Delphi. Apollons Orakel

Delphi. Apollons Orakel in der Welt der Antike.

Herausgegeben von Balbina Bäbler und Heinz-Günther Nesselrath.

(Civitatum Orbis MEditerranei Studia COMES 6)
Mohr Siebeck 2021.
VII, 611 Seiten. Leinen 154 €.

ISBN 978-3-16-157570-9

 

 

Wo die Griechen Prophezeiungen einholten: Das Orakel von Delphi

Eine Rezension von Christoph Auffarth

Kurz: So klein die Stadt, so groß die Bedeutung: Alle Welt, nicht nur Griechen, kamen nach Delphi, um dort Rat zu suchen für ihre Projekte. Waren sie erfolgversprechend oder sollten sie eher davon lassen: Kriege führen, Städte gründen, sich mit einer andern Familie durch Heirat verbünden? Der riesige Erfolg durch die ganze Antike rief auch Kritik hervor.

Eine kleine Stadt von großer Bedeutung

Delphi ist wohl keine große Civitas, was die COMES-Reihe verspricht, aber sicher einer der wichtigsten Orte der antiken mediterranen Welt. Im Mythos lässt Zeus zwei Adler von den Enden der Erde losfliegen und sie treffen genau über Delphi zusammen, der Omphalos in Delphi ist das Zeichen dieses Anspruches, „Nabel der Welt“ zu sein.[1] In allen historischen Darstellungen spielt Delphi eine wichtige Rolle. Sie heben hervor

  • Delphi gilt als Treffpunkt all der frühen Griechen, die geeignete Siedlungsplätze außerhalb der meist kargen Inselwelt oder des Festlandes suchten in der sog. griechi­schen Kolonisation der Adriaküsten, Siziliens oder Unteritaliens, oder an den Küsten des Schwarzen Meeres.[2]
  • Den Ort, an dem die großen Könige und Dynastien ihre Macht aller Welt zeigen konnten durch grandiose Weihgeschenke, die Alkmaioniden aus Athen oder der sagenhaft reiche Krösus/Kroisos aus dem anatolischen Lydien. Nach der erfolg­reichen Abwehr des Angriffs des Perserreiches 480/79 wollten die griechischen Poleis ihren Anteil an der Freiheit präsentieren durch ihre Schatzhäuser und Denk­mäler. Wer Anfragen beim Orakel des Apollon stellen wollte, schritt durch eine Ausstellung der griechischen Geschichte und der Vielzahl der Poleis. Winfried Schmitz erkennt dabei eine „aggressive Sprache“ des Temenos, also des Tempel­bezirks (231).[3]
  • Für viele gilt Delphi als Ursprung der griechischen Geistigkeit, wenn die Philosophen den Spruch am Tempel von Delphi umsetzten, das Erkenne Dich selbst! Γνώθι σ’αὐτόν, Nicht zu vergessen der seine Weisheit in Fabeln verpackende Äsop/Aisopos, der sich der Anklage des Tempelraubes ausgesetzt sah.
  • Aber auch noch als Ort sagenhaften Reichtums drohte Delphi von der Völkerwande­rung der Gallier 279/78 v.Chr. erobert zu werden.[4]
  • In der römischen Kaiserzeit war es immer noch nachgefragt als Orakelstätte, auch wenn Plutarch beklagte, dass das Orakel nicht mehr rede.[5] Delphi wurde mehr und mehr zur ‚Marke‘, als Ort der Orakelanfrage nicht mehr so oft aufgesucht. Auch das ganz Griechenland verheerende Erdbeben von 363 n.Chr. zerstörte das Heiligtum nicht vollständig, wohl aber nahm der Kunstraub so wertvolle Stücke weg wie Kaiser Konstantin, der die Schlangensäule in seine neue Hauptstadt holte.[6]

Von diesem bedeutenden Ort also ist die Rede in den 23 Beiträgen, davon vier auf Englisch.[7] Angesichts der Fülle der Beiträge musste wohl der Umfang begrenzt werden, so dass die meisten Beträge etwa 20 Seiten umfassen. Hier können nicht alle Beiträge ausführlich vorge­stellt werden, weshalb ich eine paar Besonderheiten herausgreife, auch wenn ich in jedem Beitrag Lesenswertes und neue Forschungsergebnisse gefunden habe. Abschließend füge ich das vollständige Inhaltsverzeichnis an. Die Herausgeberin und der Herausgeber haben nicht versucht, widersprüchliche Behauptungen in den einzelnen Kapiteln zu egalisieren, selten weisen sie darauf hin.

