Anfangsunterricht Religion – wie fang ich´s an? I

Wenn die Erstis in den Religionsunterricht kommen, ist es für mich eine besondere Freude. Wie ich die Stunden gestalte, erzähle ich hier!

Erster Teil

Aller Anfang ist schwer???

Wenn die Erstis in die Schule kommen, ist es für mich eine besondere Freude, die ganz Kleinen im Religionsunterricht begrüßen zu dürfen. Wie wunderbar, ganz vorne anzufangen. Das merke ich in der ersten Klasse ganz besonders.

Anfangsunterricht im Menu

Mein Blogbeitrag zum Anfangsunterricht ist wie ein gutes Menu dreigeteilt:
– Als Vorspeise „serviere“ ich die Kreisbildung, die Sammlung und das Stillwerden
– Als Hauptspeise kommt die Begegnung mit einer biblischen Geschichte oder eine Anschauung sowie die kreative Auseinandersetzung auf den Teller
– Die Nachspeise rundet das Menu ab. Hier „serviere“ ich Rituale und Segensideen für den Abschluss

Im Anfangsunterricht hat die Vorspeise einen besonders hohen Stellenwert. Deswegen gilt ihr in diesem Beitrag mein Augenmerk.

Vorspeise – Im Religionsunterricht ankommen

Die Vorspeise ist – um im Bild zu bleiben – ein gemischter Vorspeisenteller. Alle Elemente kommen in jeder Stunde zum Tragen, manchmal mehr, manchmal weniger. Der Ablauf ist zu großen Teilen der RPP entlehnt. In meiner Fortbildung bei Schwester Esther zur Multiplikatorin habe ich diese „Vorspeise“ immer besonders genossen und darf, mit Ihrer freundlichen Genehmigung, ihr Vorgehen hier vorstellen:

Der Kreis

Der Kreis kann nicht verordnet werden, er muss sich bilden. Ich investiere zu Beginn viel Zeit, um ihn zu runden und im Kreis selbst anzukommen. Wenn man sich das Schaubild der RPP (linke Seite) betrachtet, hat die Konzentration auf die Mitte viel mit dem eigenen Leben zu tun. Daher lohnt sich diese Zeit. Wir werden zu einer Gruppe und finden unseren Mittelpunkt.

