White gaze

Blicke, die töten oder „schön machen“
Innerhalb nur weniger Sekundenbruchteile testen wir unser Gegenüber. Gefährlich oder nicht gefährlich? Daß wird das machen, ist menschlich – allzu menschlich. In der Frühzeit hing davon ab, ob man überlebt oder nicht: Ob man die Umriss des Säbelzahntigers im Gebüsch erkennt oder nicht, ob man im Anderen den Freund oder den Feind erkennt. In der Grundanlage sind wir ängstlich-skeptisch.

Heute müssen wir uns aber durchschauen: Mit welchen Schablonen, mit welchen Filtern mit welchen schwarz-weiß- Brillen wir der Realität begegnen und Menschen und Dinge bewerten und beurteilen.

Ein einziger Blick kann widerlicher sein, als mit strahlend weißen Turnschuhen in Hundekot zu treten. So beschreibt Hengamed Yaghoobifarah im Essay „Blicke“, wie die Angehörigen von Minderheiten Diskriminierung im Alltag erfahren.

Ein Blick sucht Kategorien. Er ordnet Menschen ungefragt ein: dick, queer, behindert, Ausländerin. Im Blick vollzieht sich das Othering – die Abgrenzung der vermeintlich eigenen gegenüber einer vermeintlich andersartigen Gruppe. Dieser wertende Blick vermittelt Minderheiten, dass sie nicht den Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft entsprechen.

Im Englischen wird dieser Blick als white gaze, also als „weißer Blick“ bezeichnet. Der Blick des weißen Deutschen testet innerhalb eines Sekundenbruchteils, ob das Gegenüber „weiß genug“ ist, um zum Beispiel in Deutschland „deutsch genug“ zu sein. Alles, was dieser weißen Norm nicht entspricht, gilt als „anders“ oder „fremd“.
Dieses Othering führt zu Alltagsrassismus. Der weiße Polizist liest eine Person mit einem Blick als nicht-deutsch oder muslimisch und fragt ohne Anhaltspunkte nach ihren Papieren. Eine weiße Frau umklammert ihre Handtasche, weil eine Person in die Bahn steig, die sie als Roma und gefährlich liest. An der polnischen Grenze zur Ukraine, werden bestimmte Flüchtlinge mit schnellen Blicken „aus-ge-lesen“.
Der „weiße Blick“ wird den Zugehörigen der Mehrheitsgesellschaft schon im jüngsten Alter antrainiert. Wie trainieren wir ihn wieder ab? Mit Vertrauen, mit echten Begegnungsräumen?
Erkenne dich selbst und deine Art, Menschen mit Blicken zu „töten“.

Wie anders der Blick den Liebenden: „Wenn du mich anblickst, werd‘ ich schön, schön wie das Riedgras unterm Tau.“ – schreibt Gabriela Mistral im Gedicht (https://www.deutschelyrik.de/scham.html). Das Ich wird am Du. Im Blick des Anderen (Emmanuel Lévinas: Die »Spur des Unendlichen« im Anblick des Anderen macht diesen für mich unendlich kostbar. Das zwingt mich in eine strikte »Verantwortung« für ihn.). Blicke die aufbauen, Blicke die Leben schaffen. „Der Blick Gottes bewahrt die Welt vor dem Zurückstürzen ins Nichts.“ (D. Bonhoeffer in: Schöpfung und Fall, DBW Band 3, Seite 42). „Deine Augen sahen mich, als ich noch nicht bereitet war,…“ (Ps 139,16). Für mich sehr bewegend: Der Blick Jesu! Von dem jungen Mann, der zu Jesus kam und sich für die Nachfolge interessierte hören wir: „Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb“ (Mk 10,21). Und Petrus, zuerst erlebt er den „weißen Blick“ der Leute: „Du bist doch auch einer von denen“). Anders dann der Blick Jesu: Als die Blicke sich begegnen (Lk 22, 61), der Blick von Jesus und der Blick von Petrus, weint er bitterlich. War es ein Blick der Liebe, gibt es eine Art von Beschämung, die nicht demütigt?

Literatur: Eure Heimat ist unser Albtraum, (hg. v. Fatma Aydemir, Hengameh Yaghoobifarah) 2019

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Krieg und Gewalt

Post und Umfrage Reli2go auf Insta

Post 1 Reli2go auf Insta
Ein unpopulärer Gedanke. Überall trifft man auf Hobbystrategen für den Umgang mit Putins Angriffskrieg. Viele rufen auf zur weiteren Mobilmachung aller – auch der Wohlstands-FB-Nutzer hierzulande! Ich will mich eigentlich nicht daran beteiligen, denn allzuschnell geraten die leidenden Menschen aus dem Blick. Meine Solidarität gilt diesen Menschen. Wie gruselig ist es, wenn mir junge Menschen mit leuchtenden Augen erzählen (gemäß Tiktok), wie viele Russen Wladimir Klitschko getötet habe… oder jener ukrainische Pilot, der 8 russ. Jets abgeschossen habe… #Kriegshelden als Soc.Media-Stars?
Bei unserer Demo gestern hier gingen um 11.30 Uhr die Sirenen los. Mir lief es eiskalt den Rücken runter. Leider fehlen mir wirkmächtige Demo-Rituale wie „We shall overcome“ oder Menschenketten…
Am Abend davor wurde mein Sohn in einen Konflikt mit einer Gruppe junger Russen verwickelt, weil er und seine Freunde sagten, dass sie pro-Ukraine seien. Die Polizei rückte mit drei Einsatzwagen an.

Also nur ein vorsichtiger Gedanke:
Falls die These stimmt: Putin kann nur von den eigenen Leuten (Volk od. Oligarchen od. Militär) zum Umdenken und Abdanken gebracht werden.
These 2: Falls es stimmt, dass der beeindruckende Verteidigungskrieg der Ukrainer samt deutscher Waffen aussichtslos ist.
Mgl. Folgerung (also = das kleinere Übel): Kapitulation (unter einigermaßen akzeptablen Bedingungen) und über Jahre durch westl. Sanktionen uam. (!) die russ. Machthaber mürbe machen…bis sie selbst das System Putins stürzen.

Post 2 Reli2go auf Insta
Der Philosoph und Bestseller-Autor Richard David Precht hat die westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine scharf kritisiert.
Precht steht wegen seiner provokanten Aussagen immer wieder in der Kritik. Zuletzt stellte er den ukrainischen Widerstand infrage, indem er erklärte: „Natürlich hat die Ukraine ein Recht auf Selbst-verteidigung, aber auch die Pflicht zur Klugheit, einzusehen, wann man sich ergeben muss.“ … Hoffnung verspreche, so Precht, nur „ein schnelles Ende des Krieges mit einer neutralen Ukraine“ sowie ein baldiger Abtritt „des kranken und moralisch bankrotten Putin“

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Teamgeist und Heiliger Geist!

