Die Badener Disputation

Die Badener Disputation von 1526.
Kommentierte Edition des Protokolls.
Hrsg. von Alfred Schindler und Wolfram Schneider-Lastin. […]
Mit einer historischen Einleitung von Martin H. Jung.

Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2015.
752 S.
ISBN: 978-3-290-17757-7
69 €

 

Das Wort und nicht das Schwert des Scharfrichters soll entscheiden!
Die Diskussion um die Reformation 1526

Eine Rezension von Christoph Auffarth

Kurz: Eines der großes Aufsehen erregenden Streitgespräche zwischen den Schweizer Reformatoren und den Vertretern des alten Glaubens in einer mustergültigen Ausgabe.

Ausführlich: Vom 24. Mai bis 7. Juni 1526 fand in Baden im schweizerischen Aargau ein theologisches Streitgespräch über die Berechtigung der Reformation statt. Rund 200 Teilnehmer hörten gebannt den Rededuellen in deutscher Sprache zu. Die Altgläubigen[1]  erwarteten, Huldrych Zwingli, der Reformator von Zürich, sollte dem wortmächtigen altgläubigen Theologen Johannes Eck unterliegen. Die österreichische Regierung und der Bischof von Konstanz hofften auf einen Beweis seiner Verkehrt­heit, um weitere Erfolge der Evangelischen zu verhindern. Zwingli trat nicht selber auf, wechselte aber täglich Briefe mit seinem Vertreter. Die Erinnerung an die als Gespräch versprochene, als Hinrichtung durchgeführte Einladung an Jan Hus, hundert Jahre zuvor 1414 in Konstanz war noch lebendig (S.104f). Statt seiner vertraten die reformierte Seite Johannes Oekolampad aus Basel, Berchthold Haller aus Bern und andere. Auf der ordentlichen Kanzel der Badener Kirche saß und stand Eck, eine provisorische Kanzel  war für die Reformierten auf der anderen Seite gezimmert; eine Moderation von Vertretern der Eidgenössischen Städte erteilte die Rede. Themen waren (1) die ‚Präsenz‘ Christi beim Abendmahl, über die man allein sechs Tage stritt. Während Eck auf der ‚Realität‘ beharrte, aber die wissenschaftlich kritische Transsubstantiation lieber nicht verwendete, dass nämlich Brot und Wein sich in Leib und Blut  Christi umwandelten, wollte Ökolampad das Ritual als Verweis (signum-Zeichen) auf das historische Geschehen verstehen. Sechs Tage diskutierte man biblische Belege, Kirchenväter, die Logik des Aristoteles. Freche Bemerkungen protokollierte man nicht mit, wenn etwa der Schweizer Öchsli den altgläubigen Eck und Fabri vorhielt, sie hätten als Ausländer kein Recht, sie zu belehren. Oder Ausfälle Ecks, der Luther für die Massaker des Bauernkriegs ein Jahr zuvor verantwortlich machte (S. 147f). Solche aparte[2] Bemerkungen hielt der Berner Haller in einer Notiz und einem Brief fest (ediert S. 524-540). Die weiteren Themen waren (2) die Messe als ‚Opfer‘ oder als Bestärkung des Glaubens; (3) Maria und die Heiligen als Mittler zwischen Sünder und Gott; (4) die Bilderfrage, die die Schweizer Reformatoren besonders radikal behandeln. Im reformierten Katechismus bildet „Du sollst Dir kein Bildnis machen!“ das zweite Gebot und nicht wie im lutherischen einen Teil des ersten. Ein Bilderstürmer aus Zürich war ein Jahr zuvor in Luzern gefasst und hingerichtet worden (104). (5) Die Fegfeuerlehre. (6) Erbsünde und Taufe. Die Altgläubigen wähnten sich als Sieger, doch war die Versammlung ein Same, der sich in den anderen 12 vertretenen Eidgenössischen Städten verbreitete.

