The Eucharist – Its Origins and Contexts

The Eucharist – Its Origins and Contexts.
Sacred Meal, Communal Meal, Table Fellowship in Late Antiquity,
Early Judaism, and Early Christianity.

Ed. by David Hellholm and Dieter Sänger.

(Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 376)
3 Bände, Tübingen: Mohr Siebeck 2017.

[LX, 2199 Seiten. ISBN 978-3-16-153918-3
Leinenausgabe 298 €, fadengeheftete Broschur 238 €]

 

Das Abendmahl in seinem antiken Kontext

Eine Rezension von Christoph Auffarth

Kurz: Das umfassende Handbuch erklärt das Abendmahl in seinen antiken Kontexten und Entwicklungen auf 2.200 Seiten, von den führenden Wissenschaftlern.

Ausführlich: Das Abendmahl ist – neben der Taufe – das Ritual, das zum Kennzeichen der christlichen Gemeinden wurde und ist. Bereits Paulus beschreibt das gemeinsame Essen in seinem Brief an die Korinther (1 Kor 11,23) als etwas, das er bereits übernommen hat und zwar letztend­lich vom ‚Herrn‘ selbst, der es mit seinen Jüngern feierte zur denkbar bedeut­samsten Zeit seines Lebens: am Abend vor seiner Festnahme, Verhör, Folter, Verurteilung und Tod. Ist da auch schon der Gedanke der Auferstehung zu finden? Aber erst später wurde daraus das Sakrament/mystêrion μυστήριον.[1] Denn zunächst feierten die Christen abends ein gemeinsames Mahl, nicht anders als die anderen Griechen, Römer und Juden;[2] erst als die Hauskirchen aus den Nähten platzten, feierte man nur noch symbolisch mit kleinen Häppchen und Schlückchen am frühen Morgen.[3]  So werden die alltäglichen Dinge der Speise zu Symbolen höchster Bedeutung: Das Brot, das gebrochen wird, bedeutet den Leib, der kurz darauf getötet wird, der Wein zum Blut, „das vergossen wird für viele (alle). Dies ist der neue Bund, das tut zu meinem Gedächtnis!“ (1 Kor 11, 23-25, Markus 14, 22-25 Matthäus 26,26-29. Lukas 22,14-20). Das zentrale Ritual der Christen wird gefeiert, aber es gab Auseinandersetzungen: wie richtig? Was bedeuten all diese gewichtigen Zeichen? Ist das ein Streit, der so alt ist, wie das Ritual selbst? Oder hat erst die Reformation sich über die Frage gestritten? In der Wissenschaft diskutiert man die Frage: Hat Jesus da, bevor er gewalt­sam starb, eine Deutung seines Todes als Ritual begründet? Wiederholt das Ritual die ‚Ur­szene‘, holt den Tod Jesu in die Gegenwart. Luther etwa behauptet, das „ist“ in dem Wort „Dies ist mein Leib/Blut“ sei die Realität damals wie heute – obwohl das Aramäische, in dem sich Jesus mit seinen Jüngern unterhielt, solch ein Wort der Gleichsetzung/Identität nicht kennt. Ist, was Zwingli Luthers ‚Realpräsenz‘ entgegenhielt, das Abendmahl ein Gedächtnismahl: „Dies tut zu meinem Gedächtnis!“?[4] Wenn das Ritual so auf ein bestimmtes historisches Ereignis bezogen ist, ist es dann dafür ‚erfunden‘ worden? Es lässt sich jedenfalls nicht ein­fach mit einem bestimmten jüdischen Ritual vergleichen, aber Jesus und seine Jünger waren Juden und das abendliche Essen fand kurz vor dem Hauptfest Pesach/Passah statt. Wollte Jesus ein Ritual ‚stiften‘, das bewusst nicht-jüdisch zu verstehen ist? Wenn aber Paulus es in einem Zusammenhang der griechisch-römischen Kultur (in die Juden nicht nur in der Dia­spora eingebunden sind) erstmals erwähnt, sind dann eher die ‚heidnischen‘ Kult­zusammen­künfte das Vorbild? Die Ritualforschung hat herausgestellt, dass ‚neue Rituale‘ sich auf bekannte Ritu­ale beziehen und Teile übernehmen, andere dagegen deutlich verändern.[5] Diese Fragen und Thesen verlangen daher danach, das kultische Essen in den historischen Zusammenhang zu stellen, wenn man seine Entstehung und Kontexte verstehen will. Dann sind mehrere Formen, mehrere Deutungen, darunter auch die als ‚Opfer‘, zu finden.