Seit über 30 Jahren spiele ich Volleyball in verschiedenen Mannschaften. Mein Höhepunkt war die Unimannschaft von Edinburgh in Schottland, wo ich u.a. Theologie (Divinity) studiert habe. #Volleyball ist ein schneller, agiler und fairer #Sport. Faszinierend. Es heißt: „Agilität und Teamgeist sind die Schlüsselqualifikationen für das 21. Jahrhundert.“ Beim Volleyball übt man es. Ich finde es gehören auch Leidenschaft und Präzision dazu.
Als Außenangreifer liebte ich diesen Spielzug im Video mit dem einbeinigen Absprung zum Schmettern (sog. „#Einbeiner“). Fast immer erfolgreich, weil es für den Gegner durch das hohe Tempo und die Erwartung, dass ein „Aufsteiger“ in der Mitte kommt, nur ganz schwer vorher zu sehen ist. Es hängt viel an dem guten Steller.
Auch mit Freizeitmannschaften (meist Mixed Teams, mit älteren Herrschaften) haben wir mehrfach gegen hochrangige Ligamannschaften gewonnen, weil wir als #Team agierten, viel Erfahrung da war und wir psychisch nicht so schnell aufgaben, wenn mal was schiefging (3-mal hintereinander geblockt werden z.B.).

Vielleicht fragt ihr euch, wieso dieses Thema bei @Reli2go? Ich habe mir oft die #Jüngerschaft Jesu als Volleyballteam vorgestellt. (Manchmal vielleicht bei Entscheidungen auch 6 gegen 6?) #Jesus als Coach oder eher als Spielführer, der selbst „mitspielt“? Oft im Neuen Testament wird der „Geist“ (vgl. 1 Korinther 12, 13) beschworen in einer #Gemeinschaft. Lest nur mal: Hebräer 10, 24-25, oder 1. Korinther 1,10, oder Römer 12, 16. Ich meine, dass man den Teamgeist durchaus als „Gleichnis“ für die „göttliche Geistkraft“ nehmen kann.


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Der blinde Seher (Bileam)

Für einen Tag der Stille und Meditation zu 4. Mose 22 (-24) (Hartmut Friebolin)

Die Bileamsgeschichte beginnt in Kapitel 22 und geht bis Kapitel 24. Ich möchte empfehlen, sich auf das Kapitel 22 zu konzentrieren. Und da vor allem die Verse 21-31 morgen Vormittag – nachmittags dann auch mehr, etwa bis Vers 35.

I. Eine Vorbemerkung:

Bileam ist ein Seher, einer, der einen besonders guten Draht nach oben hat. – Und dieser Bileam kommt an eine Grenze. Er hat gehört, was Gott von ihm will, nämlich, dass er das Volk Israel nicht verfluchen (Vers 6) soll – obwohl es der Moabiterkönig Balak eigentlich von ihm fordert. Auch nicht für viel Gold und Silber. Dann heißt es: Vers 20 In der Nacht kam Gott zu Bileam und sprach zu ihm: Wenn die Männer ((von dem König Balak erneut)) gekommen sind, um dich zu holen (um zu verfluchen), dann mach dich auf den Weg, und geh mit! Aber du darfst nur das tun, was ich dir sage.“ Gott hat ihm das gesagt – und er geht los. Gleich darauf Vers 22 wird Gott aber zornig, weil Bileam mitgegangen ist. Ein seltsamer Widerspruch.

Und in der ganzen Geschichte (Kapitel 22-24) kann man dieses scheinbare Schwanken in den Anweisungen Gottes beobachten. Erst soll Bileam die Boten des Königs Balak wieder wegschicken, dann doch nicht, – jetzt soll er doch mitgehen – und dann wird Gott zornig darüber – warum nur dieses Schwanken?

Ich sage das gleich vorneweg – eben als Vorbemerkung – , weil einen das Grübeln darüber leicht aus dem Tritt bringen und aus dem Betrachten herausreißen kann. Mir ging das so. Und mir hat dann folgender Gedanke geholfen: Gott geht es bei allem um ein Glaubenswachstum des Bileam. Nicht eine „Befehl und Gehorsam- Haltung“, sondern wachsende Glaubenserkenntnis. Ähnlich wie bei Isaak (Gen 22), sein Vater Abraham soll auf Geheiß Gottes seinen Sohn opfern, und dann verhindert es Gott selbst. Ziel dabei ist, dass Abraham und hier Bileam im Glauben wachsen und reifen. Und in unserer Geschichte soll Bileam, der blinde Seher, der nicht Tairesias (vgl. Antigone) heißt, sondern Bileam, der soll sehend werden: „31 Nun öffnete der Herr dem Bileam die Augen, und er sah…“ Doch davor erlebt Bileam Hindernise, Grenzerfahrungen.

Wir lesen 4. Mose 22, die Verse 21-31:  Der Seher Bileam:

21 Am Morgen stand Bileam auf, sattelte seinen Esel und ging mit den Hofleuten aus Moab.

22 Aber Gott wurde zornig, weil Bileam mitging, und der Engel des Herrn trat Bileam in feindlicher Absicht in den Weg, als Bileam, begleitet von zwei jungen Männern, auf seinem Esel dahinritt.

23 Der Esel sah den Engel des Herrn auf dem Weg stehen, mit dem gezückten Schwert in der Hand, und er verließ den Weg und wich ins Feld aus. Da schlug ihn Bileam, um ihn auf den Weg zurückzubringen.

24 Darauf stellte sich der Engel des Herrn auf den engen Weg zwischen den Weinbergen, der zu beiden Seiten Mauern hatte.

25 Als der Esel den Engel des Herrn sah, drückte er sich an der Mauer entlang und drückte dabei das Bein Bileams gegen die Mauer. Da schlug ihn Bileam wieder.

26 Der Engel des Herrn ging weiter und stellte sich an eine besonders enge Stelle, wo es weder rechts noch links eine Möglichkeit gab auszuweichen.

27 Als der Esel den Engel des Herrn sah, ging er unter Bileam in die Knie. Bileam aber wurde wütend und schlug den Esel mit dem Stock.

28 Da öffnete der Herr dem Esel den Mund, und der Esel sagte zu Bileam: Was habe ich dir getan, daß du mich jetzt schon zum drittenmal schlägst?

29 Bileam erwiderte dem Esel: Weil du mich zum Narren hältst. Hätte ich ein Schwert dabei, dann hätte ich dich schon umgebracht.

