Pseudoklementinische Homilien. Von Jürgen Wehnert


Jürgen Wehnert: Pseudoklementinische Homilien.
Einführung und Übersetzung. (Kommentare zur apokryphen Literatur 1/1)
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2010, 271 S.

 

 

 

 

Missionsreisen des Petrus gegen die Gnostiker

Das Neue Testament ist eine Auswahl aus einer großen Anzahl von Schriften aus der Zeit, die sich noch nicht als „Frühes Christentum“ klar abgrenzen lässt von den anderen zeitgenössischen Schriften – klassisch-antiken, jüdischen, gnostischen. Während der Kanon das Neue Testament auf 27 Schriften begrenzte, gibt es für alle Gattungen – Evangelien, Apostelgeschichten, Briefe und Apokalypsen – eine weit größere Zahl von Alterna­tiven, die nicht in den Kanon aufgenommen wurden. Sie zu kennen, ist eine (lang vernachlässigte) Aufgabe der Neutestamentlichen Wissen­schaft. Denn die Kontexte der in den Kanon aufgenommenen Schriften und die oft enorme Rezeption der ‚apokryphen‘ Literatur ist kaum zu überschätzen.

Es ist den Verantwortlichen des Verlages Vandenhoeck & Ruprecht zu danken, dass sie mit Übersetzung und Kommentar der Pseudo-Klementinen eine geradezu zentra­le Schrift leicht zugänglich machen. Und weitere Schriften sind in der Reihe in Planung.[1] Den Kommentar hätte man gerne gleich mit benutzt; so liegt einstweilen nur die Übersetzung vor. Diese Übersetzung von Jürgen Wehnert vermag den grie­chischen Text in einem gut lesbaren Deutsch wiederzu­ge­ben, vor allem aber merkt man, dass er all die Begriffe, die aus der Gnosis stammen und eine präzise Kenntnis der Texte dieser religiösen Strömung voraussetzen, kennt und mit den in der Forschung verwendeten Begriffen übersetzt hat. Jürgen Wehnert gehört seit seinen Studienjahren zu den Mitarbeitern an der Edition des griechischen Textes durch seinen Lehrer Georg Strecker.[2] So steht jetzt eine sehr zuverlässige Textgrund­lage zu Verfügung; den griechischen Text muss man sich dazu besorgen (in der unzuver­lässigen Migne-Fassung ist er auch online zugänglich).

Die Szenen beschreiben die Auseinandersetzung der Gemeinde um Petrus gegen die Gnostiker. Aufgeschrieben hat sie – so behauptet die Verfasserangabe – der direkte Nachfolger des Petrus im Amt des Bischofs von Rom (also der zweite Papst) Cle­mens von Rom. Eine Miniatur am Ende der Handschrift der recognitiones im Kloster Lam­springe vom Ende des 12. Jh.s (Codex Guelferbytanus 475 Helmstadiensis) zeigt Petrus, mit den Worten: Dies mortis mei instat. Clementem hunc vobis episcopum ordino („Der Tag meines Todes steht bevor. Clemens hier setze ich zu eurem Bischof ein“). Da der Text aber eher aus dem 4. Jh. stammt, ist die Zuschreibung an Clemens falsch (eine Pseud-epigraphie: falsche Verfasserangabe zu Werbezwecken).

Die Pseudo-Klementinen sind ein Buch aus der Gattung der Apostelgeschich­ten, genauer ist hier aber die Verbindung zum sogenannten ‚Antiken Roman‘ deutlich: Zwei Freunde oder Liebende haben sich aus den Augen verloren und finden sich nach langen Irrfahrten wieder; Höhepunkt ist die Anagnorisis, die Wiedererken­nung. In 20 Homilien[3] ist eine Reise des Petrus beschrieben, die ihn in Auseinan­dersetzungen mit Gegnern führt, an denen sich die ortsansässigen Gemeinden erfolglos bemühten. Mit bösen Geistern, mit unheilbaren Krankheiten und vor allem mit anderen Missionaren, die der Gnosis angehören. Wenn Petrus als „der größte in der Weisheit Gottes“ angesprochen wird,[4] dann wird hier zwar der Gegensatz zwischen Weisheit (sophía) und Erkenntnis (gnôsis) Gottes behauptet, die Argumen­tation des Petrus bleibt aber nahe an der gnostischen Rede, sowohl in der dualisti­schen Auftei­lung der Welt in Gut und Böse als auch in der scharfen Unterscheidung von der (Gnaden-)Theologie des Paulus. Zitate aus Paulus werden dem Gegner des Petrus in den Mund gelegt. Simon („der Magier“) ist den Lesern der Apostelge­schichte bekannt, weil er dem Paulus die Fähigkeit abkaufen wollte, Wunder zu tun (Apg 8). Er gilt von da an als der erste Ketzer. Spektakulär sein letzter Streit mit Petrus in Rom, als seine Himmelfahrt mit einem tödlichen Absturz endete.

Einstweilen sind die wertvollen Beiträge der Gro­ninger und Budapester Arbeits­gruppe als Kommentar zu nehmen.[5] Der Kommentar von Wehnert wird hoffentlich nicht zu lange auf sich warten lassen. Die knappe Einleitung (S. 29–46) gibt erste Hinweise auf die Linie des Kommentars.

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[1] Die geplanten weiteren Bände s. Verlagsseite 

[2] Die Ausgabe in der Reihe der Christlichen griechischen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte (CGS), Berlin: Akademie bzw. de Gruyter umfasst die folgenden Bände (der reine Text aus Band 4 auch online http://www.bbaw.de/bbaw/Forschung/Forschungsprojekte/gcs/de/blanko.2005-08-13.0693530036 ):

(1) Homilien. Hrsg. von Bernhard Rehm. Zum Druck besorgt durch Johannes Irmscher, 1953. – 2., verb. Aufl. 1969. – 3., verb. Aufl. von Georg Strecker, 1992.

(2) Rekognitionen in Rufins Übersetzung. Hrsg. von Bernhard Rehm, 1965. – 2., verb. Aufl. von Georg Strecker, 1994.

(3-1) Konkordanz zu den Pseudoklementinen, Teil 1: Lateinisches Wortregister. Von Georg Strecker, 1986.

(3-2) Konkordanz zu den Pseudoklementinen, Teil 2: Griechisches Wortregister, syrisches Wortregister, Index nominum, Stellenregister. Von Georg Strecker, 1989.

(4) Die Klemens-Biographie. Epitome prior, Martyrium Clementis, Miraculum Clementis. Hrsg. von Franz Xaver Risch, 2008.

[3] Der Begriff ist gewöhnlich für „Predigten“ verwendet; das sind diese Texte aber nicht.

[4] [Clem] hom 1, 15,6.

[5] Jan Bremmer (Hrsg.): The Pseudo-Clementines. Löwen: Peeters 2010. Der Band ist der 10. in der Reihe der Studies on Early Christian Apocrypha.

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3. Juli 2011
Christoph Auffarth
Religionswissenschaft
Universität Bremen

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