Mahabharata – Die Große Erzählung von den Bharatas
In Auszügen aus dem Sanskrit übersetzt, zusammengefasst und kommentiert von Georg von Simson
Berlin: Verlag der Weltreligionen 2011
927 Seiten
ISBN: 978-3-458-70031-9
D: 54,00 €
Das indische Riesen-Epos, die Mahabharata, erschlossen
Eine Schlacht zwischen den beiden Brüdern bzw. deren Familien, dem blinden König Dhirtarastra und Pandu, die alle Götter und Kämpfer zusammenführt, wird ‚in 18 Tagen‘ vorbereitet und wogt hin und her. 18 Bücher sind gefüllt mit Kampfhandlungen und Gesprächen unter Göttern und Menschen, die alle Fragen des Lebens, alle Landschaften Indiens, die Schöpfung und den Untergang berühren. Am Ende sind alle Krieger gefallen – ein von den Göttern geplantes Ziel, weil sich die Krieger (kśatrijas) viel zu stark vermehrt hatten (ein Motiv, das auch in dem griechischen Epos Ilias anklingt). Das berühmte, in über 100 000 Sanskrit-Versen verfasste Riesen-Epos, der Sinn von Krieg und Ritualen, dies konnte man außerhalb Indiens bisher nur in mehr oder weniger knappen Nacherzählungen oder in dem Film von Peter Brooks (1989) genießen. Die kritische Ausgabe des Riesen-Epos (The Mahābhārata. Ed. by Vishnu S. Sukthankar. Poona: Bhandarkar Oriental Research Institute 1933–1959) umfasst 21 Bände (oft Tausendseiter) und sechs Bände Indices (1969–1972). Eine englische gekürzte Übersetzung bietet John D. Smith als Penguin Classic (2009) auf 900 Seiten.
Der Verlag der Weltreligionen wagt nun eine deutsche Teilübersetzung[1] von Georg von Simson. Mutig, aber auch notwendig für eine Bibliothek der großen Texte der Weltreligionen, denn das Epos bildet neben dem Ramayana den Bezugspunkt für die Mythen des Hinduismus. S. ist eine exzellente Wahl als Bearbeiter für diese Aufgabe, gilt doch der in Oslo als Professor emeritierte Indologie als die Autorität auf dem Gebiet. Er gibt eine sorgfältige, eher konservative Übersetzung, die auch die Eigennamen in korrekter Umschrift wiedergibt, sowie konzentrierte und genaue Erklärungen. Lange übersetzte Passagen lassen die Erzählweise gut erkennen. Sie setzt die Rezitation immer wieder in einen Kontext, d.h. eine Tafelrunde will etwas zur Unterhaltung hören und dann wird das Epos im Epos vorgetragen. Sprichwörtlich geworden ist heute Indras Welt als sinnenfreudiger Ort der Belohnung für die gefallenen Krieger (T 9: III 43–45). Die Perle des Epos bildet die Bhagavad Gita VI 23–40: Ein konzentriertes Gespräch zwischen dem an seiner Aufgabe als Krieger zweifelnden Helden Arjuna, ob es denn einen gerechten Krieg geben könne, und dem scheinbaren Wagenlenker, der in Wirklichkeit der Gott Vishnu ist. In dem Pflichtenkonflikt rät der Gott nicht zum Ausweichen oder zur Weltflucht. So entstand ein Gespräch über die Grundpfeiler des Hinduismus in rund 700 Versen. Die Gita ist bereits im Verlag der Weltreligionen als eigenständiges Buch veröffentlicht.[2]
Aber das Epos als Ganzes vorzustellen und wichtige Teile daraus im Wortlaut zugänglich zu machen, ist die eine Leistung; dazu kommt eine gut lesbare Einführung (S. 583–706), ein Kommentar zu einzelnen Versen von knapp hundert Seiten, eine Karte und die genealogische Übersicht, sowie ein Glossar zu den Sanskrit-Namen und wichtigen Begriffen (S. 801–832). Dazu die Bibliographie und ein Namen- und Sachregister – das bei den großen Lemmata unterteilt sein sollte, wie etwa bei „Gandhari (Tod der ~)“ geschehen. Am Abschluss eine Doppelseite zu Transliteration und Aussprache (S. 919 f.) und das ausführliche Inhaltsverzeichnis. Die Einführung klärt konzentriert in einer verständlichen Sprache die historischen Kontexte des über einen langen Zeitraum entstandenen Epos bis zu seiner Schlusskomposition, vom 4. Jh. v. bis 4. Jh. n. Chr. Der Abschnitt Religion, Moral und Philosophie erklärt kurz das vedische Erbe und seine Ritualordnung, die die Welt zusammenhält, die Bewegungen zur Weltabkehr und dann die großen Götter Brahman und Śiva, Vishnu als höchste Gottheit, die den Menschen zugewandten Götter wie Krishna und deren Avatare. Eine gute Orientierung für die mythologischen Aspekte hat S. auf S. 700–702 zusammengestellt. Der Abschnitt endet mit einer Überlegung zu zyklischen Zeitvorstellungen. Es folgt der Abschnitt Autorschaft, Werkentstehung und Datierung über die Quellen. Die literarische Qualität ist dann beschrieben in Aufbau des Mahabharatas, Sprache und Stil. Die Wirkungsgeschichte verfolgt die Rezeption in Indien und im übrigen Asien, im Westen, die kritische Ausgabe, fasst die Forschungsgeschichte der letzten zwei Generationen zusammen. Die einzelnen Bücher leitet S. im Kommentar je mit einer knappen Beschreibung von Inhalt und Bedeutung ein. Alles wird für die erfolgreiche Navigation in diesem Ozean der immer neuen Mythen, Weisheiten, Helden und Göttern getan. Endlich können deutsche Leser nicht nur einen Gesamteindruck des riesigen Epos erlangen, sondern auch die Details in übersetzten und kommentierten Textausschnitten wahrnehmen. Ein großer Gewinn, dank des Verlages der Weltreligionen und der Stiftung forum humanum (Udo Keller)!
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[1] Trotz 580 Seiten Text und Zusammenfassung rechnet S. damit, nur etwa fünf Prozent übersetzt zu haben (S. 705).
[2] Übersetzt und erklärt von Michael von Brück (2007).
Christoph Auffarth
Religionswissenschaft
Universität Bremen