30 Der Esel antwortete Bileam: Bin ich nicht dein Esel, auf dem du seit eh und je bis heute geritten bist? War es etwa je meine Gewohnheit, mich so gegen dich zu benehmen? Da mußte Bileam zugeben: Nein.

31 Nun öffnete der Herr dem Bileam die Augen, und er sah den Engel des Herrn auf dem Weg stehen, mit dem gezückten Schwert in der Hand. Da verneigte sich Bileam und warf sich auf sein Gesicht nieder.

Als Hinführung möchte ich euch vorschlagen, an eurem Tag der Stille morgen, für euch aufzuschreiben, was Ihr in den letzten drei Tagen gehört habt, was Ihr für euch als gut, wichtig, wahr angenommen habt – oder wirklich annehmen möchtet. Wo Euch Gottes Willen klarer wurde. Das als erstes, dass es nicht verloren geht.

Denn es werden auch bei uns Hindernisse kommen, das Gehörte in die Tat umzusetzen, dass es tatsächlich unseren Alltag prägen wird.

Hindernisse, Probleme, Anfechtungen, Grenzerfahrungen. Wir machen sie oft – die Frage ist, sehen wir sie im Zusammenhang mit dem als wahr Erkannten? Sehen wir die Hindernisse als Sachzwänge, Schicksal oder als Hinweise Gottes. Ein schöner Spruch von Gertrud von Lefort mag da Mut machen: „Die Grenzen der Menschen sind das Einfallstor Gottes.“

Frage: Wie gehen wir mit unseren Grenzen um? Nach den vier Persönlichkeitstypen von Fritz Riemann kann man etwa sagen: Dem Zwanghaften geben die Grenzen Halt, der Hysterische versucht sie zu überwinden, weil sie einengen, der Depressive nimmt sie als Schicksal hin, fügt sich, der Schizoide sieht sie als Herausforderung und sinnt über sie nach. Wie ist es mit meinen Grenzen, auch mit den Grenzen der Gemeinschaft? Sind sie hausgemacht oder von Gott, gibt mir diese Grenze mein gesundes Maß, provoziert sie mich zu „mehr“, zu dem berühmten ignatianischen MAGIS. Mehr sehen, ein Mehr an Sendungsbereitschaft, ein Mehr an Glaubensvertrauen? Meine Grenzen als Einfallstor Gottes – um mich zu verwandeln?

Also: Zuerst aufschreiben, was habe ich gehört, was ich festhalten will? Möglichst kurz, einfach und prägnant. Das Zweite: Welcher Gewohnheit folge ich im Umgang mit Grenzerfahrungen?

– Ich weiß, damit kann man schon einen Morgen füllen – aber wir wollen ja noch weiter!!

II. Die Betrachtung des Bildes  

Was wir hier haben, das ist das Bild einer Wanderung, einer Reise. Das ist ein schönes Bild, für die meisten reich an Erinnerungen, Gefühlen, beglückenden Situationen, vielleicht Erfahrungen von Bewahrung, wo Freundschaften entstanden sind, auch Erfahrungen der Verwandlung, denn „unterwegs wirst du ein anderer Mensch.“ (… Vers 34)

Bileam ist ein Seher, ein Prophet mit göttlichen Kräften, ein Medium würden die Esoteriker sagen. Er ist über die Grenzen des Landes hinaus bekannt: „Wen du segnest, der ist gesegnet; wen du verfluchst, der ist verflucht.“ (Vers 6)

Das Volk Gottes ist auf dem Durchzug – ist unterwegs – und lagert sich im Gebiet der Moabiter – der König von Moab bekommt nun Existenzängste, Besitzstandwahrung ist angesagt, „Die fressen mir alles weg!“ ist die Urangst dabei.  Und Bileam soll nun kommen und das Volk verfluchen – für viel Gold und Silber. Balak schickt mehrfach Boten zu Bileam, um ihn zu holen – auf dass er seinen Fluch spreche – damit Balak mit den Soldaten das Volk leichter ermorden kann.

Da ist kein antiquiertes Geschehen sondern sehr modern. Wer die Priester gehört hat vor Kriegen des 20. Und 21. Jahrhunderts weiß das. Etwa der Priester vor dem Abflug der Maschienen nach Hieroshima. Oder im Juni 2005 als das Video aufgetaucht ist, auf dem man einen orthodoxen Priester erkennt, der ein Segensgebet für die Militzsoldaten spricht, bevor sie dann das Massaker von Srebrenica begangen haben: „Oh, Herr gibt der Armee deiner Gläubigen die Übermacht über das feindliche Volk . Im Namne des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“ Das ist gruselig – wie Gottes Macht hier mißbraucht wird.

Und das ist ja kein Pfarrerproblem, oder ein Amtsproblem, sondern wir alle als Berufschristen segnen und werden zum Segnen genötigt – manchmal durch unsere bloße Anwesenheit – an einem Ort oder in einem Gremium.

Bileam nun weigert sich, weil Gott es ihm verbietet, zu verfluchen. Und dann geht er doch – zieht er los – und unterwegs wird er ein anderer Mensch.

Ich möchte euch nun für die Betrachtung empfehlen die sechs Stationen der Bileamreise allegorisch zu betrachten. D.h. die einzelnen Stationen der Reise je für sich zu betrachten und zu vergegenwärtigen und zu übertragen. Ich sehe hier den Esel, Bileam und den Engel als eine Einheit. Auch wir wissen was gut ist – und wollen es doch nicht wahrhaben und wahrmachen.

Also die erste Station: Vers 21: Es ist Morgen, Bileam sattelt den Esel und geht los.

D.h. Aufbruch – wie? In welcher Verfasung ist Bileam? Welche Hoffnung treibt ihn?

[- Dann Gottes Zorn – die Kehrseite seiner Liebe, die anderer Seite der Medaille – der Liebe die uns verwandeln will-]

Die 2. Station: Gott schickt ein Hindernis in den Weg – der Esel nur sieht – und er weicht aus auf ein Feld nebenan. Ausweichen! Umwege gehen um Hindernissen aus dem Weg zu gehen.

3. Station: Erneutes Hindernis, in einem Hohlweg, es wird dichter, enger. Um die Konfrontation zu vermeinden, wird einen Verletzung in Kauf genommen. Was fällt mir dazu ein?

4. Station: Unvermeindliche Konfrontation- „es kann so nicht weitergehen wie bisher!“ – aber Bileam dreht durch, Gefühle kochen hoch, Agression und Projektionen auf Schwächere geschehen, weil man dem Eigentlichen nicht in die Augen sehen will.