In den Kreis kommen
  • Ich bereite den Raum vor: Die Sitzkissen liegen bereits. Ich begrüße die Kinder an der Tür und lade sie ein.
  • Wenn alle Kinder ihren Sitzplatz im Klassenraum gefunden und ihre Sachen abgestellt haben, legen sie ihren Kopf auf der Bank ab und atmen tief ein und aus. In dieser Zeit laufe ich mit einem großen Tau durch die Klasse und tippe ein Kind an. Dieses reiht sich hinter mir ein, hält sich am Seil fest und so holen wir nach und nach alle an ihren Plätzen ab und laufen zur Mitte. Da sich alle Schüler*innen am Tau festhalten, ist es einfach, einen Kreis zu bilden. Gemeinsam halten wir das Seil stramm, Anfang und Ende stellen sich zusammen und wir legen es ab.
    Andere Möglichkeiten sind: Ganz leise den Namen eines Kindes zu rufen und nur dieses kommt in den Sitzkreis. Die Kinder können auch die Namen flüstern. Ich laufe auch gerne durch die Reihen und berühre ein Kind mit einer Feder an der Wange oder der Hand, um es in die Mitte zu rufen. Ich gehe zuerst zu denen, die ruhig und entspannt sind. Auch das kann später von den Kindern selbst übernommen werden.
Den Kreis bilden
  • Der Kreis hat sich geschlossen, wir sitzen im Kreis. Wir kommen an, stellen unsere Füße auf den Boden, spüren sie, erden uns.
  • Jetzt wird der Kreis durch uns gebildet: Wir schauen uns im Raum um, betrachten unsere Mitschüler*innen, lächeln uns an, schließen die Augen, stellen uns unseren Nachbarn / unsere Nachbarin vor, öffnen die Augen und schauen ihn /sie an …
  • Ich beginne und gebe meinem /meiner rechten oder linken Nachbarn / Nachbarin meine Hand. Wir blicken uns dabei an. Nun wird nacheinander der Kreis geschlossen, bis er rund ist. Das klingt nach einem Zeitfresser, ich weiß. Früher habe ich den Kreis auch in zwei Richtungen geschlossen (gleichzeitig links und rechts angefangen). Ich habe aber bemerkt, wie sich die Aufmerksamkeit bündelt und Ruhe einkehrt. Die Kinder schauen zu, wie der Kreis sich rundet. Das ist eine gute Erfahrung.
Die Mitte finden, in der Mitte sein
  • In die Mitte wird ein Gymnastikreifen aus Holz gelegt. Ich habe meinen mit Goldklebeband umwickelt (sieht hübsch aus und kaschiert die gerissene Stelle). Natürlich gibt es solche auch fertig zu kaufen. Er ist so rund wie unser Kreis. Wir schauen mit den Augen unseren Kinderkreis an und den Kreis in der Mitte. Variante: Die Kinder selbst können die Mitte mit den Augen suchen und den Reif dort ablegen.
  • Ein Kind kann sich in die Mitte stellen, in die Mitte treten, die Augen zufallen lassen und auf seinen Namen lauschen. Es wartet. Erst wenn es seinen Namen hört, öffnet es die Augen. Um einen spielerischen Charakter einzubauen, können die sitzenden Kinder auch ganz leise (!) ihren Sitzplatz verlassen und untereinander die Plätze wechseln. Das Mittekind wartet, bis es wieder ganz still ist, erst dann öffnet es die Augen. Das Warten des Kindes in der Mitte kann mit anderen sinnlichen Reizen beendet werden: Das Warten auf einen Zimbelton, ein Glöckchen, eine Klangschale, eine Berührung mit einer Feder … sind eine Freude für die Kinder. Man ist erstaunt, wie sie diese kleine Sinnenreise erfreut!
  • Variante: Die Kinder werden in die Mitte geführt – auch mit geschlossenen Augen. Zuerst von mir, später auch von anderen Kindern. Am Ende wird festgestellt: „Du bist in der Mitte angekommen“
  • Als Abschluss dieser Einheit kann ein Kreislied gesungen werden (z.B. Ausgang und Eingang mit Bewegungen)
Grundhaltungen, die gestärkt werden:

Ich werde still, ich bin mit anderen da, ich warte, ich empfange, ich sehe, fühle, höre, ich vertraue,
ich begegne, ich habe Beziehung mit anderen, ich bin Teil der Gruppe

Wer ist da? ICH bin da

  • Jeder hat seinen Platz bei uns! Das zeige ich durch die vorbereiteten Namensschilder: Entweder habe ich auf kleine Herzen die einzelnen Namen der Kinder in Hohlbuchstaben ausgedruckt oder ich lasse die Kinder die vorgefertigten Herzen mit ihren Namen beschriften.
  • Jetzt können sie um den Reifen gelegt und mit Legematerial geschmückt werden.
  • Nach dieser freien Phase stellen sich die Kinder kurz vor.
  • Ein Spiel zum Namenmerken kann gespielt oder ein Lied (z.B. Ich bin da und du bist da) gesungen werden.
  • Variante der RPP: Ich schenke jedem Kind einen Edelstein. Einzeln öffnen sie ihre Hände und ich lege ihnen einen Stein hinein. Nicht die Kinder suchen aus, sondern ich schenke ihnen einen Stein! Dieser wird abgelegt und mit Legematerial geschmückt. Ein Zeichen jedes Einzelnen im Kreis.
Grundhaltungen, die gestärkt werden:

Ich bin willkommen, ich gehöre zu einer Gemeinschaft, ich empfange etwas, ich bin wertvoll aber auch: Wir gestalten unsere Mitte

Gott in unserer Mitte

  • Die Mitte ist nun mit unseren Namen oder einem Zeichen geschmückt. Es fehlt noch etwas in unserer „Mitte-Mitte“ …Was wünschst du dir in die Mitte hinein?
  • Eine Kerze wird gezeigt und im Kreis herumgetragen. Dann wird sie in die Mitte gestellt (sie kann auch später noch mit einem Zeichen z. B. aus Wachstafeln und Ausstechförmchen von den Kindern gestaltet werden)
  • Wir fassen uns an den Händen – der Kreis wird geschlossen und wir sprechen ein kleines Gebet:

Jesus, du bist unsere Mitte und verbindest uns mit Gott.
Wie schön, dass wir beieinander sein können.
Dein Licht leuchtet uns und macht es hell.
Wir sind im Kreis zusammen, wir sind ein Kreis.
Bleibe du in unserer Mitte. Amen.

