Schlangenkampf. Von Anna-Katharina Höpflinger

 

Anna-Katharina Höpflinger
Schlangenkampf. Ein Vergleich von ausgewählten Bild- und Textquellen aus dem griechisch-römischen und dem altorientalischen Kulturraum

Zürich: Theologischer Verlag 2010

424 Seiten, Paperback mit Abb.
ISBN 978-3-290-17544-3
Preis 38,80 Euro

 

 

Ordnung und Chaos in Kampf und Ausgleich:
Der Drachenkampf in Mythos und Bild

Zusammenfassend:

Ein wichtiger Beitrag zur Eigengesetzlichkeit von Bildern gegenüber Textzeugnissen, die zum gleichen Sujet sich äußern. Das Material, an dem Höpflinger das diskutiert, ist der Drachenkampf in drei Mythen, zwei griechischen (Zeus gegen Typhon, Apollon gegen Python) und einem orientalischen (Marduk gegen Tiamat).

Im Einzelnen: Die Zürcher Dissertation entstand im Zusammenhang mit den Arbei­ten zur Ikono­graphie des Alten Orients. Hatten die älteren Arbeiten Material zusammen­gestellt, das zu den sprachlichen Bildern der Bibel visuelle Illustration bot,[1] so sam­melte Otmar Keel und seine Schule[2] die Bilderwelt in großer Breite und ohne den (protes­tantischen) Vorbehalt, dass die Bilder nur Gegenbilder einer anderen Religion sein könnten, nur „Goldene Kälber“, weil das Alte Israel ja Bilder verbot. Keels wage­mutige Interpretationen haben die Diskussion angefacht,[3] eine methodische Grund­lage fehlt aber noch weitgehend; das Gottesbild/Bildtheologie[4] ist eine wichtige Frage, aber fast interessanter sind die Gegenfiguren und Kontexte.[5]

Hier ist die Religions­wissenschaft gefragt, und so hat sich Anna Katharina Höpf­linger (AKH) das wichtige Thema des Drachenkampfs vorgenommen. Das passt in die Fragestellung der Zürcher Religionswissenschaft um Daria Pezzoli-Olgiati (und Christoph Uehlinger), die die Bildersprache nicht als Illustration zu Worten und Texten, sondern eine eigene Semantik und Grammatik und getrennte Tradition ver­steht. Der Drachenkampf auf dem Zürcher Müllwagen kann das Bild ohne religiöse Gefühle anzusprechen auf den erfolgreichen Kampf gegen das Überhandnehmen des Mülls übertragen.

Mit der nötigen sprachlichen Kompetenz hat sich AKH ein Bild vorgenommen, das in der frühen griechischen Ikonographie vielfach angesprochen wird. Drei Bilder und Mythen hat sie sich ausgewählt: (1) Gegen Typhon (einen der Titanen) kämpft Zeus um die Erhaltung der Weltordnung (S. 49-174). (2) Apollon kann sein Heilig­tum in Delphi nur gründen, nachdem er die dort wohnende Drächin (oder auch männlichen) Python getötet hat. Beide griechischen Mythen sind orientalisch gefärbt, so dass der altorientalische Mythos vom Kampf des babylonischen Gottes Marduk gegen die Drächin Tiamat parallel interpretiert wird. Bildliche Darstellung und Texte präsentiert AKH mit großer Sorgfalt. Das führt – nachdem in der Einleitung die Fragestellung und Metho­de erklärt ist – zu den Resultaten „Bilder und Texte als Teil komplexer Netzwerke“ (S. 306-350). Ein Anhang präsentiert noch einmal Texte (die an sich gekonnte didak­tische Aufbereitung könnte man graphisch besser darstellen), die Abbildungen (teils schon im Text eingebunden) bilden den Anhang zusammen mit Bildnachweisen und Bibliographie,[6] kein Register.