5. Station: Dann: Der Esel redet, ein Freund, das Gewissen, die Erinnerung, ein biblisches Wort… wer auch immer! Es beginnt ein Prozess der Selbsterkenntis bis zu dem Punkt des Eingeständnisses fehlenden Vertrauens. Vers 30: „Da musste Bileam zugeben…“

6. Station: Bileam sieht und schweigt in ehrfuchtsvoller Anbetung. Vers 31 – wie auch schon der Esel in Vers 27, der auf die Knie geht.

III. Drei Erwägungen

Die Bildstufe ist also eine Bilderfolge – sie gipfelt in der Anbetung und im Schweigen Vers 31.

1. Erwägung: Dasselbe – aber anders.

In dem Ductus /der Abfolge der ganzen Bileamgeschichte könnten wir die Verse 21-35 ohne Probleme heraus nehmen – die Geschichte würde weiterhin Sinn machen. Aber was würde der Geschichte dann fehlen? Überlegt mal!

Sie würde an Tiefe verlieren, aber sie wäre weiterhin schlüssig. Wir können diese Verse einmal nicht als äußere Handlungen betrachten, sondern als einen inneren Prozess des Kampfes, des Ringens mit sich und mit dem als wahr Erkannten und Gehörten (vgl. die Vorübung für den heutigen Tag!!). Das ist ein gefährlicher Kampf, bei dem man umkommen kann.

Das Ziel dieses Kampfes ist nicht – den Weg irgendwann abzubrechen – sondern denselben Weg anders zu gehen. Aber wie? Bileam soll selbst erkennen, was auf dem Spiel steht? Vielleicht ist es das – ich mache ein paar Vorschläge: Bileam soll nicht mehr bloß nach dem Handlungsschema „Befehl und Gehorsam“ leben. Das ist ja das typisch fundamentalistische Denkschema. Und dabei fehlt eben die Freiwilligkeit, denn „Der Mensch wird des Wegs geführt, den er wählt.“ So sagt es der jüdische Talmud. 

Bileam soll selber als Person dabei sein, mit drin, mit Hingabe (vgl. Vers 31). Mit Selbsterkenntnis, bis ins eigene Sünder-sein. Ohne Projektionen und Übertragungen auf den Schwächeren. Mit Selbsterkenntnis in das eigene Aggressionspotential – es geht ja auch um die Vernichtung des Exodusvolkes.

2. Erwägung: Gott will Verwandlung – nicht Veränderung

Vers 31 „Nun öffnete der Herr dem Bileam die Augen, und er sah den Engel des Herrn auf dem Weg stehen, mit dem gezückten Schwert in der Hand. Da verneigte sich Bileam und warf sich auf sein Gesicht nieder.“

Gott verwandelt!

Von Reinhard Deichgräber – aus seinem Büchlein „Unterwegs wirst du ein anderer Mensch! Vom Wunder der Wandlung.“ (Seite 10ff.) – habe ich folgende schöne Unterscheidung: die Unterscheidung zwischen Verwandlung und Veränderung. Gott zielt auf Verwandlung und nutzt dabei unsere Grenzen. Was ist der Unterschied?

Im Verändern sind wir groß. Im Ändern sind alle modernen Gesellschaften groß. Wir bezeichnen solche Veränderungen gerne als Reform und haben damit auch ein schönes, anspruchsvolles Wort, das freilich etwas hochstaplerisch klingt. Etwas ändern scheint darum auch im Allgemeinen nicht sonderlich schwierig. Zu einer Änderung bedarf es eines vernünftigen Konzepts, rationaler Planung und vor allem eines starken Willens zur Durchsetzung. Änderungen sind in einem hohen Grade machbar. Verwandlungen sind es nicht. Sie sind anderen Gesetzen unterworfen als unsere Reformen. Wer sich nach Verwandlung sehnt, findet keine Methode und keine Gebrauchsanweisung, die bei sorgfältiger Beachtung den Erfolg garantiert. Ver-Wandlungen vollziehen sich leise und unmerklich. Sie werden nicht produziert und kontrolliert, sondern mit Demut wahrgenommen und empfangen. Die Kräfte, die Verwandlung bewirken, sind geheimnisvoll; sie lassen sich nicht verfügbar machen. Ein eigenartiger Zauber scheint hier wirksam. Jede Verwandlung ist ein Wunder. Wie die Begegnung mit einem Engel.

Ich frage nun: Kann der Mensch wirklich nichts zum Verwandlungsgeschehen beitragen? Kommt es über uns wie ein Naturereignis, dem wir willenlos ausgeliefert sind? Wir sind doch nicht ein Stein oder ein Stück Holz, das der Fluss mit sich fortspült! Was ist unsere Verantwortung?

Es bleibt dabei: Wir können Verwandlung nicht produzieren. Wir können sie weder planen noch organisieren. Wir können sie auch nicht berechnen oder kontrollieren. Wir können sie nicht behördlich anordnen oder verbieten. Sie lässt sich weder beschleunigen noch drosseln.

Aber eins könn(t)en wir: Negatives: den Kräften der Verwandlung Widerstand leisten, ausweichen u.a.. Bileam ist das Beispiel dafür. Wenn wir den Wandel fürchten, wenn wir ihn nicht wollen, wird er sich schlecht oder gar nicht gegen uns durchsetzen. Nicht in irgendeinem Tun, aber im Geschehen-Lassen liegt unser Teil. In unserer Geschichte ist der Esel dafür ein Sinnbild: Mein Transportmittel führt mich in eine andere Richtung.

Und noch etwas können wir „machen“: Positiv: Bedingungen aufsuchen, die einem Wandlungsprozess günstig sind. Auf einer Einkehr/Tag der Stille heißt das, mit Ignatius v.L.: Sich disponieren. Ablenkungen vermeiden. Raus aus dem Alltagstrott u.s.w. Was heißt es aber für den Alltag? Welchen Weg wollen wir da gehen, damit unterwegs der Wandel – die Verwandlung über uns kommt, und am Ziel sind wir nicht mehr so wie damals.

3. kurze Erwägung: Gemeinschaft

Zu diesen günstigen Bedingungen gehört, dass wir in der Nähe von Menschen sind, die uns ergänzen und korrigieren. Dass wir in der Nähe von Eseln sind. Vielleicht auch von Engeln.

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„Innere Raum der Stille“

@Reli2go

Die Hundetrainerin Maja Nowak (Berlin) hat heute ein neues kleines Video ins Netz gestellt https://youtu.be/B-X5946rNAA . Sie hat schon einig Bücher geschrieben, die ich sehr gerne gelesen habe, weil sie so einen großen Respekt vor den Tieren und eine große innere Ruhe zeigt. Zuletzt hat sie eine Serie von kurzen YT-Videos veröffentlicht, wo sie mit unendlicher Geduld in der traumatisierten Hündin Pauline wieder Vertrauen weckt. Besser: zwischen ihnen ist Vertrauen gewachsen. Ich weiß, dass sie nicht unumstritten ist. So richtig nachvollziehen kann ich die Kritik nicht.