Die einzelnen Beiträge

Elegant in die Forschungsgeschichte führt Michael Maß (11-34) ein, indem er die beiden patriotischen Prestigeopbjekte der großen ersten Grabungen der Deutschen in Olympia 1876-1882 und der Franzosen in Delphi 1893-1903 vergleichend vorstellt, gerade auch in ihrer publikumswirksamen öffentlichen Darstellung, etwa auf der Weltausstellung 1900 in Paris als Gipsabgüsse. Nicht erwähnt er die üblen Unterstellungen gegen den deutschen Delphi-Forscher Hans Pomtow, dessen fertiges Corpus der Inschriften von Delphi nicht für den Druck in den Inscriptiones Graecae freigegeben wurde aufgrund eines Vetos der Französi­schen Académie des inscriptions.[8] Der folgende Artikel von Brinkmann und Koch-Brink­mann versteht sich als „provisional thoughts“ zur These, dass für die Giebel des Parthenons das über hundert Jahre ältere Siphnier-Schatzhaus als Vorbild der Ikonographie gedient hätte. Die These wird mit Abbildungen suggeriert, aber die Argumentation ist, wie die Verfasser selbst zugeben „in a preliminary and sketchy manner to be understood as the first phase of a larger project“ (62) das immerhin seit 1985 begonnen (Anm. 97) und auch schon in Brinkmanns Ausstellungskatalog Athen vorgestellt wurde. Vincent Deroche stellt Delphi in der späteren und Spätantike vor und betont „Wie oft in Griechenland scheint diese [die Christianisierung] keine Spuren von Gewalt hinterlassen zu haben.“ Erst ab 580/620 sei zu erkennen, dass das Siedlungsgebiet der Stadt sich deutlich verkleinerte.

Mit Hugh Bowden beginnt nach dem archäologischen der zweite Teil zur Funktionsweise des Orakels. Bowden weist auf das Fest der Theophaneia hin, wenn ‚Gott [Apollon wieder] erscheint‘, denn er hält sich in den drei Wintermonaten bei den Hyperboreern fern im Norden auf. Zu diesem Fest schickten die griechischen Poleis Festgesandtschaften (θεωροί), die Unterkunft fanden bei Gastgebern (πρόξενοι). Neben diesem jährlichen Fest ist Delphi alle vier Jahre Austragungsort für die panhellenischen Wettspiele im Zyklus der vier Aus­tragungsorte Olympia, Nemea, Isthmia und die Pythien von Delphi. Von denen ist später im Beitrag von Claas Lattmann die Rede, aber die Nachrichten sind sehr spärlich, weil die Siegeslieder des Pindar in den Heimatstädten vorgetragen wurden, wenn die Sieger nach Hause gekehrt waren, nicht in Delphi. Die folgenden Beiträge widmen sich der Seherin des Apollon, der Pythia.[9] Tanja Scheer betont, dass die Unbildung der Frau – nicht unbedingt jung und ohne sexuelle Erfahrung, Jungfrau – hervorgehoben wird, um deutlich zu machen, dass es Apollon ist, der die Orakel gibt, nicht die Pythia. Das geschieht einmal im Monat und an einem bis drei Tage. Yulia Ustinova fragt, was der Enthusiasmus ‚engoddedness‘ mit modernen Begriffen bedeutet und zieht das Phänomen der altered state of consciousness heran.[10] Dazu fragt sie nach Drogen,[11] das Kauen der Lorbeerblätter oder die immer wieder vermuteten Gase πνεῦμα aus einer Felsspalte. Diese seien jetzt nachgewiesen 126 Αnm. 51.[12] Wie immer besonders interessant erklärt Beate Wagner-Hasel, was Herakles in Delphi zu suchen hat, wenn er dem Apollon den Dreifuß stiehlt. Sie ordnet Herakles dem angestellten Hirten in der Transhumanz zu, der mit seinen Herden in Konflikt mit dem Land gerät, das ausschließlich für Apollons Herden genutzt werden darf, heiliges Land. Damit gehöre das zu dem Konflikt der beiden Nachbarstädte unten in der Küste, um die der erste sog. heilige Krieg geführt wurde (ausführlicher und unterscheidend, aber ohne das Grundproblem der Transhumanz zu berühren, unten im Kapitel von Pierre Sánchez). Unter den von Kroisos gestifteten Preziosen war auch eine goldene Statuette, die Balbina Bäbler diskutiert. Herodot bringt sie in Zusammenhang mit dem Orakel-Test des Kroisos.[13] Er fragt nämlich, was er an einem bestimmten Tag gegessen hat. Hintergrund seiner Frage ist, dass an diesem Tag ein Giftanschlag auf ihn verübt werden sollte, die Bäckerin aber verriet es ihm. Zum Dank habe Kroisos eine Statuette der goldenen Bäckerin nach dem Orakel gestiftet, das seine Frage am besten beantwortet habe, nach Delphi. Mit Robin Osbornes (oben schon erwähnten) Kapitel beginnt der Teil zur Geschichte Delphis. Kai Trampedach fragt danach, was Delphi als historische Akteurin eigentlich bedeute. Es ist immer wieder ein widerstreitender Anspruch zu erkennen, der auch zu den Heiligen Kriegen führte, die Sanchez dann untersucht: Die als Polis kleine Einheit will einen internationalen, d.h. autonomen Status für sich reklamieren, während die Städte der Phokis (und später die Aitoler – wieder fehlt diese Epoche) sie als Teil von ihnen eingliedern und damit die Gewinne aus den Touristenströmen abgreifen wollten. Die anderen Kapitel in diesem historischen Abschnitt sind bereits erwähnt.

