographien zu Mohammed zeigen, weder volles Zutrauen zur Überlieferung (Nagel) noch fundamentale Skepsis. Eine überaus lohnende Lektüre, um auf hohem Niveau Informationen aus erster Hand zu erhalten. So kann genaue und historische Information über Islam aussehen!
————————-
09.06.2009
Christoph Auffarth,
Universität Bremen
Religionswissenschaft
(Geschichte und Theologien des Christentums)