Erinnert sei an zwei scharfe Deutungen: Die jüdischen Ursprünge hat Hartmut Gese herausgestellt: Nicht das Ritual des Sündenbocks am Versöhnungstag, nicht die Feier des Pesach-Mahls, an dem das Lämmlein geschlachtet wird in Erinnerung an den Auszug aus Ägypten (Exodus 11 und 12, bes. 12, 13), sondern ein Dank-Opfer Toda. Der Alttestamentler (der eine Kontinuität der Biblischen Theologie zwischen AT und NT suchte) konnte verweisen auf den Psalm 22, den Jesus im Matthäusevangelium bei seiner Kreuzigung rezitiert, beginnend mit „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlas­sen?“ doch schon in dem Bewusstsein des Schlusses des Psalms, wo der Beter Gott für seine Errettung dankt. Daher das Dankopfer, das die Errettung vorwegnimmt. – Demgegenüber hat Gerd Theißen für die Religion der ersten Christen darauf hingewiesen, dass das Ritual zwei Elemente enthält, die für Juden Tabu seien: Das Trinken von Blut und die Vorstellung eines Sohnes Gottes.[6]

Das Projekt, das hier gedruckt vorliegt (nach zwei Konferenzen sind das Beiträge von 75 Wissenschaftlern aus den unterschiedlichen Disziplinen; knapp die Hälfte, 33 auf Deutsch, die anderen auf Englisch), stellt sich die Aufgabe, nicht einzelne Texte und Ritualanweisun­gen zu untersuchen, sondern alle Formen und Deutungen der Antike in diesem Handbuch noch einmal sich anzuschauen und damit das Christentum als antike Religion in seinen Kon­text der antiken Kultur zu stellen. Aber auch solche anthropologischen Fragen mit einzu­beziehen, wie Nahrungsaufnahme und Hunger/Überfluss, Teil der Besoldung von Priestern, etc. Die einzelnen Beiträge bespreche ich in aller Kürze im Anhang. Erfreulich ist, dass die Herausgeber darauf achteten, dass die Autoren Bezug nehmen auf benachbarte Beiträge. Überhaupt ist die sorgfältige Planung und die Einladung an internationale Kollegen hervor­zu­heben.[7] Loben kann man den Index mit Moderne Autoren (statt einer Gesamtbiblio­graphie), ein Sach- und Namenindex, zitierte Quellen, wichtige griechische Wörter. Wie bei Mohr Siebeck gewohnt die hohe Qualität des Bücher Verlegens. Dieses Handbuch wird auch in Generationen noch gute Dienste leisten, sowohl als Grundlagenwerk zu allen Aspekten des Gemeinschaftsmahls, ob in sakralem wie in anderen festlichen Gelegenheiten der antiken Kulturen,[8] als auch als ein greifbares Nachschlagewerk, das man über den Index gezielt befragen kann. 

