Eike Wolgast: Die Einführung der Reformation und das Schicksal der Klöster im Reich und in Europa

Die Einfuehrung der Reformation und das Schicksal der Kloester im Reich und in Europa von Eike Wolgast

Eike Wolgast: Die Einführung der Reformation
und das Schicksal der Klöster im Reich und in Europa
.

(Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte 89)

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2014.
371 S.

ISBN 978-3-579-05842-9

Leinen.    68 €

 

 

Die Reformation eignet sich die Klöster an: die erste Säkularisation

Eine Rezension von Christoph Auffarth

 

Kurz: Ein Handbuch über die Enteignung und Aneignung der Klöster durch die Landesfürsten, indem sie die Reformation einführen. Ein erfahrener Kenner hat den skandalösen Vorgang erforscht und präzise dargestellt.

Im Einzelnen: Eike Wolgast, emeritierter Professor für die Geschichte der (Frühen) Neuzeit in Heidelberg,[1] vollendet einen grundlegenden Überblick zu dem wichtigen Thema, wie die Klöster in den Ländern und Herrschaften behandelt wurden, die die Reformation einführten. Klöster sind bedeutende Institutionen, die die Welt des Mittelalters prägten, sowohl in religiöser Hinsicht als die vorbildliche Gemeinschaft engelgleichen Lebens[2] wie in ökonomischer Hinsicht als Orte der Schatzbildung, wenn Spenden von außen im Kloster angelegt werden müssen und nicht mehr in den wirtschaftlichen Umlauf gelangen dürfen. Während im Mittelalter selten die Unterscheidung zwischen Laien und Geistlichen in Frage gestellt wurde (wohl aber kritisch gefragt wurde, wozu es neben den perfecti = Mönchen auch noch Priester an den Kirchen geben müsse), erklärt die Reformation alle Christen zu Priestern („Priestertum aller Gläubigen“) ohne die Sonderstellung der Mönche.[3] Klöster solle man in Schulen umwandeln, war ein Vorschlag Luthers.[4]

Es geht nicht um die Reformation in den Städten und die Auflösung der Klöster dort (das ist im Titel nicht spezifiziert). Vielmehr handelt EW die Länder ab, die die Reformation einführten. Das klingt nach einem geordneten Vorgehen, das zu glauben warnt EW aber. Man könne gerade bei der Säkularisation beobachten, wie diese durchgeführt wurde, durchaus unterschiedlich. EW spricht vom „Wildwuchs der Reformation“ (13), zu dem essentiell (neben der Heiligen Schrift als einzige Legitimation, die Gottesdienstsprache Deutsch, die tätige Nächstenliebe etc.) die Negierung der Höherwertigkeit der vita religiosa[5] und die Aufhebung des Zölibat- und des Kloster-Gelübdes gehören. Entscheidend war einerseits die Forderung der Gemeinden, selbst einen Prediger wählen zu wollen und einen [all-]gemeinen Kasten für die Sozialfürsorge einzurichten. Das sind noch „isolierte Inseln des kirchlich-religiösen Neuen in einem – mindestens formal – noch anders geprägten Umland“ (13). Die administrative Einführung der Reformation hatte das persönliche Bekenntnis des Landesfürsten zur neuen Lehre zur Voraussetzung (14). Vielleicht sollte man hinzusetzen, dass das Bekenntnis enorme Folgen hatte in größerer Selbständigkeit, Ausbau des frühabsolutistischen Territoriums und nicht zuletzt den fetten Bissen der reichen Klöster. Keineswegs wurde jedes Kloster zu einer Schule oder ein Krankenhaus, andere wurden zu Jagdschlössern oder man ließ die Gebäude verfallen, was beweglich war, aber floss in die Kriegskassen oder Bauten, Hochzeiten, Reliquienkammern. EW betont besonders das Landesherrliche Kirchenregiment, das sich durch die Reformation erheblich veränderte (14).

Die Aufhebung der Klöster und die Enteignung ihres Besitzes zugunsten des Adels (Säkularisation) rief empörten Protest hervor, weniger bei den Mönchen, dagegen bei den Nonnen und vor allem bei den Reichsständen, die katholisch blieben und die Klöster bestehen ließen. Formal galt das Verbot der lutherischen Lehre und Schriften im Wormser Edikt vom 8. Mai 1521 im ganzen Reich bis zum Augsburger Religionsfrieden 1555. Aber die Kirche konnte es nicht durchsetzen und die Forderung nach einem allgemeinen Konzil ermöglichte ein Provisorium, das einstweilen jedem Reichsstand überließ, wie er es mit der Religion hielt; er sei dafür später Gott und dem Kaiser verantwortlich (24). Zu einem Konzil kam es nie; das spätere Konzil von Trient (zwischen 1545 und 1563) war kein allgemeines (ökumenisches), das auch für die Protestanten galt.