Nun beschreibt sie ihre Kernerfahrung so: in jedem Lebewesen gibt es eine „Essenz“, sie nennt es auch einen „Raum der Stille“. In dem können wir uns alle begegnen. Sie geht in diesen Raum und lädt die Tiere ein, ihr dort und damit in ihrer eigenen Essenz zu begegnen. Friedvoll, zart…
Vielleicht klingt das für dich zu esoterisch. Ich mag ihr dieses Etikett nicht aufkleben. Stattdessen suche ich nach dem Moment in mir, wo die Bilder und Worte eine positive Resonanz finden. Ich suche nach Sinn und vielleicht entdecke ich Gott.
Es ist der Benediktiner Pater Anselm Grün der immer wieder auch von so einem „inneren Raum der Stille“ spricht (Buchtitel „Der innere Raum“) Zitat: „Es gibt in uns einen Raum, in dem uns niemand verletzen kann. Meine königliche Würde kann mir niemand nehmen, auch wenn ich nach außen hin versage, schwach werde, verurteilt und gekränkt werde.“ Meinen die beiden vielleicht das gleiche?
Der innere Raum ist für A. Grün weniger Ort der Begegnung, eher eine Art Hoheitsgebiet. „Die Erfahrung des inneren Raumes, zu dem die Menschen und Probleme keinen Zutritt haben, ist für mich die Bedingung, mich auf Menschen einzulassen, ohne mich von ihnen vereinnahmen zu lassen, und mich den Konflikten zu stellen, ohne von ihnen gelähmt zu werden. Dieser innere Raum gibt mir die Freiheit, die Probleme anzupacken, weil ich eine gesunde Distanz zu ihnen habe. Sie rauben mir nicht die Energie, weil sie nicht bis ins Innerste vordringen können. Und dieser Ort Gottes in mir ist für mich zugleich die Erfahrung der inneren Quelle.“ (A. Grün)

@reli2go

Und nun höre ich von Maja Nowak, dass es diesen Raum auch bei Tieren gibt. Aus meiner Erfahrung mit meinem Labrador ahne ich, was sie meint. Manchmal gibt es so eine Art „Bonding“ zwischen uns. Und dann erinnere ich mich noch an eine persönliche Erfahrung, so etwas wie eine mystische Erfahrung, vor wenigen Jahren. Ich lief durch die Stadt und konnte plötzlich fühlen, was die Menschen, die an nur vorbeiliefen, fühlten. Da war eine tiefe Verbundenheit ohne den anderen die Freiheit zu nehmen. Re-ligio(n) als Verbundenheitserfahrung. Es war umwerfend. Ich hatte diese Erfahrung nur einmal. Vielleicht war es diese „Essenz“ oder die Begegnung in dem inneren Raum der Stille? Oder einfach ein Moment der Liebe, in der Gott ist (1. Joh 4,8)?

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Vollmächtige Prediger – oder die Macht der Stille

@reli2go

1. Große Prediger vor dem Herrn! Sicherlich gehören Martin Luther und Karl Barth dazu
Je ein Beispiel: Martin Luther eröffnet seine berühmte erste Invokavitpredigt am 9. März 1522 in Wittenberg mit den Worten: „Wir sind allesamt zu dem Tod gefordert, und keiner wird für den andern sterben, sondern jeder in eigner Person für sich mit dem Tod kämpfen. In die Ohren können wir wohl schreien, aber ein jeder muß für sich selbst geschickt sein in der Zeit des Todes: Ich werde dann nicht bei dir sein noch du bei mir. Hierin muß jedermann die Hauptstücke, die einen Christen angehen, genau wissen und gerüstet sein.“
Eines der berühmtesten Stücke der Predigtgeschichte. Luther behauptet nicht weniger, als dass jeder Christenmensch vor Gott unvertretbar ist, und dass er selbst sprachfähig sein muss gegenüber dem Herrn seines Lebens. Niemand darf sich zwischen ihn und Gott stellen – kein Priester, kein Kult, keine Institution… auch kein Prediger und „Rattefänger von Hamel“.

2. Der andere große Prediger – wir können ihn noch Original hören (Youtube) – eine Gefängnispredigt in Basel aus dem Jahr – K. Barth hat über einen Vers gepredigt: „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus.“ Joh 4, 18. Hören Sie mal ein wenig hinein. K. Barth hat da eine nette Idee, dieses „in der Liebe“ klingt für ihn wie ein „in einem Haus“ – hörne sie mal rein. Sie haben den Wortlaut auch vor sich…. Aber die Stimme dieses legendären Theologen und Predigers ist jetzt vielleicht mal wichtiger…
K. Barth 6. August 1961 Predigt im Gefängnis in Basel – zu 1. Joh 4, 18: „…Und eines ist ganz sicher: diese Liebe, also die Liebe, die wir meinen, wenn wir dieses Wort aussprechen und die wir vielleicht kennen oder also vielleicht nicht zu kennen behaupten – diese menschliche Liebe treibt die Furcht nicht aus. In Hause dieser Liebe gibt es auch im besten Fall viel Fracht, Furcht vor Enttäuschung, furcht davor, dass man einander verlieren könnte, Furcht vor der eigenen Vergangenheit, die wie ein großer Schatten von hinten her in unser Leben hineinfällt und Furcht vor der Zukunft, ein anderer Schatten, der von vorne da hereinkommt zu uns, Furcht vor den Leuten und Furcht vor sich selbst. Furcht vor dem Schicksal, Furcht vor dem Tode und dann wohl auch Furcht vor dem Teufel. Im Hause der menschlichen Liebe, da hausen auch im besten Fall die Gespenster der Furcht, Es kann deswegen immer noch ein recht schönes Haus sein oder doch so ein Schrebergartenhäuschen, wo sichs ganz gut leben lässt, aber nicht das Haus mit dem Paragraphen l, der lautet: Furcht ist nicht in der Liebe«
Und jetzt will ich euch etwas sagen von einem ganz anderen Haus und von einer ganz ändern Liebe, die heißt in unserm Wort die „vollkommene Liebe“, Also die Liebe in Fülle, nicht bloß so in kleinen Teilchen -und die Liebe, die bleibt,…“