Die Beiträge im Einzelnen

Das Werk in drei Bänden beginnt den Ersten Band (Altes Testament, Frühes Judentum, Neu­es Testament) mit der interessanten Frage, ob Erkenntnisse aus der historischen Forschung die normative Geltung und die Gestaltung des Herrenmahls[9] beeinflussen können. Wenn Jesus mit den Sündern am Tische saß: Ist die Taufe Voraussetzung der Teil­nahme am Abendmahl? Die viel weiter gehenden Anstöße der Verweigerung der Teilgabe an getaufte Nicht-Katholiken sind eher sanft angedeutet. (Ulrich H. J. Körtner I, 1-21). Peter Altmann stellt die Kultmahlzeiten der Hebräischen Bibel vor unter der Frage nach Hunger gegenüber Festen als Überfluss und die archäologischen Funde neben den normativen Texten der HB zu Festen der Eliten (I, 23-41). Göran Eidevall zeigt, wie das Wort für Opfermahlzeit זבח zebah symbolisch gebraucht wird für Siegesfeier aber auch die Erinnerung an eine Niederlage nach einer Schlacht oder gar Massaker (Jesja 34, 5-8; Jeremia 46, 10; Ezechiel 39, 17-20; Zephanja 1, 7). Hermann Lichtenberger (I, 61-76) zeigt, wie Griechen und Römer ‚Jüdisches Essen‘ bewerten, selten aus Augenzeugenschaft, oft mit dem Vorurteil gegenüber der Andersheit und oft auch Exklusivität der Sabbat- und Pesach-Essen, bis hin zu der Behauptung, Juden seien Vegetarier oder Kannibalen. Josephus, der jüdische Autor im Exil am kaiserlichen Hof in Rom, versucht das contra Apionem zurecht zu rücken. Eine Besonderheit stellen die Gemein­schafts-Essen in der Qumran-Bewegung dar, die Cecilia Wassén (I, 77-100, v.a. zur Frage der Reinigung vor dem Essen: nicht alltäglich, sondern bei besonderen Festen) und Jörg Frey (I, 101-130: Der Vergleich mit dem NT-Ritual des Abendmahls ist in den Einzel­heiten der Liturgie nicht möglich und führt zu falschen Fragen, etwa der Sakramentalität der Mähler. Es geht beiden aber um das Kommen des Messias) untersuchen. Die Qumran-Ge­meinschaft hielt sich bekanntlich vom Kult des Jerusalemer Tempels entfernt und stand im Gegensatz zu der Jerusalemer Priesterschaft. Aber feierte sie eigene Opferrituale? Der Fund eines Knochen-Deposits dürfte das belegen und zwar in Beachtung der Regeln für die Stiftshütte während der Wüstenwanderung beim Exodus aus Ägypten. (Jodi Magness I, 131-155). Andere Facetten, wie Juden ihre Gemeinschaftsmähler feierten, entnimmt Naomi Jacobs (I, 157-179) aus dem Buch Tobit und dem Aristeas-Brief, also in Berührung mit Nicht-Juden: Rechtfertigung des Jüdisch-Seins und Festhalten an Reinheit und Exklusivität. Ähnlich der ‚jüdische Roman‘ Joseph und Aseneth, den Dieter Sänger untersucht (I, 181-222). Darin kom­men die Formeln „Brot des Lebens und Kelch der Unsterblichkeit“ vor. Diese seien Verspre­ch­ungen an Alle jüdischen Glaubens, ob Juden von Geburt oder nicht, in Analogie zu den Mysterien, die das wahre Leben schon hier und heute beginnen lassen, nicht erst nach dem Tode.[10] Mit dem gleichen Text beschäftigt sich Kirsten Marie Hartvigsen (I, 223-251): Brot, Kelch und Salbe können beides: Erwürgen, hintergehen, verderben; sie können Leben, Unsterblichkeit und Unver­gänglichkeit schenken. Um die negativen Eigen­schaften nicht seiner heidnischen Geliebten anzutun, muss Joseph auf den Kuss verzichten. Erst als sie durch die göttliche Honigwabe verwandelt wurde, kann das Liebespaar sich vereinigen. Das jüdische Gemein­schaftsmahl bei Philo und Josephus diskutiert Jutta Leonhardt (I, 253-273).

