Theologisieren in der Grundschule – Band 1
Ulrike Itze, Edelgard Moers
Anleitungen und Ideen zum Umgang mit schwierigen Kinderfragen
ISBN: 978-3-8344-3764-8 21,90 €
Persen Verlag Buxtehude 2. Aufl. 2009
Das Konzept der Autorinnen Ulrike Itze und Edelgard Moers verbindet mehrere grundlegende Aspekte der Religionsdidaktik der Primarstufe. Ihnen geht es vor allem um den existentiellen Bezug der Themen zur Lebenswelt der Kinder – ein Anliegen, das spätestens seit der Wende zur Schülerorientierung eine ständiges Anliegen und fortwährende Aufgabe ist. Darüber hinaus schlagen sie Brücken zum Theologisieren mit Kindern im Religionsunterricht. Dabei fließen Grundfragen des Lebens in ihren Ambivalenzen – z. B. Angst und Mut, Tod und Leben, Gewalt und Frieden – mit dem didaktischen Konzept des Theologisierens mit Kindern zusammen.
Gegenwärtig liegen noch nicht allzu viele Erfahrungen aus der Schulpraxis vor; daher darf man gespannt sein, wie Kindertheologie hier praktisch umgesetzt wird.
Die Autorinnen veranschaulichen ihr Konzept im vorliegenden Band 1 durch einen einleitenden Beitrag, der die Zusammenhänge mit dem Ansatz von Petra Freudenberger-Lötz deutlich hervorhebt („Didaktisches Dreieck“, 10).
Kindertheologisches Arbeiten lebt ganz wesentlich von einer guten Gesprächskultur. Edelgard Moers widmet sich in ihrem Beitrag dieser Frage mit grundlegenden Hinweisen (13-34). Es werden sehr praktische Methoden vorgestellt, die zum Einüben und Vertiefen dienen. Die Materialien für den Unterricht (Reflexionskarten, Planungskarten, Symbole) sind als Kopiervorlagen beigefügt. Den Weg zum kindertheologischen Arbeiten markieren Hinweise zum „Zuhören“, zum Weiterfragen: „Was wäre wenn …“ und zur „Pro- und Contra-Diskussion“.
Als erste thematische Unterrichtseinheit, erarbeitet von Jessica Stegemann und Inga Zensen, folgt die Frage „Warum bin ich auf der Welt?“ ( 35 – 46). Auf kreative Weise (z. B. Puzzle, Klassenleporello, Schreibimpulse, Satzanfangskarten) werden große Fragen der Kinder im Unterricht bearbeitet. Die Materialien sind jahrgangsübergreifend verwendbar. Die Autorinnen lassen die Kinder auch nach religiösen Antworten suchen, sie gewähren dabei Unterstützung. An dieser Stelle unterscheidet sich kinderphilosophisches vom kindertheologischen Arbeiten.
Ein weiterer Beitrag von Ulrike Itze, für die 1. und 2. Jahrgangsstufe, stellt sich der Frage nach dem „Lebensweg“ (47 – 65). Religionspädagogisch steht zunächst die biblische Gestalt „Abraham“ im Mittelpunkt. Seine Lebensgeschichte und Erfahrungen, wie sie in der Bibel erzählt werden, werden in Betziehung gesetzt zur Lebenslinie der Schülerinnen und Schüler. Die praktischen Hinweise und Materialien sind erprobt und gut auf andere Schulsituationen übertragbar. Auf diese Weise wird der Unterricht sowohl bibeldidaktisch als auch existenzerschließend sehr anschaulich! Auch symboldidaktisch wird das Thema „Weg“ gut umgesetzt.
Die nächste Unterrichtseinheit von Ulrike Itze lautet „Wer bist du, Gott? Wie siehst du aus, Gott?“ ( 66 – 91). Das kann für jede Lehrerin und jeden Lehrer ein Kernthema des RU werden, weil die Kinder es immer wieder ansprechen! Die didaktischen Vorüberlegungen gehen sorgfältig auf Problembereiche und mögliche Engführungen bei dieser Frage ein. Wichtig finde ich besonders die vorgeschlagenen Annäherungen über „Vorstellungen von Gott“. Hier spielt das Wörtchen „wie“ eine entscheidende Rolle. Das hilft, Vorstellungen von Gott immer in einem relativen rahmen zu sehen und sich bewusst zu machen, dass Gott immer größer ist als unsere Vorstellungen. Hilfreich sind die Materialien: Sammlung von Bibeltexten zur Gottesfrage, Spielszenen und Bastelanleitungen.
Kritisch sehe ich die auffallende Unterscheidung zwischen alt- und neutestamentlichen Gottesvorstellungen, die hier vorgenommen wird (z.B. 74f). Taucht hier etwa der früher oft vermutete (aber nicht fundiert belegte!) angebliche Kontrast zwischen dem Gott des AT und dem Gott des NT auf? Es wäre angebrachter und für den Unterricht hilfreicher, von vielfältigen Gottesbildern der Bibel zu sprechen.
Neben der Gottesfrage ist das Thema „Leben und Tod“ ( 92 – 108) zentraler Bestandteil kindlicher Fragestellungen im Religionsunterricht. Ulrike Itze legt großen Wert darauf, die Frage nach dem Tod mit dem Leben zu verbinden. Die 1. Sequenz beginnt daher mit dem Impuls „Wenn ich an das Leben denke …, dann habe ich viele Gedanken und Fragen“ (94). Dann folgen Impulse zu „Tod“ und zur Verbindung von Tod und Leben. Theologisch wird dieser Ansatz durch die christliche Hoffnung flankiert, dass das Leben der Menschen nach dem Tod bei Gott gut aufgehoben ist. Im weiteren Verlauf der Unterrichtseinheit steht die Geschichte von Shiro und Miki im Vordergrund. Die „Erinnerung“ ist hier die prägende Kategorie.
Insgesamt vermitteln die hier vorgelegten Unterrichtseinheiten einen sehr erfahrungsgesättigten und praxisorientierten Eindruck. Die didaktischen Vorüberlegungen bereiten Lehrerinnen und Lehrer gut vor und stehen in lebendigem inneren Zusammenhang mit den Unterrichtssequenzen. Die Materialien sind kindgerecht und ‚schulgerecht’ gestaltet und können auf eigene Situationen übertragen werden. Die vorgestellten „Lernchancen“ sind eine gute Alternative zu typisierten Lernzielen oder inflationär gewordenen Kompetenzformulierungen. Die Lernchancen entsprechen einem Konzept der Kindertheologie besser! Dieser Praxisband ist eine Bereicherung für jede Grundschule und für die Handbücherei der Lehrkraft!
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Dr. Manfred Spieß, Universität Bremen
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