3. Vollmächtige Prediger – Luther und Barth. Aber es geht auch anders. Ich habe von folgender Begebenheit gelesen: (D. Sölle erzählt in ihrem Buch „Mystik und Widerstand“):
Eine Studentin berichtete von ihrem ersten Besuch eines Gottesdienstes in einem Quäkerhaus – die Quäker, das sind Christen, ernste Jesusnachfolger, seit 17 Jahrhundert (George Fox) sehr friedliebend, die Bergpredigt ist ihnen sehr wichtig – sie leben radikalen Gewaltverzicht und Gleichberechtigung von Mann und Frau,– und dies Fremde, die Studentin kommt nun also in ein Quäkerhaus zu einem Gottesdienst- zu dem eine Freundin sie mitgenommen hatte.
Auf Holzbänken saßen die Menschen reihenweise einander gegenüber, schweigend. Nach zehn Minuten fragte sie, unruhig geworden: »Wann fängt es denn an?« Die ihr zugeflüsterte Antwort war: »Es hat schon begonnen.« Die Besucherin hat auf den eintreffenden Pfarrer gewartet, aber alle anderen saßen so gelassen und friedvoll da, daß sie nicht mehr wagte zu fragen. Das dauerte etwa vierzig Minuten. Dann stand einer der Teilnehmer auf und redete ein wenig. Die Studentin wunderte sich, dass der Pfarrer die ganze Zeit schon da gewesen ist. Als er sich hinsetzte, erhob sich eine Frau und sprach. Die Besucherin war ganz verwirrt, es gab noch einige Minuten Schweigen, und dann fingen alle an, sich zu begrüßen. Das Meeting war zu Ende. »Wo war der Pfarrer?« fragte die Besucherin ihre Freundin, die hell auflachte.
Sie verstand allmählich, dass alle teilnehmenden Frauen und Männer das waren, was man sonst »Geistliche« nennt, daß das gesammelte Schweigen der Gottesdienst war und daß es sich hier weniger um eine neue Lehre handelte als eine neue Art zu leben, die ihren Ursprung hat in dem, was Quäker seit dreihundert Jahren » auf den Herrn harren « nennen und im Schweigen praktizieren. Dieses schweigende Warten ist ihr Gottesdienst, eine in die Stille hineinhörendes Sich-Bereiten.
Das gemeinsame Schweigen. Die Freunde vereinigen sich in der Stille, mit der Stille und miteinander. Es geht nicht um eine individuelle Meditation, die zufällig in einem Gruppenrahmen stattfindet. Indem alle sich nach innen wenden, stimmen sie sich aufeinander ein. Die Stille der Quäkerandacht ersetzt die im Protestantismus traditionelle Predigt, deren wohlgesetzte Worte die Stille, in der ich hören lerne, nur stören würden.

4. Noch einen Schritt weiter: (Prof. Dr. Albrecht Grözinger in den Pastoralblätter vom Juni 2007: Von der Bedeutung der Pausen in einer Predigt)
Eine Wanderlegende, die unter anderem Martin Luther anhaftet. Es wird Folgendes erzählt: Luther ist bei seinen Predigthörerinnen und Predigthörern nicht immer auf Zustimmung und Wohlwollen gestoßen. Das ist vielleicht zu wenig bekannt. Der große Reformator, der uns von vielen Predigtkennern und Wissenschaftlern als DIE Größe und DAS Vorbild vor Augen gestellt wird, war in seiner Predigtpraxis nicht immer erfolgreich. Wir wissen auch von seinen eigenen Klagen über seine störrischen Wittenberger. Einmal hat er deshalb sogar einen Predigtstreik in Erwägung gezogen. Dies ist wohl der historische Hintergrund dafür, dass die besagte Wanderlegende unter anderem Martin Luther anhaftet. Also: Luther wurde von seinen störrischen Wittenbergern wieder einmal geraten, sich bei seinen Predigten weniger auf sein theologisches Wissen zu verlassen, sondern mehr auf den Heiligen Geist zu hören. Seine Predigten würden dadurch sicher lebensnaher und leichter zu hören. Luther hörte sich diesen Ratschlag ruhig an. Am nächsten Sonntag betrat er die Kanzel, schloss die Augen und sagte lange lange nichts. Endlich begann er zu sprechen: „Einige unter euch haben mir geraten, weniger auf meine theologische Kunst zu vertrauen, als vielmehr auf den Heiligen Geist zu hörten. Das habe ich getan. Ich habe heute keine Predigt vorbereitet, sondern habe die Kanzel betreten und hier und jetzt den Heiligen Geist gebeten, mir zu sagen, was ich predigen soll. Und er hat zu mir gesprochen. Wisst ihr, was er gesagt hat: ‚Bruder Martin, du bist faul gewesen!“

5. Bitte schlagen sie mal eine Lutherbibeln auf. Im Römerbrief Kapitel 10, den Vers 17. Da steht: Der Glaube kommt aus der Predigt. Also: Am Ort der Predigt entsteht der Glauben – Aber, das steht da nicht so: Im Griechischen steht da: Der „Gaube kommt aus dem Hören“ gr: [hä pistis ex akoäs] – . Das griech. Wort [akoä] bedeutet: Hören, Gehör, Gehörtes… Das ist doch spannend, oder? IM Hören geschieht etwas – und selbst das ist Unverfügbar. Das Entscheidende ist unverfügbar ist nicht in der Predigt sicher sondern im Hören unverfügbar– es bleibt ein Geschenk Gottes – ausdrücklich dem freien Willen Gottes (ubi et quando visum est deo, CA ) unterstellt wird. Der Glaube kommt nicht aus der Predigt – wie so eine welle über sie geschwappt… sondern im Hören auf ein unverfügbares Wort, im aufmerksamen Hören ereignet sich Glaube. Bei Ihnen passiert das Entscheidende!
6. Ich frage mich nun: Wie kann die Predigt selbst zeichenhaft auf diese Spannung verweisen? Unverfügbar und doch da? Kann eine Predigt ihre eigene Unverfügbarkeit zur Darstellung bringen?
Dieses Vermögen oder Unvermögen teilt die Predigt mit den Werken der Kunst.

7. Der Künstler Paul Cézanne hat das Bergmassiv bei Aix-en-Provence, die Montaigne Sainte-Victoire gemalt – aber nicht nur einmal, sondern immer und immer wieder. Die Betrachter seiner Bilder sollen das merken: Damit wird man nicht fertig, das kann man nicht machen. Und doch wird diese Botschaft des Nicht-machen-Könnens in kunstvoll gemachten Bildern ansichtig.
Der späte Cézanne verstärkt dieses Moment noch und lässt in seinen Bildern weiße Flächen stehen. Dies ist nicht Ausdruck nachlassender Schaffenskraft – im Gegenteil. Cézanne setzt mit diesen weißen Flächen ein Signal für den Betrachter. Gib dich nicht zufrieden mit dem, was du siehst. Gib dich aber auch nicht zufrieden mit dem, was ich meine gemalt zu haben.
Weiße Felder im Bild… Weiße Flecken in der Predigt? Wie das?
In der Predigt reden wir über Wahrheit, die immer zugleich Geheimnis ist. Wir hören Worte, und das entscheidende Wort ist doch nicht machbar, sondern Widerfahrnis. Verborgen und doch da!

