Josippon

Josippon
Jüdische Geschichte vom Anfang der Welt
bis zum Ende des ersten Aufstands gegen Rom

Hebräisch-Deutsche Textausgabe
hrsg. und übersetzt von Dagmar Börner-Klein; Beat Zuber
Wiesbaden: Marix 2010.
921 Seiten
ISBN: 978-3-86539-249-7
25 Euro

 

Das mittelalterliche Geschichtsbuch der Juden

Eine Rezension von Christoph Auffarth

Herrlich! Das mittelalterliche Geschichtsbuch der Juden ist in einer bestens ausge­statteten Ausgabe, lesbar und wissenschaftlich zitierfähig, und das zu einem außerordentlich günstigen Preis erschienen. Gleich auf den Wunschzettel setzen!

Geschichte war für die Juden nach der Zerstörung des Zweiten Tempels immer nur die Geschichte der Geschichtsbücher der hebräischen Bibel (bzw. in ihrer griechi­schen Übersetzung der Septuaginta [LXX]), Römer, Griechen schreiben ihre eigene Geschichte; die Christen erfanden ihre eigene Form der „Kirchengeschichte“. Jüdische Geschichte dagegen endete praktisch mit dem Exil von 587-539, nur die Bücher Esra und Nehemia erzählen von den Anfängen des Zweiten Tempels; die dramatischen Geschichten von Esther, Judit oder Tobias sind nicht in den Kanon aufgenommen worden. Noch weniger der Aufstand der Makkabäer gegen die Seleukiden, das nur in der verschlüsselten Form des Daniel-Buches erzählt ist; scheinbar vier Jahrhunderte früher verlangt der König Nebukadnezar die Anbetung des Götterbildes, des dann sprichwörtlichen „Gräuels der Verwüstung“, gemeint ist aber Antiochos IV. um 160 v.Chr.. Und es gab auch nicht eine Geschichte des jüdischen Krieges, an dessen Ende unter Einsatz ihrer ganzen Weltmacht die Römer den Tempel in Jerusalem zerstörten. Das große Geschichtswerk des Flavius Josephus, eines jüdischen Generals, der von den Römern gefangen und zum Kaiser gebracht wurde, gab es nur auf Griechisch, später auch in lateinischer Übersetzung.

Mehr als tausend Jahre hatten die Juden keine Geschichte.

Mitte des 10. Jahrhunderts aber schaffen sich Juden in Europa ein neues Selbstbe­wusstsein, besonders die in Spanien und Süditalien. Das Hebräische wird zum Unterscheidungsmerkmal und sie schreiben jetzt ihre Geschichte – in der Sprache der Tora. Das ist der hebräische Josephus, Josippon ausgesprochen. Hier haben sie ihre eigenen Helden, den Krieg gegen viele Völker nicht zuletzt in der Regierungszeit des Herodes des Großen c. 43-52, schließlich sogar gegen die Römer (beginnend mit dem Erlass Kaiser Gaius’ gegen die Juden, cap. 58-89, bis zum Fall von Masada); der kleine David gegen Goliath. Trotz der Niederlage eine stolze Geschichte. Und am Ende, vor der Entscheidung, sich selbst zu töten angesichts der aussichtslosen Belagerungssituation vor Massade, steht die Verheißung und Hoffnung auf den Messias. Und die Makkabäer stehen jetzt vor Augen (cap. 13-27), der erfolgreiche Aufstand der jüdischen Helden gegen die fremden Herren; sogar die christlichen Kreuzfahrer finden in den jüdischen Kämpfern ihr Vorbild.[1]

Dieses mittelalterliche Geschichtsbuch liegt nun vor in einer großartigen Ausgabe: Der hebräischen Lesetext,[2]  der an wichtigen Stellen auch abweichende Überliefer­ungen anzeigt, ist übersichtlich gedruckt. Am Anfang jedes Kapitels in einer Marginalie findet man, auf welcher Stelle im origi­na­len Josephus, in den Makkabäer-Büchern u.a. die Erzählung beruht.[3] Daneben steht eine sehr gute, die erste deutsche Übersetzung, die auch als deutscher Text spannend zu lesen ist. Man muss also nicht Hebräisch können, um das Buch genießen zu können. Die Geschichten sind für sich ganz kraftvoll und in einer drastischen Sprache erzählt. Herrliche Geschichten wie der Tod der Mariamne c. 48; der Betrug an Paulina c. 57 und vieles mehr. Ganz spannend zu verfolgen, wie  die Völkertafeln der Tora (etwa Gen. 10) für mittelalter­liche Verhältnisse angepasst werden, damit auch die Bayern hinein passen. Die Ein­leitung mit ausführlichen Zitaten aus der Forschungsliteratur erläutert die For­schungs­fragen auf bestem Stand. Dazu gute Indices. Alles, was man sich für eine Ausgabe wünschen kann. Übersetzer und Herausgeber sind Beat Zuber, emeritierter Prof. für Alte Sprachen (Chur) und Dagmar Börner-Klein, Professorin für Jüdische Studien (Düsseldorf). Und dann als gebundene Ausgabe zu einem sensationell niedrigen Preis. Ich hoffe, das Wagnis zahlt sich aus! Ich gratuliere jedenfalls der Übersetzerin und dem Übersetzer und wünsche der Verlegerin damit großen Erfolg.

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[1] Christoph Auffarth: Jüdische Heilige als Modell für die Kreuzfahrer, in: C.A.: Irdische Wege und himmlischer Lohn. Göttingen 2002, 123-150.

[2] Er beruht auf der textkritischen Ausgabe The Josippon [Josephus Corionides], ed. with introduction, commentary and notes by David Flusser, 2 Bände [Text; Kommmentar vorwiegend textkritischer Art, zusammen knapp tausend Seiten]. Jerusalem: Bialik Institute 1980/1981.

[3] Wichtig sind auch die Parallelen bei Hegesippos, dem Historiker, der für die christliche Kirchen­geschichtsschreibung die wichtigste Quelle der jüdischen Geschichte darstellte.

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07.12.2010
Christoph Auffarth,
Prof. für Religionswissenschaft,
Universität Bremen

E-Mail: auffarth@uni-bremen.de

 

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