Erfahrung

Die Mitte unsereres Lebens ist Gott, auf ihn ist alles ausgerichtet, wir können uns Gott zuwenden,
die Kerze, das Licht ist ein Bild für Gott

Mögliche Lieder

Lieder: Gottes Liebe ist so wunderbar (Das Kindergesangbuch, Claudius), Wir klatschen mit den Händen (Wir kleinen Menschenkinder), Halte zu mir, guter Gott (Kindergesangbuch), Herr, dein guter Segen ist wie ein großer Hut (Liederbuch für die Jugend),

Tipp: In den RPP Heften (RPA-Verlag) finden Sie weitere Anregungen; Lieder und Legematerial.

Ausblick

Das war nun der Menustart. Wie geht es weiter?

Der zweite Teil des Beitrages wird sich mit dem Hauptgang beschäftigen: Welche Geschichten / Themen eignen sich besonders gut und wie fange ich mit den Kleinen an? Welche Rituale sind dabei hilfreich? Wie arbeite ich abwechslungsreich, um der Aufmerksamkeitsspanne der Kids gerecht zu werden?

Der Abschluss soll nochmals bündeln und die Kinder in einer schönen Atmophäre in den Tag, die nächste Stunde entlassen.

Meine Vorbilder

Ich mag den Ansatz der Religionspädagogischen Praxis, die in die Kreisbildung eine Menge Zeit investiert. Aus gutem Grund, wie ich finde. Ich habe ein Schaubild mit den wesentlichen Kernpunkten der RPP gestaltet, die für mich im Anfangsunterricht von Belang sind. Wer sich mit diesem Weg tiefer auseinandersetzen möchte, kann sich hier einlesen.

Meine andere Inspirationsquelle ist Godly Play. Dazu im nächsten Beitrag mehr!

Godly Play in der Schule? Geht das überhaupt?

Godly Play ist nichts für Weicheier. Warum es sich bei Godly Play um keine Methode, sondern um einen Weg handelt und wie man es in der Schule einsetzen kann …

Geschichten sind magisch

„Erzählst du mir eine Geschichte?“

Diese Frage kennt man im privaten wie im beruflichen Umfeld. Wie gerne lausche ich bis heute Geschichten! Einfach den Alltag abstreifen und eintauchen. Biblische Erzählungen sind die Essenz des Religionsunterrichts in der Grundschule. Wenn sonst oft Unruhe herrscht, bei Geschichten wird es still im Raum.

Methoden zum Erzählen gibt es wie Sand am Meer, da fällt die Auswahl oft schwer. Es gibt auf jeden Fall eine besondere Art: Godly Play. „Gott im Spiel“ klingt jedenfalls schon wundervoll. Ob Godly Play wohl in der Schule funktioniert? Das habe ich mich gefragt und mich für diese Frage fit gemacht:

Auszeit!

Auszeiten sind etwas Feines! Besonders wenn sich so eine Auszeit als Arbeit tarnt. Ich habe nämlich einen fünftägigen GodlyPlay Erzählkurs absolviert und eine wundervolle gemeinsame Zeit mit dieser, MEINER Gruppe verbracht. Solch einen intensiven Kontakt mit so vielen Menschen hatte ich seit 2 Jahren nicht mehr! Zusammen essen, Geschichten hören, Tee trinken, sich austauschen, Muße haben. Herrlich!