Mit Leonie von Alvensleben setzt der Teil zur Literatur ein. Etwas kleinteilig, aber auch überraschend zeigt sie am Apollon-Hymnus eine dreieilige Struktur auf, die auch panhelle­nische Ansprüche für Apollon aufzeigen: Ägäis, Festland, Peloponnes.[14] Lattmann zu Pindar habe ich bereits erwähnt. Heinz-Günther Nesselrath präsentiert glänzend im ersten seiner beiden Kapitel, wie Delphi in den athenischen Tragödien eine wichtige Rolle spielt am Fallbeispiel von Orestes‘ Muttermord – zwischen Aischylos und Euripides, dann die Ödipus-Dramen des Sophokles und schließlich Euripides‘ Ion. Im folgenden Kapitel erklärt Nessel­rath Herodots detaillierte Beschreibung und Lob von Delphi. Er unterscheidet als Frage­steller persönliche Anfragen (ist die Kategorie treffend, geht es doch oft um Fortbestand einer Monarchie?) und die Anfragen von Poleis. Interessant ist der Fall, dass eine Polis ein Orakel nicht haben möchte und darum noch einmal fragt. Dieses Mal ist die Auskunft günstiger. Es geht also auch um Fälle von Manipulation und Selbstkorrektur. Wichtig ist die These, dass Delphi mit der Niederlage der Griechen gegen die Perser 480 v.Chr. rechnete, und als es anders kam, in der historischen Erzählung zurechtbog (so auch Gauer). Gauer legt Wert darauf, dass in der Vorbereitung der Perser auf den Feldzug gegen die Griechen und besonders gegen die Athener Herodot von der „Rache des Zeus“ (und nicht des Xerxes) spricht. Damit ist dann sowohl Ahura Mazda als auch Zeus als Garant des Gastrechts zu verstehen, gegen das die Athener verstießen, als sie die Boten des Perserkönigs ermordeten. Das glänzende Kapitel von Reiner Hirsch-Luipold zu Plutarch, der ja selbst lange Jahre Priester in Delphi war, kommt zu dem bemerkenswerten Ergebnis: „Mit seiner religiösen Begründung philosophischer Aussagen […] wird Plutarch zum pagan-religiösen Exponen­ten einer philosophischen Bewegung, die die westliche Geistesgeschichte wesentlich prägen wird, nämlich einer religiösen Philosophie.“ (411) Und damit rät er dazu, Pagan und Jüdisch-Christlich nicht auseinander zu dividieren, sondern sie als einen gemeinsamen Trend zu verstehen. Jürgen Hammerstaedt findet einen großen Konsens in der Kaiserzeit hinsichtlich der Anerkennung der Weissagung, besonders Delphis; die beiden Leugner, Kyniker und Epikuräer sind daher besonders zu untersuchen. Ilinca Tanaseanu-Döbler verfolgt die Bewertung des delphischen Orakels bei den Neuplatonikern, die „theologischen Orakel“. Mit Sokrates‘ Einschätzung, dass das delphische „Erkenne Dich selbst!“ der Ursprung aller Philo­sophie sei, ist schon vorgegeben, dass nicht mehr der unbedeutend gewordene Orakelort, wohl aber die Orakel als Herabsteigen der Götter zu den Menschen zum Ankerpunkt der Philosophie geworden ist. Ulrich Volp ordnet die Orakelkritik der christlichen Kirchenväter ein. Zum einen konnten die christlichen Apologeten (Verteidiger des Christentums) einfach die Polemik früherer ‚paganer‘ Kritik übernehmen und vergröbern, indem sie aus Apollon einen Daimon machten, der unsittlich in die Pythia eindringt. Es gibt rituell aber kein Äquivalent zum Orakelwesen in der neuen Religion, etwa wenn die Orakelstätte des Apollon in der Nähe von Antiochien für einen Märtyrerkult genutzt wird. Die ethische Ausrichtung des Christentums sei nicht mehr auf Orakel angewiesen. – Sehr wichtig und ein abrundender Beitrag ist der differenzierte Beitrag von Dorit Engster. Sie geht von einem Spiegel-Artikel aus, der die Fähigkeit der Pythia zur Orakelsprache auf Drogen zurückführt auf der Grundlage naturwissenschaftlich-geologischer Untersuchungen (die Ustinova als Beweis anführt, oben Anm. 12). Die Kombination von geologischen Verwerfungen, die eventuell früher einmal nach Erdbeben Gase freigesetzt hätten, und antiken Aussagen nimmt sie auseinander: Die antiken Aussagen sind bei allen Orakeln topisch, d.h. man nimmt an, dass die Orakel-Medien in Höhlen oder Erdspalten Inspiration fanden. Das ist nicht spezifisch für Delphi. Und die modernen Vermutungen über mögliche Methanaus­dünstungen führen nicht zu dem in Frage stehenden Ergebnis, machen sie doch eher schläfrig als dass sie das Bewusstsein erweiterten. Auch wenn Engster das freundlich umschreibt, die Naturwissenschaft hat keine Lösung für das Orakel von Delphi. Das letzte Kapitel führt ein (wenig innovatives) Brettspiel vor über Delphi und belegt damit, dass man mit dem antiken Orakel noch Interesse wecken kann.[15]

