Lateinische Hymnen

cover-stockDer Klang der Ohrwürmer:
Lateinische Hymnen auch außerhalb der Kirchen

Alex Stock (Hrsg.): Lateinische Hymnen. Berlin: Verlag der Weltreligionen 2012. [Leinen, 402 Seiten. 38,00 €. ISBN: 978-3-458-70038-8]

Kurz: Alex Stock hat die große Tradition der religiösen Hymnen an einigen Bei­spielen eingehend erklärt und so ein Kulturgut der Europäischen Kultur von hoher Popularität erschlossen.

Ausführlich: Es war ein guter Gedanke, Alex Stock (AS) als Herausgeber zu gewin­nen für den Schatz an Liedern der lateinischen Christenheit. In seiner Poetischen Dogmatik hat AS die Tradition, die gewachsene katholische Tradition kenntnisreich und liebevoll dar­gestellt.[1] Dogmatik heißt, strenge Kriterien eines Prinzips gegen die Volksfröm­mig­keit zu setzen. AS stellt aber im Gegenteil die Tradition der Frömmig­keit als Träger der christlichen Religion, manchmal auch gegen die kirchenamtliche Zensur und dogmatische Korrektheit. Das ist an einem der Hymnen gut zu sehen. In der Messe zum Begräbnis war ein fester Teil der Hymnus Dies irae, dies illa (285-304). Das Lied war äußerst populär; wer kennt es nicht, beispielsweise in der Vertonung von Wolfgang Amadeus Mozart in seinem Requiem? (Die Töne muss man sich, wie auch AS bedauert, dazu denken.)  Nun hat die Litur­gie­reform des Zweiten Vatikani­schen Konzils 1969 den Hymnus aus dem Messfor­mu­lar gestrichen. Ja, wenn man den Text liest, das Winseln um Gna­­de, die Nichtig­keit des menschlichen Lebens, die maßlose Strafe für die Sünder. Ein moder­ner Theologe vermisst den Auferstehungs­glauben. Zu Recht. So ergibt sich ein Kon­flikt zwischen lieb gewordener Tradition, Frömmigkeit und verantwortetem Glau­ben. „Das hochgepriesene Kleinod befindet sich also nun im hymnologischen Archiv, wo man es in aller Ruhe betrachten kann.“ (292) Und da erweist es sich, dass der – viel ältere – Hymnus erst nach der Reforma­tion, also in der katholischen Re­form 1570 in den allgemeinen Gebrauch gekommen ist. AS fragt nach den ursprüng­lichen Kon­texten: Vielleicht ist es zunächst zum Fest der Wiederkunft Christi am ersten Advent gesungen worden. Der (wohl erst später hinzugefügte) Schlussvers dona eis requiem Schenke Ihnen Ruhe! gab das Stichwort für die Totenmesse als Requiem.[2]

AS gibt zunächst den lateinischen Text, dann eine deutsche Übersetzung. Eine Dar­stellung parallel lateinischen Text zeilen­gleich mit der Übersetzung wäre leichter zu benutzen gewesen. Daran anschließend gibt AS (anders als sonst in der Reihe, wo Text und Kommentar getrennt sind) Bemerkungen zum Text, seine Vertreibung aus den prak­ti­zierten Messformularen, wann der Text zuerst nachweisbar ist und auf wel­chen Vorstufen er beruht. Es folgt der Kommentar. Hier weist AS etwa darauf hin, dass „zum Zeugen habe ich David in Übereinstimmung mit Sibylle“ teste David cum Sibylla so nicht stimmt. David, d.h. die Psalmen oder die Propheten, geben das nicht her, es muss eher Petrus et Sibylla heißen, es verweist auf 2. Petrusbrief 3,12.

Christoph Auffarth
Religionswissenschaft
Universität Bremen


[1] Alex Stock: Poetische Dogmatik. Paderborn: Schöningh 1995, bislang 8 Bände.

[2] Der Text ist weitgehend schon in der Poetischen Dogmatik. Christologie 4: Figuren. 2001, 196-201 ausführlicher zu finden.

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