Nach dem grundlegenden einleitend-systematischen Teil folgen im Teil A Heiliges römisches Reich deutscher Nation S. 11-268 die Befunde zu den Klöstern in den einzelnen Territorien, die zeitlich versetzt die Reformation einführten in folgenden Epochen: Einführung der Reformation im Zeichen reichsrechtlicher Ungesichertheit. Dann die nach dem ersten Religionsfrieden 1532, die in der Phase temporärer Friedstände, heißt v.a. schmalkaldischer Bund und Krieg, das Interim und nach dem Augsburger Religionsfrieden. Der Teil B stellt daneben die Befunde im übrigen Europa 269-334: Die Schweizer Eidgenossenschaft, Skandinavien, England, Schottland und die Niederlande. 30 Seiten Literatur und ein Register erschließen den Band. Die Durchführung der Säkularisation ist für die einzelnen Territorien, beginnend mit Luthers Landesfürsten von Kursachsen, detailliert unter Leitfragen so vergleichend dargestellt, dass man Typisches und Besonderes gut unterscheiden kann. EW macht deutlich, wo noch Forschung nötig ist und wo die Fragen in der Literatur gut aufgearbeitet sind. So hat EW eine Art von Handbuch geschaffen, das für die künftige Forschung eine vorzügliche Grundlage darstellt. Aus einer Hand, mit den gleichen Leitfragen. Die so übersichtliche Forschungsstand erlaubt dann auch Fragen nachzugehen, die hier nicht gestellt sind, wie die ökonomische Bedeutung, die Frage der Armenfürsorge als Aufgabe des Staates, die Territorialisierung des früh-absolutistischen Staates. Und den Vergleich mit der zweiten Säkularisation um 1800, als katholische Staaten die Säkularisation ebenfalls durchführten und damit die Schatzbildung auflösten, ein notwendiger Schritt für den Kreislauf der Wirtschaft, Voraussetzung für die Industrielle Revolution. Obwohl das in den katholischen Ländern durchge­führt (etwa in Österreich, in Bayern und Frankreich), warf man der Französischen Revolution Rechtsbruch vor und den Übergriff auf das Gebiet, über das allein die Kirche bestimmen dürfe: aus der Säkularisation wird der Vorwurf der Säkularisierung.

  1. September 2015                                                                         Christoph Auffarth,
    Religionswissenschaft
    Universität Bremen

E-Mail: auffarth@uni-bremen.de

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[1] Im Folgenden mit den Initialen abgekürzt EW.

[2] Im Unterschied zu Max Weber, der am Mönchtum die Askese hervorhebt, weist Otto Gerhard Oexle auf die Bedeutung des gemeinsamen Lebens hin. Koinos Bios: die Entstehung des Mönchtums. In: OGO: Die Wirklichkeit und das Wissen. Göttingen: Vandenhoeck&Ruprecht 2011, 470-495. Vgl. Christoph Auffarth: Verzichten um zu gewinnen: Askese in der europäischen Moderne und in den Religi­onen der Welt. in: Jan Gerchow (Hrsg.): Kloster Welt Werden 799-1803. [Ausstellung Ruhrlandmuseum Essen] Köln 1999, 41-46.

[3] Martin Luther: De votis monasticis iudicium (1518). WA 8, 573-669. Martin Luther: An den christlichen Adel deutscher Nation. (1520). WA 6, 438-439. Kommentar von Thomas Kaufmann, Tübingen: Mohr Siebeck 2014, 279-296. Max Webers und Ernst Troeltschs These von der innerweltlichen Askese. Thomas Kaufmann: Ekklesiologische Revolution: Das Priestertum der Glaubenden in der frühreformatorischen Publizistik. In: ThK: Der Anfang der Reformation. Tübingen: Mohr Siebeck 2012, 506-549. Ulrich Köpf: Mönchtum. III. 4. Abendländisches Mönchtum seit dem 13. Jh. In: Religion in Geschichte und Gegenwart4 5(2002) , 1428-1433.

[4] Luther: An den christlichen Adel (1520), WA 6, 440f.

[5] Religio und das Adjektiv religiosus bezeichnen im Mittelalter die Menschen, die berufsmäßig ausschließlich der Religion dienen, also die Mönche (oder mit Max Weber die ‚religiösen Virtuosen‘). Für (die richtige) Religion nimmt man fides (Glauben) oder lex (Gesetz); die Religion der anderen nennt man – neben lex Mahometi (Mohammeds Religion) – oft superstitio (Aberglauben).

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