8. ALSO: „Der Glaube kommt aus der Predigt“ – oder doch nicht? Aus dem Hören? Wir haben Luther und Karl Barth zu Wort kommen lassen. Da war die gemeinsame Stille der Quäker. Der heilige Geist, der zu Bruder Martin sagt: „Du bist faul gewesen!“ Und zuletzt Paul Cezanne, der weiße Flecken auf seinen Bildern gelassen hat, wegen der „unmöglichen Möglichkeit“.


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Ist etwas wahr, weil es schön ist?

Natürlich meine ich mit dieser Frage nicht, dass schöne Menschen eher die Wahrheit sagen. Es geht mir vielmehr um die Frage, ob eine Erkenntnis oder Einsicht, die ich habe, ob die Wahrheit dieser Einsicht auch „messbar“ ist an dem Kriterium der Schönheit. Also, ob sie wahr ist, weil sie schön ist.
In der Kunst sind Wahrheit und Schönheit subjektiv und liegen im Auge des Betrachters. In der Wissenschaft jedoch ist die Natur das Kriterium der Wahrheit (und der Gesetzmäßigkeiten). Trotzdem war und ist für viele Forscher Schönheit ein wichtiges Motiv bei ihrer Suche nach Wahrheit. Ich weiß noch, als vor vielen Jahren mein Vater (physikalischer Chemiker) fasziniert erzählte, wie er mithilfe einer spektroskopischen Methode die wunderbaren Strukturen von Molekülen anschaubar machen konnte.

Aber meine Frage geht ja noch einen Schritt weiter, nicht nur als Antrieb für die Suche, sondern als Kriterium? Es gibt eine kleine Schrift von Heisenberg über die Schönheit der Zahlen. Und Heisenberg ist es, der auf Einsteins Frage, warum er glaube, dass die Quantenmechanik richtig sei, antwortete: „Wenn man durch die Natur auf mathematische Formen von großer Einfachheit und Schönheit geführt wird…, so kann man eben nicht umhin zu glauben, dass sie , wahr‘ sind.“
Hier haben wir die Verbindung von Schönheit und Wahrheit. Oder: Zu schön, um nicht wahr zu sein – so verteidigte Einstein einmal seine Allgemeine Relativitätstheorie.
Schönheit führt uns also manchmal (oft?) zur Wahrheit (als Antrieb und ein Kriterium). Wir sollten uns aber nicht von ihr verführen lassen. Wahrheit kann kompliziert sein, selten ist sie simpel. Und die Natur ist komplex. Schönheit, Harmonie, Einfachheit, Symmetrie und Ordnung sind nur unsere Abbilder der Realität, nicht die Realität selbst.
Wir lassen uns gerne begeistern durch Überraschendes oder durch Einheit in der Vielfalt. Unser Schönheitssinn sowohl in den Künsten als auch in den Wissenschaften reagiert zudem oft auf Klarheit, manchmal auf Einfachheit, dann wieder auf Sparsamkeit, bisweilen auf Rätselhaftigkeit, zuweilen auf sinnenfrohe Pracht und – gerade in der Physik – besonders stark auf Symmetrie.

Schönheit bei Gott
– Für Gott vermute ich (mit Martin Luther in seiner Heidelberger Disputation 1518) eine kreative Liebe, die sich den Gegenstand ihrer Liebe schön macht (nicht „schönredet“). [„Die Liebe Gottes findet nicht vor, sondern schafft sich, was sie liebt. Die Liebe des Menschen entsteht nur an dem, was sie liebenswert findet.“ aus These 28]
– Gott, der Schöpfer und kontinuierlich in, mit und unter unserer Wirklichkeit Schaffende, für ihn ist „schön“ (Genesis 1, 31: war sehr „gut“ – im Hebräischen heißt das Wort auch „schön“), was er macht.
– Von der Geistkraft heißt es, dass sie uns „in die Wahrheit führt“ (Joh 16, 13) – und dafür alles gebrauchen kann: das Schöne und das Schwere.

Was könnte das alles für mich persönlich bedeuten?
Ich will meine Antennen etwas feiner stellen für die Schönheit. Gegen die Abstumpfung durch das Künstliche, gegen den Kitsch (= das Schöne ohne Arbeit). Auch für die innere Schönheit. Ich will keine Perfektion. Das Makellose ist gerade nicht schön. (In der Architektur des „Bauhauses“ galt das Gestaltungsprinzip: Symmetrie plus eine kleine Abweichung.) Vielleicht beißt sich gerade hier mein Empfinden für Schönheit mit der Faszination eines Heisenbergs oder Einsteins, für die die Schönheit in der Makellosigkeit einer Gesetzmäßigkeit oder eines Theorems aufleuchtete.
Gott selbst ist nicht perfekt – aber er ist voller Gnade, die Liebe selbst, Schönheit an sich.

Benutzte Literatur:
„Forschung und Lehre“ 2018 und 2019
https://www.forschung-und-lehre.de/

Spannend zum Thema auch die Ringvorlesung der Uni Heidelberg zu „Structures“
https://youtube.com/playlist?list=PLuRaSnb3n4kTHKFsd1sJeUf87XreNXriW

Gefrierende Blase bei minus 12 Grad von Insta:  @earthfervor

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Kirche: KLEINER – LANGSAMER – NÄHER

Wir brauchen keine Kirche nach dem Motto: „schneller, größer, weiter“, sondern: „kleiner, langsamer, näher“ (sinngemäß Klaus Douglass nach der Midi-Studie, was Menschen in der Corona-Krise brauchen, s. Link). Und dass wir auf die tatsächlichen kleinen Fragen des Alltags eingehen müssen. (guter Podcast mit K.Douglass https://open.spotify.com/episode/5TeEttHrAyA1YcdefMSE2O?si=4faf73baaa6d4b4b)

Midi-Studie: https://www.mi-di.de/media/pages/corona-studie/5e4a9c888f-1637318721/midi_studie_lebensgefuhl_corona.pdf


