Bilder aus der Welt des Urchristentums. Von Dietrich-Alex Koch

Bilder aus der Welt des Urchristentums

Das römische Reich und die hellenistische Kultur als Lebensraum des frühen Christentums in den ersten zwei Jahrhunderten
Dietrich‐Alex Koch
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2009
ISBN 978‐3‐525‐63319‐9

Ein Bildkompendium zur Umwelt des Neuen Testaments hat lange gefehlt. Nach vielen Jahren der Lehre und die Früchte unzähliger Exkursionen hat Dietrich-Alex Koch in einem Buch zusammengefasst. Auf den ersten Blick ein herrliches Buch: durchgehend farbige Abbildungen, vielfältige Themen, Bezug zu den Texten des NT. Das Buch bietet schon auf dem Vorsatz eine Karte des Imperium Romanum, die die Größe, die Gliederung und damit die Verschiedenheit des Kulturraums anzeigt, in dem das Urchristentum sich entwickelte. Die 437 Bilder stammen aus allen Teilen des Imperium und zeigen Einheitlichkeit und Verschie-denheit zugleich. Alle Fotos sind farbig, fast ausnahmslos vom Verfasser selbst fotografiert. Diese sind zum guten Teil vorzüglicher Qualität, aber v.a. bei Bildern aus Museen ohne Stativ nicht scharf genug (zB Nr. 39), keine Profi-Fotos. Bei den Inschriften ist das Bild oft ergänzt durch eine Umschrift des Textes, aber nicht die genaue Fundstelle. Koch hat oft einen Standpunkt gewählt, der den Ort nicht auf das Objekt Tempel reduziert, sondern etwas von der Landschaft und der Lage atmosphärisch erklärt; wie gute Fotografen sucht Koch das weichere und warme Licht des Morgens und Abends.

Im Kapitel A (S. 16-84) unterscheidet DAK drei Formen von Hellenisierung als Globalisierung am Beispiel Syrien, Ägypten und Judentum in Palästina. Wenn er das letztere als Trauma beschreibt, dann fehlt die gegenläufige Seite des Diaspora-Judentums. DAK beschreibt die römische Herrschaft in ihren Ebenen, die wirtschaftliche Globalisierung. Religion ist Teil der Kultur, die eine starke Prägung und Globalisierung erfahren hat, aber nicht einseitig vom Zentrum in die Provinzen, sondern von der Peripherie in andere Peripherien und ins Zentrum: Am Beispiel der ägyptischen Götter Isis und Osiris als Beipack zu den Getreidelieferungen aus Ägypten (S. 82, Bild 132) zeigt DAK das einleuchtend. [ref] Dazu s. Auffarth: Religio migrans. Die ‚Orientalischen Religionen’ im Kontext antiker Religion. Ein theoretisches Modell. In: Corinne Bonnet, Sergio Ribichini; Jörg Rüpke (hrsg.): Religioni in Contatto nel mondo antico. Modalità di diffusione e processi di interferenza. (Mediterranea 4) Rom 2008, 333-363. – Ders.: Zwischen Anpassung und Exotik. Mysterien und Orientalische Kulte in der Religion der Antike. Verkündigung und Forschung 52 (2007), 19-30 [Religionsgeschichte der Spätantike, hg. von Martin Wallraff]. [/ref]

Kapitel B Die antike Stadt als Lebensraum (S. 86-182) zeigt die Lebenswelt der Menschen im Imperium, ganz zentral etwa das Wasser als Lebenselexier und die Kunst, es in die Städte zu bringen. Die soziale Gliederung der Stadtstaaten im Rahmen der römischen Herrschaft. Das Haus als Wohnraum und sozialer Mikrokosmos. Die Kapitel enden je mit einem knappen Rückblick, der die Bedeutung der hier vorgestellten Lebenswelt für das frühe Christentum (nur) andeutet.