Als Scharnier zum Neuen Testament stellt Clemens Leonhardt Passah-Mahl und Abend­mahl vergleichend nebeneinander (I, 275-312). James Kelhoffer fragt, warum Johanes der Täufer sich gemeinsamen Essen verweigert, während Jesus sich zum Mahl einladen lässt gemein­sam mit Verpönten: Lukas 7,31-34 (I, 313-329). Ja, Jesus und seine Jünger halten sich nicht an das Fasten, warum, erklärt Jostein Ådna (I, 331-353). Das Festmahl in den Gleich­nissen und das Wunder der Speisung der Fünftausend ist Thema des Beitrags von (Jonas Holmstrand: I, 355-388). Texte des Zweiten Jahrhunderts (Clemens von Rom, Barnabasbrief, Didaché u.a.) christlicher Zeit untersuchen Jerker und Karin Blomqvist auf ihre Abendmahls-Terminologie, u.a. die Verwendung von Salz (I, 389-421). Welches nicht ausgesprochene Kritik am Tempelkult enthält das Essen mit Freunden? Samuel Byrskog (I, 423-452) argu­men­tiert gegen das Verständnis, dass Jesu Wort von seinem Leib als Tempel schon auf eine Gegnerschaft zum Tempel-Gottesdienst des Neuen Bundes/Testaments verweise. Karl Olav Sandnes vergleicht die Erzählungen vom letzten Mahl bei Markus und Matthäus (I, 453-475). Thomas Kazen untersucht (I, 477-502), welche Begriffe und Metaphern dieses Abendmahl als ‚Opfer‘ interpretieren, besonders den Verweis auf das Bundesopfer Exodus 24. Aber es fehlt das    חטאת  chattat „Sündopfer“. Enno Edzard Popkes fragt, inwieweit bei Lukas 24 und im Johan­nes-Evangelium 6 das letzte Essen Jesu mit seinen Jüngern schon die ‚verborgene Gegen­wart‘ des Christus nach seinem Tod und Auferstehung widerspiegelt (I, 503-512). Daniel Marguerat untersucht die Apostelgeschichte (I, 513-535), besonders das gemeinsame Essen der Urgemeinde (2, 42-47: „sie waren ein Herz und einen Seele und teilten alles mitein­ander). Das sei aber nicht als ein Abschließen nach außen zu verstehen, sondern Ort einer universalen Ethik. Peter Müller setzt sich mit der Rede von den ‚Starken‘ und ‚Schwachen‘ in Römer 14-15 auseinander (I, 537-554), eine Gemeinde, die er aber im Unterschied zu den Korinthern (1 Kor 8) nicht kennt. Die Gemeinde in Korinth ist dann das Thema von Paul Duff (I, 555-578). Das egoistische Essen ist ja ein bedeutendes Thema in seinem Brief. Mikael Winninge ver­steht die Erzählung vom Abendmahl in 1 Kor 11 und Lukas 22 nicht als einen historischen Bericht, sondern als Reflex eines schon entwickelten Rituals. Ausgerechnet Lukas biete seinen hellenistischen Lesern/Hörern die Verbindung zu Pesach. Felix John hält Galater 2,11-21 für eine Ritual- und Identitätskrise der ethnischen Unterschiede und inter­pretiert sie als failed ritual (I, 603-624). Hermut Löhr (I, 625-644) fragt, inwieweit schon bei Paulus das Gemeinschaftsmahl zum sakramentalen Ritual geworden ist. Er untersucht beson­ders den Begriff der Gemeinschaft (κοινωνία), der nicht verwendet wird etwa für die Taufe. Tor Vegge behandelt die Speiseregeln in den Deutero-Paulinen (I, 645-671). Håkan Ulfgard versteht die Mahl-Metaphorik, die in der Offenbarung des Johannes sowohl in Bezug auf Gott wie auf den Satan gebraucht ist, eher als menschliche Teilhabe am Göttlichen denn als Bezug zum Ritual (I, 673-695). Zwei lange Querschnitts-Aufsätze beschließen den ersten Band: Lukas Bormann (I, 697-731) blickt mit einer kulturanthropologischen Frage­stellung auf das Abendmahl als Ritual mit der Funktion der Vergemeinschaftung. Er weist u.a. die These Theißens 2000 zurück, dass das Abendmahl in jüdischen Augen als Tabubruch wahrgenom­men werden müsse. Hans-Ulrich Weidemann (I, 733-769) untersucht die Verbin­dung von Taufe und Abendmahl, indem die Taufe die Voraussetzung und die erste Teil­nahme am Abendmahl anschließt, also den initiatorischen Prozess in eine geschlossene Gemeinschaft.