Die COMES-Reihe ist um einen wertvollen Band bereichert, der eine der wichtigsten ‚Städte‘ der Antike in vielen Perspektiven umfassend beleuchtet. Der Verlag hat wieder hervor­ragende Arbeit geleistet. Nicht nur die detaillierten Indices der genannten Quellen und das Namen- und Sachregister erschließen den Band, sondern auch die Fadenheftung ist eine große Qualität, wenn man auf dem Schreibtisch mehrere Bücher und den Laptop gleichzeitig benötigt: Das Buch lässt sich aufschlagen und mit dem Leinenband wird es auch noch in der übernächsten Generation benutzt werden können. Man kann der Herausgeberin und dem Herausgeber für die Anstrengung und zu dem Ergebnis nur gratulieren. Den umfangreichen Band durchzuarbeiten ist der Mühe wert und ermöglicht, auch über die Fachgrenzen der Archäologie, der Klassischen Philologie und der Alten Geschichte hinaus gute Informationen und Argumente vorgestellt zu bekommen zum Stand der Diskussionen.

 

Bremen/Wellerscheid, November 2022                                                    Christoph Auffarth

Religionswissenschaft,
Universität Bremen

E-Mail: auffarth@uni-bremen.de

 

 

Inhaltsverzeichnis

Heinz-Günther Nesselrath: Einleitung 1-.

