Arbeitshilfe Religion inklusiv. Grundstufe und Sekundarstufe I
Basisband: Einführung, Grundlagen und Methoden
Erarbeitet von Wolfhard Schweiker
Calwer Verlag 2012 ISBN 978-3-7668-4212-1
„Wie soll denn das gehen?“ – so fragen sich viele Lehrkräfte, denen durch bildungspolitische Entscheidungen eine neuartige Arbeitsweise in der Regelschule zugewiesen wurde: Der inklusive Unterricht! Bereits die jüngste große Innovation – der Weg zur Kompetenzorientierung – hat nicht nur Begeisterung bei den Schulpraktikern ausgelöst. Inhalte, Ziele, Materialien und Bücher des Unterrichts wurden vielfach neu konzipiert, dieser Prozess ist noch keineswegs überall zum Ziel gekommen. Die Einführung der Kompetenzorientierung hat jedoch auch eine Perspektive neu geschärft: Das Lernen der Schüler nicht nur auf Wissenserweiterung zu beschränken, sondern stärker auf Anwendungs-Fähigkeiten und –fertigkeiten zu beziehen. Damit rückt auch der Einzelne stärker in den Horizont der Unterrichtsplanung: „Die Kompetenzen orientieren sich am Kind und seiner Lernausgangslage und nicht: das Kind orientiert sich an den Kompetenzen“ (21).
Hier setzt die neue Arbeitshilfe zum inklusiven Lernen im Religionsunterricht an. Sie will helfen, „Religion in heterogenen Lerngruppen der Klassen 1-9 zieldifferent und inklusiv zu unterrichten“ (5).
Die ersten beiden Kapitel des Buches führen in die Grundlagen und schulischen Voraussetzungen des inklusiven Unterrichts ein. Ausdrücklich werden auch theologische Gründe angeführt (14 f). Auf Bedenken und Befürchtungen wird ausdrücklich eingegangen: „Sie sind dort immer wieder Realität, wo Integration bzw. Inklusion gut gedacht, aber schlecht gemacht wird“ (17). Das 3. Kapitel stellt eine inklusive Didaktik vor, die auf den RU angewendet werden kann. Hier spielen besonders Konzepte der Individualisierung, der Binnendifferenzierung und der Kooperation eine Rolle. Auch die Modelle der Elementarisierung (hier nach Nipkow) und der Handlungsorientierung bzw. der Aneignungsformen sind gut geeignet, Brückenpfeiler des Unterrichts zu sein. Ein Überblick über geeignete religionspädagogische Konzepte zeigt, dass es bereits gute Umsetzungsmöglichkeiten für inklusives Arbeiten im RU gibt. Hier sind vor allem zu nennen: Die Symboldidaktik, die Kirchen- und Sakralraumpädagogik sowie diakonisch-soziale und spielerische Erfahrungsformen (vgl. Tabelle S. 49).
Das 5. Kapitel ist das ausführlichste, es stellt eine Fülle von Methoden dar. Hier werden besondere Lernwege vorgestellt, die einem inklusiven Lernen förderlich sind. Diese sind in 7 Gruppen eingeteilt:
- Anfangen und die Gruppe bilden
- Wahrnehmen und erleben
- Handeln und interagieren
- Kommunizieren und sprechen
- Sich bewegen und gestalten
- Inhalte kennen lernen und bearbeiten
- Ergebnisse sichern und Rückmeldungen geben
Diese Beschreibungen haben eine große Nähe zu den Dimensionen der Erschließung von Religion, wie sie ab 2006 von einer Expertengruppe des CI vorgelegt wurden. Sie erweitern diese, stellen damit aber auch einen guten Anschluss an die Kompetenzorientierung dar.
Manche dieser Methoden sind mehr für die Grundschule, andere mehr für die Sekundarstufe I geeignet. Die hier vorgelegte Sammlung ist gut überlegt und sehr differenziert. Auch für die Lehrkräfte gibt es da einiges zu lernen. Beispielsweise das Konzept der Leichten Sprache: Diese beschreibt, „wie im alltäglichen Leben so geredet und geschrieben werden kann, dass Menschen mit Lern-, Sprach- und Leseschwierigkeiten sich möglichst barrierefrei an der Kommunikation beteiligen können“ (76). Hilfreich sind auch die ausführlichen Anregungen zum „Sich bewegen und gestalten“ (80-85), weil sie helfen, die Einseitigkeiten verkopften oder vertexteten Unterrichts aufzubrechen. Ferner das „Feedback-Ritual mit Karten“ (91), mit diesen Methoden können Kommunikationsprobleme auf einfache Weise bearbeitet werden.
Eine Beschreibung einzelner Kurzfilme für den inklusiven Unterricht und weiterer Dokumentationsfilme zum Thema rundet diese Arbeitshilfe ab.
Dieses Buch legt einen wichtigen Grundstein für einen Religionsunterricht, der sich künftig inklusiv versteht. Lehrkräfte bekommen hier fundiertes und erprobtes Arbeitsmaterial an die Hand. Auch für die Ausbildung von künftigen Religionslehrkräften bietet diese Arbeitshilfe eine gute wissenschaftliche und praxisnahe Einführung, die sie auf die berufliche Zukunft vorbereitet.
W. Schweiker stellt sich auch die Frage, ob nicht die Durchführung konfessionellen Religionsunterrichts in spezifischen Lerngruppen als „anachronistischer Widerspruch“ angesichts des inklusiven Auftrages erscheine (22). Er möchte jedoch nicht das traditionelle Gefüge des konfessionellen RU auflösen, weil es Religion nicht abstrakt, sondern nur in konkreten Religionen bzw. Konfessionen gebe. Er plädiert jedoch unübersehbar für einen stärkeren Ausbau der religiösen Kooperation in der Schule. Diese Sicht mag für die Schulverhältnisse in manchen Bundesländern – vor allem südlich des Mains – zutreffend sein. In anderen Regionen, vor allem in Norddeutschland, wird die Frage nach einem einheitlichen RU für alle Schüler nicht nur stark diskutiert, sondern ist auch auf dem Weg der Umsetzung. Damit gewinnt Inklusion noch stärker einen interreligiösen und interkulturellen Aspekt. Dieser sollte m. E. künftig mehr beachtet werden.
Manfred Spieß
Universität Bremen