Der zweite Band ist gewidmet den Patristischen Traditionen und der Ikonographie. Gerard Rouwenhorst (II, 771-786) stellt die unterschiedlichen Traditionsstränge der frühchristlichen Eucharistiefeiern in den östlichen (Syrien und Mesopotamien) und westlichen lateinisch spre­chenden Gemeinden (Nordafrika, Rom, Italien) dar. Im Westen ist das Element des Bringens von Gaben einzigartig, während im Osten die Anrufung des Heiligen Geistes her­vor­sticht. Im dritten Jahrhundert beeinflussen sich diese Traditionen wieder wechselseitig, v.a. in Ägypten, bleiben aber deutlich verschieden. Nach diesem liturgischen Überblick geht es in die Einzelheiten. Reinhart Staats diskutiert das Blutverbot im Aposteldekret (Apg 15, 20; 29 und 21,25 datiert auf das Jahr 48) und seine Wirkungsgeschichte: Irenäus von Lyon und Tertullian verstehen das ‚Sich Fernhalten vom Blut‘ als Tötungsverbot, nicht als (jüdi­sches) Speisetabu. (II, 787-817). Candida Moss untersucht die Totenmähler bei der Bestattung und dann im Märtyrerkult (II, 819-828). Andrew McGowan (II, 829-843) stellt gegen einander die Teil­nahme am Abendmahl in Bezug auf das Verzichten auf Wein und Fleisch, die bei griechisch-römischen Festessen immer Bestandteil waren. Dietrich-Alex Koch untersucht die Didache (um 100) nach ihrem Eucharistieverständnis (II, 845-881): c. 14 nennt sie zwar ein ‚reines Opfer‘, aber bezieht das weder auf die Gaben von Brot und Wein noch auf den Jesu erlösenden Tod, sondern auf die Dankgebete der Gemeinde.  Lothar Wehr beschäftigt sich mit den Ignatius-Briefen (I, 883-900), Andreas Lindemann mit Justin und Irenäus (II, 901-933), die das Ritual verteidigen gegen böswillige Unterstellungen. Øyvind Norderval zu Tertullian und Cyprian, also zur Nordafrikanischen Traditoin mit ihrer strengen Kirchen­zucht (II, 935-955). Anders Ekenberg gibt einen Überblick über die frühen Kirchenordnungen (II, 957-992). Die Spiritualisierung der Eucharistie bei den Alexandrinern Clemens und Ori­genes hebt Gunnar af Hällström hervor (II, 992-1010). Joseph Verheyden widmet sich den Apostelakten Johannes und Thomas (II, 1011-1060). Obwohl fiktive Texte seien sie doch wert­voll für das Verständnis der einfachen Gemeindeglieder. Jürgen Wehnert diskutiert das gleiche Genre in den Pseudoklementinen. Er betont die asketische Verwendung des Rituals, indem Brot und Wasser das einzige Nahrungsmittel wird (II, 1061-1089). Michael Lattke stellt mit Aphrahats Abhandlung über das Pascha die eigentümliche Praxis der syrischen Christen vor (II, 1091-1119). Ebenfalls zur syrischen Christenheit gehört Ephrem mit seinen liturgischen Gesängen (Kees den Biesen: II, 1121-1142). Juliette Day fragt nach der Abend­mahls­praxis in Jerusalem anhand der mystagogischen Katechesen des Kyrill von Jersualem (die sie allerdings später datiert, nämlich Anfang des 5. Jh.s: II, 1143-1163). Ilaria L.E. Ramelli zeigt, wie Gregor von Nyssa die Eucharistie als Teilhabe an Christi Körper versteht, als Gott­werdung (Theosis durch Vermischung: II, 1165-1184). Rudolf Brändle ist der Spezialist für Johannes Chrysostomos und Theodor von Mopsuestia (II, 1185-1209). Die Anrufung Jesu führt das historische Geschehen in die Gegenwart zur ständigen Erneuerung bis zum Jüng­sten Gericht. In den Westen führt der Beitrag von Allan D. Fitzgerald zu Ambrosius und Augustinus (II, 1211-1231), die je an ihrem historischen Ort, Mailand und Hippo, eingebettet werden. In die koptische Christenheit führt die Behandlung Shenoutes und die Bedeutung der Eucharistie in dem oberägyptischen Klosterleben von Hugo Lundhaug (II, 1133-1251). Andreas Müller bespricht Johannes von Damaskos. Die Eucharistie bewirke die mystische, rational nicht verstehbare Gottwerdung der Menschen komplementär zur Menschwerdung Gottes (II, 1153-1263). Nils Arne Pedersen stellt die Heiligen Mähler der Manichäer vor, in denen die Lichtseelen aus der Materie befreit werden. Die Manichäer übertreffen das Ritual der Christen (II, 1265-1295). Ulrich Kuder stellt die Ikonographie der Bilder vom frühen 3. bis zum 7. Jahrhundert in Beispielen vor und diskutiert die Probleme der Interpretation (II, 1197-1374; III, 1911-1997). Dass die 100 Abbildungen nicht im Text, aber auch nicht im Band II ent­halten sind, hat den Vorteil, dass man den dritten Band daneben legen kann und so die farbigen (!) Bilder auch über mehrere Seiten hin neben dem Text betrachten kann.