  1. Delphi in der Archäologie Michael Maaß: Delphi: Faszination und Akribie 11 – Vinzenz Brinkmann, Ulrike Koch:-Brinkmann Learning from Delphi: Provisional Thoughts on Inter­dependencies of Storytelling on the Siphnian Treasury and the Athenian Parthenon 35 – Vincent Déroche: Delphi in der späteren Antike und Spätantike 65-.
  2. Das Orakel und seine ‚Funktionsweise‘ Hugh Bowden: Theophania, Theoria, Thusia: Rethinking the Delphic Experience 77- – Tanja S. Scheer: Jungfräulich, isoliert, ungebildet? Die Pythia als Sprachrohr Apollons 91- – Yulia Ustinova: The Pythia’s Appointment and Oracular Practice: Historical, Anthropological, and Cognitive Perspectives 119-
  3. Delphi und die (griechische) Geschichte Beate Wagner-Hasel: Herakles und der Dreifuß­raub von Delphi: Überlegungen zu den Hintergründen eines Mythos 137-. – Balbina Bäbler Die goldene Bäckerin: Delphi und die nichtgriechische Welt im Spiegel der Weihgeschenke 155-. – Robin Osborne: What Did Delphi Have to Do with “Colonization”? 173-. – Kai Trampedach: Die Legitimität des delphischen Orakels 185-. – Winfried Schmitz: „Sprache des Temenos“: Weihungen als politische Machtdemonstration 209-. – Pierre Sánchez: Zwischen Heiligen und Amphiktyonischen Kriegen: Die regionalen Konflikte um das Heiligtum von Delphi und die Kämpfe um die Hegemonie in Zentralgriechenland 233-.
  4. Delphi in der archaischen und klassischen griechischen Literatur Leonie von Alvens­leben: Die triadische Struktur des Homerischen Apollonhymnos 267-. – Claas Lattmann: Die Pythischen Spiele bei Pindar: Historischer Kontext und kulturelle Bedeutung 297-. – Heinz-Günther Nesselrath: Das Orakel von Delphi in der attischen Tragödie 329-. – Heinz-Günther Nesselrath: Das Orakel von Delphi bei Herodot 353-. – Werner Gauer: Delphis Perserkriegs­orakel für die Athener und Herodot 377-. –
  5. Delphi in Philosophie und Theologie der römischen Kaiserzeit Rainer Hirsch-Luipold: Priester, Philosoph und Propagandist – Plutarch und Delphi 397-. – Jürgen Hammerstaedt: Das delphische Orakel und seine Sprüche in den philosophischen Debatten der Kaiserzeit 413-. Ilinca Tanaseanu-Döbler: Delphisches im Neuplatonismus 431-. – Ulrich Volp: Delphi und die Orakelkritik bei den Kirchenvätern 457-. –
  6. Delphis Bild in späteren Zeiten Dorit Engster Von Erdbeben, Erdspalten und Erddämpfen – antike Berichte und moderne Forschungen zu Delphi 479-. – Martin Lindner: Ludit in humanis divina potentia rebus: Das Orakel von Delphi im und als Spiel 505-.

Bibliographie 535 – Autorenverzeichnis 585 – Stellenregister 587 – Namen- und Sachregister 601.

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[1] Ulrich Vollmer, RGG4 6(2003), 2f verweist darauf, dass im Alten Orient ähnliche Ansprüche erhoben wurde und verweist auf Richter 9,37 für den Garizim, Ezechiel 38,12 für Jerusalem. Die Odyssee (1,50) nennt Ogygia den „Nabel des Meeres“. Delphi so bezeichnet bei Pindar, Pythien 4,74; frg. 54; Strabon 9, 3,6. Pausanias 10, 16,3. Für den Religionswissenschaftler Mircea Eliade war das ein Symbol für die Axis Mundi (Verbindung von Unterwelt, Welt der Lebenden, Welt der Geister und Götter) und seine Theorie von der Hierophanie.

[2] Einen wichtigen Einwand, dass es gar nicht so viele Beispiele gibt, in denen Poleis nach neuen Sied­lungsplätzen beim Orakel nachsuchten, erhebt Robin Osborne in seinem Kapitel zur sog. Colonization, Seite 173-183. Dennoch wird das in vielen Kapiteln weiter behauptet, etwa Nesselrath 363.

[3] Er greift dabei die Bezeichnung Delphis als „das große monumentale Museum des Hasses von Griechen gegen Griechen“ auf, wie das Jacob Burckhardt in seiner Griechischen Culturgeschichte (etwa 1880, posthum ediert. Kritische Gesamtausgabe, Band 19[2002], 233,28) aus den Erfahrungen der Kriege bei der Nationenbildung im 19. Jh. so einschätzte.