Die Ausgabe des Textes und die  Kommentierung[3] hat der Zürcher Kirchenhistoriker Alfred Schindler (1934-2012) durchgeführt, aber nicht vollenden können. Der Text, „das Protokoll“ und Berichte dazu, umfasst mitsamt der Kommentierung knapp 300 Seiten (S. 249-540). Nach seinem Tod hat sein Assistent Wolfram Schneider-Lastin die Arbeit zum Ende geführt. Die unbedingt notwendige historische Einleitung hat Martin Jung, der Kirchenhistoriker aus Osnabrück (früher Professor in Basel) geliefert, (S. 29-199). Das Protokoll ist erschlossen durch sorgfältige Register (auf über 200 Seiten): Bibelstellen, Quellen, Personenverzeichnisse. Die enorme Kenntnis nicht nur der Bibel, wo Jesaja, Johannes-Evangelium und Paulus mit 1Korinther hervorragen, sondern auch der Theologen der Antike (Kirchenväter) beeindruckt, und ganz genau hatten sie die Bücher der jeweils anderen Seite studiert. Erstaunlich wenig werden das Kirchenrecht  (Corpus iuris Canonici) und die Konzilien zitiert. Besonders wertvoll sind die bio-bibliographischen Artikel zu den Personen des 16. Jh.s mit ihren Werken. Der Text beruht auf nicht weniger als fünf handschriftlichen Protokollen und drei weiteren Überlieferungen, wobei die von Thomas Murner, dem elsässischen Franziskanermönch, in Auftrag gegebene gedruckte Fassung so voller Fehler ist, dass sie nicht die Grundlage bilden kann. Viele Wörter des Frühneu-Hochdeutschen in alemannischer Färbung sind in den Anmerkungen erklärt.

Insgesamt sorgten die Vertreter der Eidgenossenschaft für ein faires Gespräch, das sich positiv abhebt von den Verhören, die das Urteil schon vorwegnehmen und später mit dem Schwert exekutieren. Ein Verweis auf die Disputation im ostfriesi­schen  Oldersum 1526, die ähnlich die Sicherheit universitärer Freiheit verließ, wäre der Rede wert.[4] Das Buch ist eine hervorragende Ausgabe, die weit über die spezielle Disputation hinausgehende Information über die Schweizer und die Reformation im Elsass und Deutschland liefert. Wer immer sich mit Reformation beschäftigt, wird dieses Buch mit Gewinn zu Rate ziehen.

 

24. Februar 2016

Christoph Auffarth
Religionswissenschaft

Universität Bremen

E-Mail: auffarth@uni-bremen.de

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[1] „altgläubig“ verwendet man anstelle von „katholisch“, weil erst mit dem Tridentinischen Konzil (1545 – 1563) sich aus der gemeinsamen mittelalterlichen latein-europäischen Kirche eine katholische Kirche ausdifferenzierte. Statt des früher üblichen Begriffs „Gegenreformation“ verwendet man heute Konfessionalisierung der drei Konfessionen, wobei zunehmend deutlich wird, dass es neben scharf gezogenen Grenzen auch Gemeinsamkeiten und Verbindungen gibt, dazu  Kaspar v. Greyerz; Man­fred Jakubowski-Tiessen; Thomas Kaufmann; Hartmut Lehmann (Hrsg.): Interkonfessionalität – Trans­konfessionalität – binnenkonfessionelle Pluralität. Neue Forschungen zur Konfessionalisierungsthese. (SVRG 201) Gütersloh: GVH 2003.

[2] A parte (lat.) nennt man auf dem Theater Bemerkungen, die ‚zur Seite‘ gesprochen, so dass die Zuschauer sie hören, nicht aber die andere Person auf der Bühne.

[3] Inhaltsverzeichnis http://d-nb.info/1045236047/04

[4] Die Oldersumer Disputation von 1526. Zweisprachige Edition der Darstellungen Ulrichs von Dornum (Übersetzung Gerhard Ohling) und Laurens Laurensens (Übersetzung Enno Schmidt). Hrsg. von Martin Tielke. Oldersum 2009. Rez. Auffarth, Jahrbuch der Gesellschaft für Niedersächsische Kirchenge­schichte 108 (2010), 269-272.

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