  • Der Kampf Zeus’ gegen Typhon erscheint auf den Bildern bei weitem nicht so drama­tisch wie in den Texten. Ein Mischwesen mit menschlichem Oberkörper und Schlangen­unterleib (‚halbophin’ ist aus griech. ophis die Schlange abzuleiten) steht im Kampf gegen Zeus. Doch dass Typhon den Bestand der Welt bedroht, wird nur aus den Texten deutlich. Denn so wie ein Gott durch den anderen abgelöst wurde in der ‚Herrschaft im Himmel’ (Sukzessions­mythos), so droht dem letzten Usurpator Zeus das gleiche Schicksal. Hier ist die Bildkonvention zu entschlüsseln: Ein Mischwesen ist höchste Gefährdung der Ordnung (hier bietet sich der Verweis an auf Mary Douglas, Purity and Danger). Weiter ist die Bildkonvention des „Knielaufschemas“ zu beachten, die tödliche Niederlage bedeutet. – Götter sind menschengestaltig; die mit Vernichtung drohenden Gegner dagegen halb-halb. Was die Darstellung als Schlange anbelangt, muss aber deutlicher verwiesen werden auf die massive Übernahme orientalisierender Ikonographie in der sog. Orientalisierenden Epoche im archaischen Griechenland.[7] Diese zeitliche Einordnung fehlt weitgehend. Für den Verwendungszusammenhang scheint mir noch wichtig, ob die Drachenkampf-Bildern auf den Olympischen Schildbändern zum Gegner hin weisen (dafür wäre Gorgo oder Medusa das Muster), oder ob sie sie den Kämpfern vor Augen stehen.
  • Zeitsprünge bilden eine Veränderung von Kontexten und Stil wie Bildkonven­tionen, die AKH kaum thematisiert. Ein Bild in Pompeji folgt ganz anderen Konventionen: Der Kampf ist nicht mehr thematisiert, dafür besiegt/besänf­tigt Apollon die Python mit Musik.
  • Der Kampf des Marduk gegen Tiamat wird mit der These eingeleitet, dass bislang fast nur die Kulturexporte aus dem Orient nach Griechenland thema­tisiert wurden, nicht aber umgekehrt. Das hat seinen Grund für die Zeit zwischen 1200 und 600. Nun aber als Gegenbeispiel die Zeit des Hellenismus und des römischen Imperiums aufzugreifen, das eine gewisse kulturelle Globalisierung erzeugt, muss besser begründet werden. Ted Kaizers Forschungen (die AKH aufgreift) haben deutlich gemacht, dass der Orient durchgreifend romanisiert wurde. Aber das ist zeitlich eine ganz andere Epoche als das in dem Zusammenhang verglichene Enuma Elisch. Wichtig ist, dass die Monster – gegen die übliche Bewertung als ‚Chaoswesen’, die in der AT-Wissenschaft und Altorientalistik häufig nur negativ als das Böse qualifiziert werden – „eine mehr oder weniger große Verbindung zu sittlichen und/oder positiv konnotierten Größen auf(weist)“ (318). Die Ausgleich von aggressiv-verderblichen Kräften und nötiger Konkurrenz in ein stabiles Gleichgewicht ist notwendig gegen „den drohenden Untergang“.

Schade, dass AKH nicht wahrgenommen hat, dass es einen ‚religionswissen­schaft­lichen Versuch’ gibt, der in vielem parallele Fragen zum Drachenkampf stellt und das Problem schon schärfer fokussiert: Wie kann man die gleichen Bilder in völlig unter­schiedlichen Kulturen wie den Palastkulturen des Alten Orients und der regulierten Anarchie Griechenlands verwenden?[8] Und weiter: In welchem Maße verändern die Griechen dann diese Bilder, so dass sie zu griechischen werden. Damit würde die Debatte religionswissenschaftlich weiter geführt und nicht gewisserma­ßen von vorne angefangen. Eine religionswissenschaftliche Position in der Methodik und Theoriebildung der Bildwissenschaft ist nötig und bringt andere Aspekte ein als die Kunst- oder Medienwissenschaft. Dafür ist das Buch von AKH ein wichtiger Beitrag.

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[1] Alfred Jeremias (1904; 41930), James B- Pritchard: Ancient Near Eastern Pictures Relating to the Old Testament (1954, ²1969; nach seinem Standardwerk Ancient Near Eastern Texts 1950; ²1955). Kompen­dien sind angekündigt von Angelika Berlejung. Vgl. meine Besprechung von Andreas Wagner, Gottes Körper (2010).

[2] Dazu gehören etwa Hildi Keel, Silvia Schröer, Urs Winter, Thomas Staubli, Max Küchler, nicht zuletzt Christoph Uehlinger, jetzt Professor für Religionswissenschaft  in Zürich.

[3] Ein gewisser Höhepunkt ist der Mammutband zum Tempel in Jerusalem 2009. Als Kompendium viel benutzt Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament am Beispiel der Psalmen. 1972, 51995.

[4] Wichtig die Arbeit von Angelika Berlejung: Die Theologie der Bilder. Herstellung und Einweihung von Kultbildern in Mesopotamien und die alttestamentliche Bilderpolemik. Freiburg, CH 1998. Vgl. zu metho­dischen Defiziten die Rezension zu Andreas Wagner: Gottes Körper 2010.

[5] Zur polemischen Bezeichnung „Götterbild“ und religionswissenschaftlichen Bewertung der Bild­polemik im antiken Christentum, s. Christoph Auffarth:  Das angemessene Bild Gottes: Der Olympi­sche Zeus, antike Bildkonvention und die Christologie. In: Natascha Kreutz; Beat Schweizer(Hrsg): Tekmeria. Archäologische Zeugnisse in ihrer kulturhistorischen und politischen Dimension. Beiträge für Werner Gauer. Münster: Scriptorium 2006 [ 2007], 1-23.

[6] Dazu fallen mir viele weitere Arbeiten ein, die zu dem Kontext gehören, während anderes mir eher randständig scheint. Die Angaben sind manchmal unvollständig, etwa Burkert, Der geheime Reiz …, fehlt die Angabe des Bandes: in: Kippenberg/Stroumsa (eds.): Secrecy and Concealment … 1995, 79-100. Druckfehler bei Rudolf Pfeiffer, u.a.

[7] Grundlegend Walter Burkert: Die orientalisierende Epoche …. 1984. Die Griechen und der Orient. 2003. und Martin L. West: The Eastern Face 2007 hat AKH zur Kenntnis genommen, aber nicht historisch eingeordnet.

[8] Christoph Auffarth: Der drohende Untergang. „Schöpfung“ in Mythos und Ritual im Alten Orient und in Griechenland am Beispiel der Odyssee und des Ezechielbuches. (RGVV 39) Berlin; New York 1991.

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Christoph Auffarth
Religionswissenschaft
Universität Bremen

 

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