Gia Toussaint: Kreuz und Knochen. Reliquien zur Zeit der Kreuzzüge.
Berlin: Reimer 2011 [288 S. Ill. ISBN 978-3-496-01431-7. Gebunden, 49.00 €]
Ein Beispiel für gegenseitiges Wahrnehmen und Lernen könnte das folgende Buch vorstellen: Wundervoll illustriert mit Goldschmiede- und Steinschneidekunst des Mittelalters stellt GT in ihrer Habilitation eine beachtliche These auf: Während im lateinischen Westen Reliquien eher versteckt und ummantelt sind (das Beispiel der Heiligen Fides im 9. Jh. hat Beate Fricke im Kontext untersucht)[1] seien die Reliquien im Osten gerne so sichtbar wie möglich dargestellt worden, etwa im Bergkristall ummantelt. Im Westen habe sich durch die Kreuzzüge die Präsentation der Reliquien nach dem östlichen Muster verändert. Und zwar nicht erst, nachdem die Kreuzfahrer auf dem Vierten Kreuzzug 1204 Konstantinopel erobert hatten und massenweise Reliquien in ihre Taschen stopften und in den Westen brachten. GT glaubt die Entwicklung bereits im Laufe des 12. Jh.s beobachten zu können. Bei der Überprüfung der These wird es um schwierig zu entscheidende Datierungen gehen. Aber auch jenseits der klaren These zeigt das Buch das neue Interesse an der Präsentation von Reliquien im großen Aufbruch des 12. Jh.s. Das Kreuz, das wahre Kreuz fasziniert schon lange den Westen, aber es liegt in Konstantinopel – doch ist das das wahre Kreuz? Aus dem eroberten Konstantinopel schleppen die Kreuzfahrer die Reliquien fort; das Vierte Laterankonzil führt elf Jahre später ein, dass die Reliquien die Zulassung in Rom erhalten müssen (S. 178 f). Ein Muster ist das wie ein Buch zu öffnende Reliquienbehältnis für den Kreuzsplitter, die Staurothek von Halberstadt und besonders, die heute in Limburg aufbewahrte, die ein Ritter 1207 seinem Kloster stiftete (192-214). Neben dem Kreuz führt GT die Armreliquien vor und besondere Beachtung schenkt sie den Schädelreliquien. Die Kreuzzüge verändern die Zeige- und Sehgewohnheiten.
Religionswissenschaft
Universität Bremen
Alle Rezensionen von CA des Jahres 2012 zu Kreuzzügen: >>> Kreuzzüge-Rezensionen-2012
[1] Beate Fricke: Ecce fides: die Statue von Conques, Götzendienst und Bildkultur im Westen. München: Fink 2007.