[4] Dieses Ereignis, gewissermaßen die Wiederholung des Angriffs der Perser zweihundert Jahre zuvor (Nesselrath 372f. Gauer 391), ist intensiv berichtet, hier aber gerademal (Einleitung S. 6, Anm. 5) erwähnt. – Ein anderer Teil dieser Migration ließ sich im zentralen Anatolien nahe Ankara nieder und wurde dort Galater genannt, s. Galater – Wikipedia (28.11.2022)

[5] Eines der exzellenten Kapitel ist das von Reiner Hirsch-Luipold zu Plutarch und Delphi. – Während andere Orakelstätten in der Kaiserzeit wieder großen Zulauf fanden und Alexander von Abonou Teichos eine neues an relativ entlegenem Ort aufmachte, ist Delphi nicht mehr an der Spitze. Ilinca Tanaseanu-Döbler zeigt den Abstieg mit Berufung auf die Forschungen von K.M. Heineman, Decadence of Delphi. London 2018.

[6] Werner Gauer, der schon seine Dissertation über die Weihgeschenke aus dem Perserkriegen schrieb (Tübingen 1968), erläutert in seinem Beitrag, wie eine Nachbildung wieder am ursprünglichen Ort aufgestellt wurde.

[7] Warum der Beitrag der Brinkmanns auf Englisch verfasst ist, ist nicht erklärt. Die französischen Beiträge von Vincent Déroche und Pierre Sanchez sind auf Deutsch.

[8] Seine Delphi-Forschungen, die er vor Ort unternommen hatte, sind zusammengefasst in den Artikeln in der Realencyklopädie der classischen Altertumswissenschaften (RE) 4(1901), 2583-2700; Supplement 4(1924), 1189-1432 (Topographie) und (nach dem Tod des Forschers fortgeführt von F. Schober) in Supplement 5(1931), 61-152. Auf Sp. 2583 bittet der Verfasser, die Archontentafeln als vorläufig zu betrachten und „dass man diese Tabellen nicht blos zum Zwecke der Polemik citieren möge“. Sie ergänzen den Delphi-Artikel von Hiller von Gärtringen (RE) 4(1901), 2517-2583 zur Geschichte. Dessen Archontentafeln hat Pomtow korrigiert und auf dem Wissensstand von damals gedruckt und korrigiert 2693ff, vielfach aus noch nicht ediertem Material und dabei Hilfe erfahren durch die beiden an den laufenden Ausgrabungen beteiligten Franzosen E Bourguet und G. Colin (Sp.2584). Die französischen Editionen der Inschriften sind viele Jahre später erschienen und auch hundert Jahre später nicht abgeschlossen.

[9] Das Gegenmodell, Apollons Seherin, der niemand glaubt, weil der Gott ihre Glaubwürdigkeit unterminiert (vor allem in Euripides, Troades, 415 v.Chr.) ist angeführt S. 97 und 101.

[10] Ist der englische Begriff für Enthousismos so zu verstehen, dass die Frau sich in den Gott versetzt, nicht der Gott in die Frau? Der komplementäre Begriff ist die Ekstase. Altered state of consciousness „Bewusstseinsveränderung, -erweiterung“.

[11] Neben drogeninduzierter Intoxikation zur Bewusstseinserweiterung gibt es andere rituelle Formen, körpereigene Potenziale zu eröffnen (wie etwa die Trommel bei den Schamanen, die allmählich die Herzfrequenz erniedrigen).

[12] Das steht im Widerspruch zu Trampedach 192 und wird genauer und einschränkend von Dorit Engster im vorletzten Kapitel diskutiert. Querverweise und besser noch, dass die AutorInnen aufein­ander eingingen, fehlen oft.

[13] Herodot 1, 46-48. Nesselrath nennt das die „Stiftung Warentest“.

[14] Das Problem bei diesen Sammelbänden besteht darin, dass die Kapitel möglichst auch für Leser verständlich erklären sollen, die nicht aus dem engeren Fach kommen und mit der spezifischen Terminologie vertraut sind, gleichzeitig aber auch dem FachgenossInnen etwas Neues bieten wollen.

[15] Hubert Mohr hat in einem nicht publizierten Vortrag gezeigt, wie man im Internet ein Isis-Orakel einholen kann. Die Illustrationen stammen (aus Copyright-Gründen?) aus Lexika des 19. Jahrhunderts ebenso wie die Informationen. Dieses Orakel gehört in den Umkreis der Verehrer des letzten heidni­schen Kaisers Julian Apostata und des Neopaganismus. Vgl. Mohr: Paganismus. RGG4 6(2003), 793-797. Mohr: Neopaganismus. RGG4 6(2003), 186-189.

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