Der Dom zu Regensburg. Von Achim Hubel und Manfred Schuller

Achim Hubel; Manfred Schuller
Der Dom zu Regensburg. (Kunstdenkmäler von Bayern NF 7) 5 Bände
Regensburg: Pustet 2010 – [2013]
ISBN 978‐3‐7917‐2337‐2

Kathedralen des Mittealters:
Das Ganze und die Details am Regensburger Dom anschaulich gemacht

Zusammenfassend:

Nicht nur für Regensburg-Fans, sondern für jede und jeden, die/der an Architektur, an der Religion und Kirchen interessiert ist: Hier erscheint das monumentale Buch über eine gotische Kathedrale, wie es das noch für keine andere gotische Kathedrale gibt. Die ganze gotische Kunst des späteren Mittelalters, die legendären Baumeister mit ihrem Wissen (von dem die Freimaurer schwärmten), wird hier beispielhaft in einen 5-bändigen Werk beschrieben. Nüchtern, Wissenschaft, präzise Beschreibung der Gattung ‚Kunstdenkmäler’. Also alles bis ins Detail dargelegt und belegt. Und im Detail wird es spannend. Ein Paradies für die Augen.

 

Im Einzelnen der Band 5: Tafeln. 

Als erstes erscheint der Riesenband 5, der Tafelband zum Kunstdenkmäler-Werk.

Also erst einmal den Tisch frei räumen, denn dafür braucht es Platz. Aufgeklappt ein Din A 2 Plakatformat und 8 der Tafeln lassen sich sogar noch einmal ausklappen. Wenn die Textbände noch dazu kommen, dann wird’s eng auf dem Tisch. Jetzt kann man hinein tauchen in die Kathedrale und ihre Geschichte. Katarina Papajanni und andere haben die ganz präzisen Zeichnungen hergestellt. Wer die Zeichnungen in dem keineswegs nur für Kinder informativen Buch von David Macauly gesehen hat, „Sie bauten eine Kathedrale“,[1] der findet hier eine historisch ganz präzise Rekon­struk­tion:

Erst einmal von außen sieht man den Bau des Gebirgsmassivs „Dom“ wachsen von einem Jahrfünft zum nächsten, beginnend 1278 bis zu einem gewissen Abschluss um 1500. Dabei zerstört der Aufbau die vorher dort stehenden Gebäude (Ausgangszustand Tafel 6-7), Dann folgen die wachsenden Schritte: Erst der Chor im Osten, der relativ schnell vollendet wird (1320 auf Tafel 15), und dort kann der Gottesdienst schon durchgeführt werden. Ab 1350 ist der Bau der Langhäuser, also dort wo sich an den Festtagen viel Volks sammeln kann (Im Unterschied zu Macauly ist der Dom aller­dings menschenleer), bis zum ersten Turmgeschoss vorgedrungen. Die Türme als Zwillinge werden dem Dom das markante Gesicht verleihen. Um 1500 werden die Turmstümpfe mit provisorischen Dächern geschützt. Zusammengefasst ist die äußere Chronologie Tafel 34-35. Soweit die Geschichte des Baus. Die farbigen Dar­stellungen (Tafel 35-45) machen das Jahrhundertwerk noch einmal in seinen Stufen eindrücklich deutlich.

Mit Tafel 59 beginnt die Darstellung des Inneren der Kathedrale, detailgenau, wie man es nur mit dem Fernglas sehen könnte, Grundrisse und Aufrisse, mit kleinen Orientierungskarten, damit man jederzeit im Bilde ist, wo man sich gerade im Dom befindet. Ab Tafel 106 die Pläne der äußeren Erscheinung des Doms.  Ab Tafel 160 sind Details hervorgehoben. Ab Tafel 186 die mittelalterlichen Bauzeichnungen auf Pergament, einmal als Zweiturm-, mal als Einturmzeichnung auf Pergament. Ab 191 die alten Darstellungen von Merian 1644 an, eine andere von 1655 phantasiert den Dom mit gegenreformatorischer Barockkuppel und vollendeten Türmen (auf Tafel 192); die Träume des 19. Jahrhunderts, wie der Dom mit spitzen Turmhelmen aus­sehen sollte (realistisch Tafel 187); Bilder vom Mittelalter, die es im Mittelalter nie gab.

Diese Arbeit in ihrer Genauigkeit und Vollständigkeit der Fragen setzt einen Maßstab, den man nur für wenige Kathedralen wird erreichen können.[2] Die Pläne sind am Computer bearbeitet in exzellenter Qualität (dazu das Beispiel Tafel 5). Der Band ist der erste eines fünfbändigen Werks, das die Lebensarbeit von zwei Bauforschern und ihrer Mitarbeiter krönt. Jahrzehnte haben sie in der Kathedrale jeden Stein geprüft, gemessen, die Ausgrabungen durchgeführt, dokumentiert. Dieses Werk krönt diese einmalige Leistung.

Noch ist das die äußere Erscheinungsform, nur einmal ist die innere Gestaltung angesprochen, ein Detail (Tafel 161), das der heutige Besucher gar nicht sieht, die unterirdische confessio und eine Skizze des Hauptaltars. Für das liturgische Leben, die Frage, wie viele Altäre, wie finanziert, welche Altäre welcher oder welchem Heiligen geweiht waren,[3] die großen Feste, darauf wartet man nun sehnlich. Band 1 soll noch in diesem Jahr die „Quellen“ vorstellen; die Bearbeiterin, Dr. Renate Kroos, lässt ein exzellentes Buch erwarten, hat sie doch solche Quellenbearbeitungen etwa für den Kölner Dom schon erarbeitet.[4] Ja, noch fehlt das Leben in dem Dom. Aber schon jetzt: Ein ausgezeichnetes Buch; auch didaktisch eindrucksvoll. Der moderate Preis lädt ein, es in Schulbibliotheken zugänglich zu machen. Regensburg steht für viele Kathedralen, aber nur dort haben zwei Forscher die ganze Arbeit geleistet.

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[1] Cathedral: The Story of Its Construction, 1973. Deutsch: Sie bauten eine Kathedrale. Übersetzung Monika Schoeller. München; Zürich: Artemis 1974 (14 Auflagen der gebundenen Auflage; weitere 24 Auflagen als Taschenbuch) dtv, München 1985.

[2] Am nächsten kommt als Vorbild Der Dom zu Speyer. Bearbeitet von Hans Erich Kubach und Walter Haas. (Kunstdenkmäler von Rheinland-Pfalz, Band. 5) 3 Bände, [München] Deutscher Kunstverlag 1972. /

[3] Welche Fülle dabei herauskommt, zeigt etwa für den Bamberger Dom: Renate Baumgärtel-Fleisch­mann: Die Altäre des Bamberger Domes von 1012 bis zur Gegenwart, 1987)

[4] Renate Kroos: Liturgische Quellen zum Kölner Domchor. Kölner Domblatt 1979/80, 35-202.

 

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Christoph Auffarth
Religionswissenschaft,
Universität Bremen

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