Susanne Claußen
Anschauungssache Religion. Zur musealen Repräsentation religiöser Artefakte. (Kultur‐ und Medientheorie)
Bielefeld: transcript‐Verlag 2009
ISBN: 978‐3‐8376‐1283‐7
289 S.
29, 80 Euro
Religion im Museum
Museen haben den Charme der Staubfänger abgelegt. Ausstellungen sind zu Publikumsmagneten geworden, die den Tourismus in eine Stadt ziehen.
Die Autorin hat selbst eine Ausstellung zum Pietismus in Württemberg gestaltet mit einem entsprechenden Katalog (Susanne Schmaltz: Seligkeit und Verdammnis. Holzgerlingen 2003; das beruht auf ihrer ebenfalls gedruckten Magisterarbeit: Der Holzgerlinger Kirchenkonvent, o.J.;] im Buch verrät sie das nicht. Damit weiß sie aber, was machbar ist und wo man an Grenzen stößt. Sie stellt nicht ein Utopie auf, sondern beobachtet, wie es Museen besser oder weniger gut gelingt, Religion visuell und bisweilen berührbar zu präsentieren: das Unsichtbare sichtbar machen, das Vergangene für die Gegenwart verständlich zu machen.
Dabei tut sich zunächst eine prinzipielle Frage auf: Im 19. Jh. sind die Museen als eine Form der kulturellen Ausdifferenzierung entstanden. Was in der Säkularisation aus Kirchenbesitz verstaatlicht wurde, das stellte der neue Besitzer in Museen aus, das Sakrale und Verborgene zum öffentlichen Anschauen. Kunst ohne Zensur durch die Kirchen. Viele Autoren spielen, kokettieren noch mit diesem Gegensatz: Musentempel oder „die Museen lösen die Kirchen ab“ (S. 70 Pomian). Sehr abgewogen setzt SC sich auseinander mit der immer wieder zitierten Idee von Walter Benjamin, dass im „Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit“ das Original, das Authentische sich heraushebe durch seine „Aura“ (SC, 45; 53). Demgegenüber hält sie fest, dass auch „Museumsdinge“ Gegenstände mit mehrfacher Bedeutung und Funktion sind; jedes Ding hat eine Alltagsbedeutung in dem einen Kontext (sie sagt ausdrücklich nicht: eine „ursprüngliche“ Bedeutung), und eine neue, die es im Museum als Artefakt erhält. Karl-Heinz Kohl hat dazu gute Beobachtungen gemacht (Die Macht der Dinge. Geschichte und Theorie sakraler Objekte. München: Beck, 2002), die SC für das Museum nun erweitert. Im Museum werden Dinge aureatisiert, erhalten eine ausgeliehene Aura.
In einem ersten Kapitel zeigt sie Projekte auf, neue Museen zu gestalten, die ganz dem Bereich Religion gewidmet sind: Berüchtigt und kurios das Petersburger Museum, das die Sowjetunion als abschreckendes Beispiel vor Augen führte (Museum des Atheismus), das aber nach dem Ende der SU dann neu beschriftet als Museum der Orthodoxie positiv die religiöse Tradition repräsentierte. Schon 1927 begann die religionskundliche Sammlung an der Universität Marburg. Neu sind die Religionsmuseen in Taipeh und Glasgow. (Zum Haus der Kulturen in Berlin Susan Kamel 2004). Nur genannt ist das Museum für Sepulkralkultur in Kassel.
SC unterscheidet drei Typen von Museen, die mit einem realen Beispiel dargestellt werden: (1) kunsthistorisch ausgerichtet ist das Schnütgen-Museum in einer ehemaligen Kirche in Köln (S. 121-172); (2) volkskundlich ist die Zweigstelle des Bayerischen Nationalmuseums mit der Sammlung Kriss, jetzt im Kloster Asbach (77-120); völkerkundlich die beiden, (3) das Übersee-Museum in Bremen (173-205) und (4) das Linden-Musum in Stuttgart (207-250), wobei SC die Indianer-Abteilung, genauer die Hopi, vergleicht. Das sind gute Beobachtungen, wie die Museen den Besuchern der Ausstellung etwas begreiflich machen wollen, bis hin zu emotionalen Schreckmomenten, die im Dahlemer Völkerkundmuseum in der afrikanischen Maskensammlung provoziert werden.
Der Bereich, der sich dabei auftut, klingt nur an: Sollen die Besucher distanziert und belehrt werden oder sich identifizieren und erregen lassen? Die beiden Hexenausstellungen in Hamburg (1979 und 2001) luden zu Hexenritualen ein; Düsseldorf wollte Rituale in der Altäre-Ausstellung inszenieren als „Kunst zum Niederknien“ (2001, dazu SC, S. 260); in der Tibet-Ausstellung in Bonn 1996 wurde ein Mandala aus Sand hergestellt und am Ende weggekehrt. Museen als Ort von Ritualen klingt an, wird aber nicht systematisch erfasst. SC geht es um die klassische Museumsarbeit, und da gelingt ihr eine ebenso kluge Distanz wie sympathisches Interesse.
Die Dissertation kann es sich manchmal nicht verkneifen, auch ausgefallene Fremdworte zu verwenden,[1] aber insgesamt ist das Buch im Gegenteil sprachlich sorgfältig formuliert und sorgt immer wieder für gute Zusammenfassungen, die nicht einfach wiederholen, sondern die argumentativen Zusammenhänge klären und perspektivisch zuspitzen. Sehr gut gelungen ist SC die theoretische Analyse, was Museen leisten sollen und können mit fairen Beobachtungen, wie das in der Realisierung von Ausstellungen gelungen ist.
Beste Kulturwissenschaft und angewandte Religionswissenschaft!
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[1] Unter den stehen gebliebenen Druckfehlern sollte sich solch ein Fremdwort wie ‚Piktogramm’ (216) nicht falsch einprägen.
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Christoph Auffarth
Religionswissenschaft
Universität Bremen