Der dritte Band enthält Beiträge zu Nahöstlichen, griechisch-römischen Traditionen und zur Archäologie. Andrea Kucharek bietet drei Kategorien des Mahls im Alten Ägypten: ‚profa­nes‘ Mahl, kultisches Mahl und Totenmahl (III, 1375-1387; Abb. 5 im Abbildungsteil). Gun­nel Ekroth als Archäologin untersucht seit mehreren Jahren die Darstellung von Opfern in der griechischen Kunst. Hier stellt sie gegeneinander häusliche Essen neben Essen in Heilig­­tümern (III, 1389-1411). War alles Fleisch, das – ohnehin selten – gegessen wurde, geheilig­tes Fleisch? Und wurde jede Mahlzeit mit einem Anteil für Gott begonnen? Wichtige Fragen für die Frage des Götzenopferfleisches und der Tempelmetzgerei μάκκελον im 1. Korinther­brief. Markus Öhler stellt Mähler und Opferhandlungen zusammen, die in griechisch-römi­schen Vereinigungen durchgeführt wurden. Hier sollte allerdings beachtet werden, dass die Mähler in den collegia ungleich seltener veranstaltet wurden als in christlichen Gemeinden. Zu Mählern in Privathäusern s. Öhler; Zimmermann (Hrsg.): Sacra Privata: Domestic Religi­on in Greco-Roman Antiquity and Early Christianity = Archiv für Religionsgeschichte 18/19 (2017), 3-238. Knut Usener berichtet, wie die Symposien erotisch aufgeladen waren durch Hetären, mehr noch aber durch Knabenliebe. Gerhard Baudy stellt Gebäck vor, das in atti­schen Kulten verwendet wurde, die man als ‚Schlange‘ oder ‚Ferkel‘ bezeichnete. Besonders auf die ‚Eu­charistie‘ der Ophiten geht der Aufsatz ein (III, 1469-1488). Ulrike Egelhaaf-Gaiser unter­sucht römischen Tafelluxus und Semantik von Speisen im 1. Jh. (III, 1489-1513). Lutz Käppel beschäftigt sich mit den philosophischen Gesprächen, die vorgeben, bei Symposien stattgefunden zu haben: Platons Symposion als Vorbild (III, 1516-1523). Jörg Rüpke stellt anhand von Horaz, carmen 3,19 und Macrob Satura 3,13,10-12 römische Priestermähler vor (III, 1525-1535). Konrad Vössing berichtet über Bankett und Öffentlichkeit (III, 1537-1554). Anja Bettenworth beschäftigt sich mit dem Bibelepos des Sedulius und dem dort geschilder­ten Abendmahl ganz mit den Worten und Bildern der paga­nen Epik (III 1555-1588). Peter Ruggendorfer gibt das Material zu den Banketten zu Ehren von Verstorbenen (III, 1589-1614. 11 Abbildungen). Norbert Zimmermann weitet das Thema aus auf alle archäologischen Zeugnisse zu Gemeinschafts- und Kultmählern aus römischer Zeit, fokussiert auf Ephesos (III, 1615-1632, 14 Abbildungen). Bernhard Domagalski betont die Kontinuität von Speise­räumen (Triclinia und stibadia) sowohl in paganen wie christlichen (Oberklasse-) Häusern, aber auch im Sepulkralbereich mit ausführlichen präzise nachgewiese­nen Katalogen (III, 1633-1666, ohne Abbildungen). Die wechselseitige Wahrnehmung das heidnische Kultmahl aus christlicher Sicht, das Abendmahl aus paganer Sicht (Vemund Blomkvist III, 1667-1684; John Granger Cook III, 1685-1714). Anders Hultgård berichtet über religiöse Mahlgemein­schaft in der persischen Tradition, im hellenistischen Kommagene und eventuell im Mithras­kult (III, 1715-1730). Christa Müller-Kessler behandelt das Thema für die Mandäer (III, 1731-1745, Abbildungen). Fritz Graf fragt, ob die sakralen Mähler im Isis und Serapis-Kult Vorbild sein könnten für das christliche Abendmahl, und arbeitet die Differenzen heraus (III, 1747-1760). Benedikt Eckhardt bespricht die Zeugnisse für das Gott Essen und Trinken, nämlich Dionysos (III, 1761-1777) und die Mähler im Kult von Kybele und Attis (III, 1779-1794). Hans Dieter Betz stellt die Frage, wie die zu beobachtenden Ähnlichkeiten von Eucha­ristie und Kultmahlen in der Mithrasreligion zu erklären sind. Er kommt zu dem Schluss, dass man sich gegenseitig wahrnahm, es aber wohl keinen direkten Abhängigkeiten gibt, wohl aber gemeinsame Mahlkultur in der Umwelt (III, 1795-1832). Einar Thomasssen diskutiert die Eucharistie in der Valentianischen Gnosis, bes. anhand des Philippus-Evangelium (III, 1833-1849). Der Band schließt mit dem langen Artikel von David Hellholm zu der Aussage Jesu in den Abschiedsreden Johannes, er werde hinfort nicht mehr vom Weinstock trinken, bis er ihn von neuem trinken werde im Reich seines Vaters. Er zeigt, wie solche eschatologischen Speisen sich treffen mit ähnlichen Jenseitsaussagen in altorientalischen, griechisch-römi­schen, jüdischen Religionstraditionen von Speisen im Paradies (III, 1851-1908).