Kapitel C Die religiöse Welt – Götterwelt und Götterkult (S. 184-270). Die Darstellung ist relativ konventionell von den großen Göttern über die Heilgötter und Heroen zu den Mysterienkulten. Problematisch ist die Darstellung des Dionysos. Das Verhältnis (bzw. die Differenz) zwischen den erzählten Ritualen und den tatsächlichen Ritualen (wie das Albert Henrichs in seinen Aufsätzen gezeigt hat.) wäre sehr wichtig für die Wahrnehmung des Christentums im Römischen Reich (womit sich z.B. der Octavius des Minucius Felix auseinander zu setzen hat: Die unterstellten Verbrechen, etwa dass Kinder getötet werden für den Kult). [ref] Albert Henrichs: Greek Maenadism from Olympias to Messalina, Harvard Studies in Classical Philology 82 (1978) 121-160. – Ders.: Pagan Ritual and the Alleged Crimes of the Early Christians, in P. Granfield and J. A. Jungmann (eds.), Kyriakon. Festschrift Johannes. Quasten, Band 1. Münster 1970, 18-35. [/ref] Die ‚rote Halle’ von Pergamon ist nicht auf dem neuesten Stand referiert. Dafür ist die Entdeckung der Kulthöhle von Doliche ein glänzender Höhepunkt des Buches. Erst zum Schluss folgt der – oft überschätzte – Kaiserkult, eine klare Darstellung mit guten Bewertungen der neueren Forschung.
Es folgen im Anhang ein (ungenügendes) Bilderverzeichnis, keine Literatur, eine Zeittafel, ein Index der Orte und der literarischen Stellen, nicht die Inschriften.

Im Vergleich zu dem Bildkompendium von Johannes Leipoldt (Band 3 Bilder, 1965 von Leipoldt/ Grundmann: Umwelt des Urchristentums, beruhend auf seinen Beiträgen zum Bilderatlas von Hans Haas 1926/30) ist das ein riesiger Fortschritt: Bilder wirklich aus der Zeit der frühen Christen, nicht wahllos aus fünf Jahrhunderten und drei Kontinenten; keine distanzierte (anti-katholische – das Wort „Gnadenort“) Haltung zu Bildern oder die angeblichen sexuellen Orgien des heidnischen Gottesdienstes. Aber es gibt andere Bild-Schatzkisten, die zu vergleichen sind. Da wäre Heinz Kähler: Rom und seine Welt (1960) wegen seiner umfassenden Beschreibungen auch aller Details, die auf den Bildern zu erkennen sind – im Wesentlichen aber auf Rom und Italien beschränkt. Didaktisch noch eindrucksvoller der zweite Band zu Religions of Rome (Mary Beard; John North, Simon Price 1998), in dem die Didaktiker sogar Zahlen oder Pfeile in die Bilder eingeschrieben haben. Oder der Jerusalem-Band von Max Küchler (2007), der oft auf Fotos verzichtete, um mit Strichzeichnungen genauer darstellen zu können, worauf es ankommt, und Erläuterungen in aller Ausführlichkeit und bestens belegt. Das führt schon für die einzelne Stadt auf einen tausendseitigen Band. Alles das bietet dieses Kompendium nicht. Dafür anderes.
In Kochs Bilder sind die Bilder oft Gesamtansichten, sie sind knapp erläutert, aber für die Details, für die Vergleiche braucht man dann wieder andere Bücher. Koch kann das, wie er etwa am Beispiel des Macellum (Tempelmetzgerei) von Pompeji, Gerasa und Korinth meisterhaft geleistet hat in einem Aufsatz für die Erklärung der Stelle 1 Kor 10,25: „Alles was im macellum verkauft wird, esst!“ [ref] ZNW 90(1999), 194-219. [/ref] Hier (S. 99-101, warum kein Verweis auf die Bilder 293 f ?) sind die Erklärungen knapp, keine Literatur, wo die interessiert gemachten Leser die Details finden. Die Kommentare zu den Bibelstellen, auf die K. verweist, bieten die griechisch-römischen Kontexte ganz selten.

Bleibt am Ende: ein schönes Buch, in seiner Knappheit beste Informationen. In der Tat eine Augen-Weide für eine Augenreise an Orte, die nicht viele alle bereisen werden, der Text differenziert aus verschiedenen Perspektiven. Aber für wen und welchen Zweck bleibt etwas vage. Trotzdem, diese Reise lohnt sich zu buchen. Dank an den Reiseleiter Dietrich-Alex Koch und an den Veranstalter, den Verlag und namentlich Jörg Persch.

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10.07.2009
Christoph Auffarth,
Universität Bremen
Religionswissenschaft
(Geschichte und Theologien des Christentums)

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