Klaus Herbers; Nikolas Jaspert (Hrsg.): Integration – Segregation – Vertreibung: religiöse Minderheiten und Randgruppen auf der Iberischen Halbinsel, 7. – 17. Jahrhundert.
(Geschichte und Kultur der Iberischen Welt 8) Berlin: Lit 2011. [397 S.]
Die Herausgeber hoffen, ein Zwischending von Handbuch und Sammelband erreicht zu haben: Zeitlich vom Ostgotenreich bis zur Frühen Neuzeit, regional durch alle Regionen Spaniens, religiös die drei Religionen. Die regionale Besonderheit des Ostgotenreichs kennt auch schon ihre Minderheiten, die Toleranz unter islamischer Herrschaft als convivencia gemeinschaftliches Leben von Christen, Juden und Muslimen, die Veränderung christlicher Herrschaft von Nichtverbieten über Zwangspredigt und Disputation bis zur Zwangsbekehrung oder Vertreibung. Spanien ist ein spannender Fall. Das Projekt ist umfassend in zeitlicher Hinsicht von den Ostgoten bis zur Vertreibung 1492 (sogar darüber hinaus), in Hinsicht auf die Religionen und in Hinsicht auf die Regionen und Städte. Zur Einführung stellen Nikolas Jaspert; Klaus Herbers: Fragen und Anliegen der Minderheitsforschung zur Iberischen Halbinsel, 5-14. Nikolas Jaspert: Religiöse Minderheiten auf der Iberischen Halbinsel und im Mittelmeerraum. Eine Skizze, 15-44, eine kluge Fragestellung und Vorstellung der Forschung, insbesondere auch der Begriffe wie reconquista, convivencia, die über Spanien hinaus von Bedeutung ist, während Klaus Herbers: Die Vielfalt der Minderheiten und Randgruppen auf der Iberischen Halbinsel, 45-63, begrenzt. Ob man allerdings die Fragestellung auf die identifizierbaren Glaubensgemeinschaften fokussieren sollte (30 f), grenzt die Analyse ein. Die Heiden oder die Ungläubigen sind Globalbegriffe, die Unterdrückung und Sklaverei rechtfertigen. Wolfram Drews: Bekehrung durch Büchervernichtung? Neue Ansätze antijüdischer Politik im spanischen Frühmittelalter, 65-82. Mathias Maser: Christen im umayyadischen Andalus zwischen diskriminierender Beschränkung und kultureller Profilierung, 83-108. Wiebke Deimann: Die christliche Minderheit in al-Andalus : Situation und Wahrnehmung der Mozaraber seit dem 11. Jahrhundert, 109-126. Mittlerweile ist auch ihre Monographie erschienen W.D.: Christen, Juden und Muslime im mittelalterlichen Sevilla. (Geschichte und Kultur der Iberischen Welt 9) Münster: Lit 2012 [368 S.]. Zur methodisch wichtigen Untersuchung von Richard Bulliet, Conversion to Islam 1979, der anhand der Namensgebung den Bevölkerungsanteil von Neubekehrten abschätzen zu können glaubte, die andere muslimische Namen wählten als die Alteingesessenen, s. 110 A. 2. – María Angeles Gallego Mañueco, Die Integration der jüdischen Gemeinschaft in die arabisch-islamische Gesellschaft von al-Andalus auf Grundlage ihrer Sprachzeugnisse, 127-143. Sie weist nach, dass die Juden dort drei Sprachen pflegten Arabisch, Judäo-Arabisch und Hebräisch: das deute auf drei verschiedene und verschieden integrierte Gruppen innerhalb der jüdischen Minderheit. Miguel Ángel Ladero Quesada: Juden im Nasridenreich von Granada, 145-169, wertet Passagierlisten auswanderungswilliger Juden aus. Kay Peter Jankrift: Muslime im Königreich Kastilien. Von der herrschenden Mehrheit zur beherrschten Minderheit, 171-178, sieht im 13. Jh. Die Grundlagen für ein Zusammenleben zerstört, das zuvor noch möglich war. Javier Castaño: Flüchtige Schimären der »Convivencia«: die Juden in Kastilien und ihre Eliten 1418 – 1454, 179-212. Maria Filomena Lopes de Barros: Mudejaren in Portugal. Identität und Akkulturation, 213-230. Isabel Cristina Ferreira Fernandes: Die Juden in Portugal. Bilanz und Perspektiven der Forschung, 231-259. José Hinojosa Montalvo: Mudejaren im Königreich Aragón. Integration und Segregation, 261-299. Flocel Sabaté: Die Juden in der Krone Aragón. Der Zusammenbruch der Koexistenz, 303-335. Rainer Walz: Die Entwicklung eines religiösen Rassismus in der Frühen Neuzeit. Die Exklusion der Conversos, 337-362. Manfred Tietz: Die literarische Erinnerung an das trikulturelle Spanien des Mittelalters in deutschen und spanischen historischen Romanen der Gegenwart, 363-383. Das Buch ist ein Musterbeispiel für die Fragestellung und kann auf ungleich dichteres Quellenmaterial zurückgreifen als im Vorderen Orient. Das Problembewusstsein ist in Einleitung und einzelnen Aufsätzen sehr hoch. So ergibt sich ein differenziertes Bild von Nachbarschaft (das ist mein bevorzugter Begriff) der Kulturen, der im 13. Jahrhundert immer weniger möglich wird.
Christoph Auffarth
Religionswissenschaft
Universität Bremen
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