 

Bremen/Wellerscheid

31. Januar 2019

Christoph Auffarth
Religionswissenschaft
Universität Bremen

E-Mail: auffarth@uni-bremen.de

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[1]     Martin Wallraff: Von der Eucharistie zum Mysterium. Abendmahlsfrömmigkeit in der Spätantike. In: Patristica et Oecumenica. FS Wolfgang A. Bienert. Hrsg. Peter Gemeinhardt. Marburg: Elwert 2004, 89-104. Erst bei Eusebios ist erstmals das Abendmahl als mystêrion bezeichnet: dem.ev. 5,3,19.

[2]     Dies war die grundlegende Einsicht vom Matthias Klinghardt: Gemeinschaftsmahl und Mahlge­mein­schaft. Soziologie und Liturgie frühchristlicher Mahlfeiern. Tübingen; Basel: Francke 1996. Ebenso Dennis E. Smith: Social Obligation in the Context of Communal Meals. A Study of the Christian Meal in 1 Corinthians in Comparison with Graeco-Roman Communal Meals. [unveröffentlichte Diss. Harvard 1980] Ders.: From Symposium to Eucharist. The Banquet in the Early Christian World. Minneapolis, Minn.: Fortress 2003. – Daran anschließend das SBL-Symposium Hal Taussig: Elaborating the New Paradigm. The Work of the Society of Biblical Literature’s Seminar in Meals in the Greco-Roman World. In: M. Klinkhardt; H.T. (ed.): Mahl und Identität im frühen Christentum. Tübingen: Francke 2012, 25-40. – Eine vorzügliche Präsentation des Forschungsstandes bieten Clemens Leonhard; Benedikt Eckhart: Mahl. V (Kult­mahl). RAC 23, 2010, 1012-1105. (in Anm. 38 zitiert, nicht in Bibl.)