In diesem Kurs lernt man eine Menge Geschichten kennen, die unterschiedlichen Gattungen (Gleichnisse, Gaubensgeschichten, liturgische Handlungen) und die Herangehensweise von Godly Play dabei. Der Umgang mit der Gruppe und dem Material hat immer etwas Spielerisches, Verschmitztes. Das spricht mich total an. Ich bekomme jeden Tag mehr den Eindruck, etwas Besonderem beizuwohnen. Ein Satz hat sich mir eingebrannt:

„Seid ihr bereit für eine Geschichte?“. Das hat mich noch niemand je gefragt. „Bist du bereit?“ Was, wenn ich „nein“ sage?, das habe ich vor mich hingegrübelt und eine Antwort erhalten: Es wäre okay, und das macht mich zur Herrin über die Situation. Ein schönes und freies Gefühl.

Die Methode

Jetzt habe ich schon viel über Godly Play gehört, einiges gelesen. Aber nichts ersetzt diese intensive Zeit des Workshops, um einzutauchen und ein Verständnis für Godly Play zu entwickeln.

Was mir aufgefallen und meine Erkenntnis ist: Goldy Play ist nichts für Weicheier!

  1. Vorab: Godly Play ist keine wirkliche Methode, sondern ein Weg, den man beschreitet. Bei jeder neuen Geschichte geht man weiter voran und versteht immer mehr.
  2. Die starre Form, welche viele abschreckt, habe ich persönlich als Anker erlebt. Ich kann und darf der Geschichte und der Form Vertrauen und werde wirklich belohnt. Die Geschichten schließen sich auf, ganz neu. Auch für mich selbst.
  3. Ich kann und darf auch den Kindern trauen, dass sie etwas Wesentliches für sich persönlich mitnehmen. Oftmals möchte man am Ende einen Lehrsatz ins Heft schreiben (Achtung, ich überspitze!). Darum geht es bei Godly Play nicht. Es geht ganz frei nach dem Motto (an Montessori angelehnt): Hilf mir, selbst du glauben!
  4. Ich muss mich auf einiges einlassen. Manches ist fremd und scheint auf den ersten Blick überflüssig (Türperson) oder umständlich (auswendig lernen), manchmal auch albern (Ich soll Schafen Namen geben???). Langsam verstehe ich die Intention dahinter. Aber ich bin noch auf dem Weg.

Kurz und knapp: Godly Play in der Schule

„Meine“ Geschichte

In unserem Kurs bekam jeder vorab eine Geschichte zugelost. „Meine“ war die Flut und die Arche.

Mahlzeit!

Ich hadere mit dieser Geschichte seit langer Zeit. Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen. Normalerweise ist mein Kniff in der Schule: Die Erzählung erst ab der Flut zu beginnen und die „Strafe“ unter den Tisch fallen zu lassen. Ging hier nicht. Also habe ich die Geschichte so angenommen, wie sie war und komplett auswendig gelernt, gedreht, gewendet, bis ich sie INwendig konnte. Sie wurde zu meiner Geschichte, mit Höhen und Tiefen.

Mit der „Flut“ bin ich immer noch nicht warm geworden. Aber die Formulierungen sind gut gewählt und ich vertraue einfach ihrer Bewährtheit. Mein Versöhnungssatz: „Vielleicht fanden Sie Worte der Trauer für all die Geschöpfe, die in der Flut umgekommen waren.“

Beim Erzählen stellte sich so eine Ruhe in mir ein und ich war ganz in der Geschichte. Es war ein toller Moment. Für mich wichtig: Die Teilnehmer*innen sahen nicht die Flut als Strafe im Vordergrund, es waren ganz andere Aspekte, die sich einprägten: die Tiere, die schützende Arche, der Trost in der Gemeinschaft. Ich bin nicht versöhnt mit der Flut … aber ich kann sie aus einer anderen Perspektive beleuchten:

Nicht wir haben uns verändert, sondern Gott. Vielleicht hat er erkannt:

Menschen sind, wie sie sind und ich bleibe bei ihnen. Trotz allem.

Was ist Godly Play? Eine Antwort in Bildern

Mit freundlicher Genehmigung des Godly Play deutsch e.V. Die Bildrechte liegen bei Michael Wittenbruch (Foto und Text).

Herzlichen Dank Anne (Ebers) für diese herrliche Unkompliziertheit!

Wer mag, schaut bei Instagram „Godly Play_deutsch“ mal vorbei!

PS: Während meines Beitragschreibens hatte ich immer wieder den Buchstabenverdreher „GoldyPlay„. Das ist doch ein Zeichen 😉