[3]     Erstmals in der afrikanischen Kirche um 250 n.Chr. bezeugt: Cyprian, ep. 63,15f. Ausführliche Doku­men­tation Jan Heilmann: Wein und Blut. Das Ende der Eucharistie im Johannesevangelium und dessen Konsequenzen. Stuttgart: Kohlhammer 2014.

[4]     Siehe die Hinweise bei Auffarth, Bilder und Ritual … in: Jan van de Kamp; CA (Hrsg.): Die »andere« Reformation: Bremen und der Nordwesten Europas. 2019, im Druck.

[5]     Die Ergebnisse des Heidelberger Sonderforschungsbereichs sind zusammengefasst in einem knappen Hand­buch Ritual und Ritualdynamik: Schlüsselbegriffe, Theorien, Diskussionen. Hrsg. Christiane Brosius, Axel Michaels, Paula Schrode. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2013. ‚Interritualität‘ Christoph Auffarth: Ritual, Performanz, Theater: Die Religion der Athener in Aristophanes‘ Komödien. In: Anton F. Bierl, Rebecca Lämmle; Katharina Wesselmann (Hrsg.): Literatur und Religion 1: Wege zu einer mythisch-rituellen Poetik bei den Griechen. (MythosEikonPoiesis 1) Berlin; New York: de Gruyter 2007, 387-414.

[6]     Mit dem von Jesus selbst gebrauchten Titel „Menschensohn“ verknüpft er sich allerdings mit dem Men­schen­­sohn aus Daniel 7, der auf Gottes Thron eingesetzt wird. Meine Rezension: Gottes Sohn – auch in einer jüdischen Tradition. Daniel Boyarin: Die jüdischen Evangelien. Die Geschichte des jüdischen Christus. 2015 – Peter Schäfer: Zwei Götter im Himmel: Gottesvorstellungen in der jüdischen Antike 2017. In: rpi-virtuell http://blogs.rpi-virtuell.de/buchempfehlungen/2017/09/19/boyarin-juedische-evangelien/ (19.9.2017). – Hartmut Gese: Psalm 22 und das Neue Testament.  Der älteste Bericht vom Tode Jesu und die Entste­hung des Herrenmahls. In: ZThK 65 (1968),1-22; wieder abgedruckt in: H.G.: Vom Sinai zum Zion. Alttestamentliche Beiträge zur biblischen Theologie. München: Kaiser 1974, 180-201. – zu Theißen siehe unten die Kritik von Lukas Bormann (I, 697-731).

[7]    Der Herausgeber David Hellholm (*1941) hat schon die ausgezeichneten Bände herausgegeben zu Apokalypse (1983)  und zu Taufe (Ablution, initiation, and baptism. 3 Bände 2011). Er ist emeritierter Professor der Universität Oslo. Dieter Sänger (*1949) Neutestamentler an der Universität Kiel.

[8]     Christoph Auffarth: Fest, Festkultur. in: Der Neue Pauly 4, 1998, 486-493.

[9]     Ich verwende verschiedene Begriffe: Eucharistie ist der Begriff, der den „Dankes“-Charakter (grie­chisch εὐχαριστέω, aus der Erzählung in den Evangelien vom letzten Mahl Jesu mit den Jüngern: Matthäus 26,27 ποτή­ριον εὐχαριστήσας ἐδωκεν αὐτοῖς, vgl. Römer 14,6) unterstreicht und die übliche Bezeich­nung in der katholischen Kirche. Herrenmahl in Anlehnung an 1 Kor 11,20 κυριακὸν δεῖπνον. Der Ausdruck der Orthodoxen Kirchen μυστοκὸν δεῖπνον mystikón deîpnon beruht auf keinem biblischen Begriff.

[10] Christoph Auffarth: Mysterien. Reallexikon für Antike und Christentum Band 25 (2013), 422-471.

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