Meine persönlichen Erfahrungen dazu

Foto: Canva

1. Ich gehe regelmäßig ins Fitnessstudio. Dort treffe ich oft einen Muckiman, ich meine so richtig heftig! Wir grüßen uns freundlich, mehr nicht. Er hat meistens Ohrenstöpsel drin und hört 80er-Mucke. Neulich aber kam er auf mich zu, ich war gerade am Rudern. Er hatte seine Ohrenstöpsel schon draußen. Da fragte er mich: „Kannst du mich beerdigen!“ Ich war erstmal baff. Sagte dann: „Ja im Prinzip schon, aber muss ich mir Sorgen machen?“ Er wiegelte ab, „ne, ne… nur so…“. Aber es müsse in einem Friedwald sein. Ich erklärte ihm dann, dass das kein Problem sei und dass ich die Atmosphäre da auch toll fände. Dann habe ich zurückgefragt, ob er denn in der Kirche sei. Er verneinte dies, sei früher mal katholisch gewesen. Dann habe ich ihm gesagt, dass dies eine Gewissensentscheidung von mir wäre. Und dass ich Trauerfeiern sowieso hauptsächlich für die Angehörigen machen würde. Und dass ich dann im Friedwald seine Angehörigen auch erstmal jede/n 20 Liegestützen machen lassen würde… Er sagte dann (lächelnd): 30! …usw. nach maximal fünf Minuten sind wir beide wieder an unsere Folterinstrumente zurückgegangen.
Einige Wochen später in der Umkleide pöbelte ich ihn freundlich spaßig an, ob er eigentlich zu viel Kraft hätte: Die Türe zur Sauna sei schon wieder kaputt!… Er sagte: „alles Schrott!“ und dann: dass er mich mit meinem Labrador gesehen hätte. Und er meinte: „Für mich ist der Wald meine Kirche“. Ein kurzer Austausch folgte, welche Vorteile der Wald gegenüber einer Kirche habe.
KLEINER – LANGSAMER – NÄHER? Der Muckiman erlebte Kirche in der Begegnung mit mir anders.

Foto: Canva

2. Seit 3 Jahren treffe ich immer wieder beim Spielen mit meinem Hund auf der Segelflugplatzwiese viele andere Hunde und ihre Besitzer*innen. Es gab so manche religiösen Gespräche, viel Kritik an der Kirche, manche Frage, viel Ablehnung. Ein junger Mann (Bademeister von Beruf) erzählte mir von einem religiösen Erlebnis, er hätte Jesus gesehen. Keine Vision, ganz real. Er wisse aber nicht so sicher, ob das eine Wahnvorstellung gewesen sein könnte, denn er hätte in dieser Zeit immer wieder leichte Drogen genommen. Puh, was soll man da sagen? Einige Tage später meinte er, dass es da draußen sicher Außerirdische geben würde, und die lachen sich sicher über uns kaputt… Ich fragte dann: Amüsierst du dich auch ab und zu über uns Menschlein? Wir überlegten, ob Gott eigentlich über uns lacht? KLEINER – LANGSAMER – NÄHER? Der Bademeister erlebt Kirche in der Begegnung mit mir anders.

Foto: Privat

3. Andere Hundebesitzer (ein Paar, er Truckerfahrer, sie Krankenpflegerin ) fragten mich nach unzähligen Morgenspaziergängen: „Kannst du uns verheiraten? Aber hier auf der Hundewiese! … mit allen Hunden.“ Ich willigte ein und habe nachgefragt, was ihnen wichtig sei an einem „kirchlichen Ritual“, welche Rolle die Hunde hätten usw. KLEINER – LANGSAMER – NÄHER? Kirche auf der Hundewiese.

4. In einer Videokonferenz zu einem Film zeigte sich bei den meisten Teilnehmenden ein biblischer Analphabetismus, gepaart jedoch mit einem großen Interesse diesen Film auch auf der religiösen Ebene zu deuten. Die Regisseurin und Autorin, Connie Walther, (Film: „Die Rüden“) war dabei. Als ich eine Filmszene religiös auf dem Hintergrund der alttestamentlichen Geschichte von Jakobs Kampf am Jabbok (Genesis 32) deutete, sagte Connie Walter: „Die wenigsten Menschen, die den Film gesehen hätten, entdecken diese religiösen Bezüge.“ Sie meinte dann, dass die Geschichte für viele Deutungen offen sei, dass sie selbst besonders die Auslegung von Drewermann spannend fände. Sie erzählte dann noch den Insider, dass das Rauschen des Wassers, das man am Ende des Films hört, als die Hundetrainerin die (platonische) Höhle der Schatten / Gefängnis verlässt, dass dieses Rauschen das Rauschen des tatsächlichen Flusses Jabbok bei Israel sei. Sie wäre dort gewesen und hätte das Rauschen dort aufgenommen. Andere religiöse Elemente: Gliederung des Films in 6 Tage, wie die Schöpfungstage; einer der Gefangenen heißt Adam, die Hundetrainerin heißt Feuerbach…. KLEINER – LANGSAMER – NÄHER? Da fand also unverhofft eine Art Religionsunterricht in einer Online-Filmbesprechung statt.

Foto: Canva

5. Im Volleyball treffen wir uns, um Volleyball zu spielen. Auf meinem blauen Trikot seht mein Spielername: „Pastorix“. Als wir sie angeschafft haben, gaben wir uns alle Asterix-Namen. An den Abenden ist wenig Gelegenheit zum Reden und wenn, dann ist es eher ein Rumgeschreie… Neulich aber vertraute mir eine Spielerin ihr Leid an. Sehr bewegend. Es ging um ihre Kinder. Seelsorge in 3 Minuten? KLEINER – LANGSAMER – NÄHER? Es war nicht mehr und nicht weniger als anteilnehmendes Zuhören.

Hartmut Friebolin, Februar 2022

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Der Töpfer

Ich finde es so faszinierend, einem Töpfer beim Töpfern zuzusehen. Aus einem Klumpen Ton entsteht etwas Wunderbares. Er gestaltet, er treibt die Seitenwände einer Vase hoch.

sceenshot @Reli2go

Für mich ist das auch ein Gleichnis. Paulus sagt einmal, dass „Christus in unserem Leben Gestalt gewinnen soll!“ Aus dem, was wir im Leben geschenkt bekommen haben, und was wir gestalten, daraus kann etwas von ihm anschaubar werden.

An einer anderen Stelle vergleicht Paulus (mit Bezug zu Jeremia), dass Gott wie ein guter Töpfer ist und wir sind der Ton in seiner Hand. Er formt uns, wenn wir ihn lassen.

Und dann ist da noch Martin Luther, der an die ganze Bibel ein Kriterium angewendet hat, um besser unterscheiden zu können, was hilfreiche Worte sind und was weniger: Er nennt das Kriterium „Was Christum treibet“. Bei diesem Wort „treiben“ hat er auch einen Töpfer vor Augen.
Das heißt: Alles, was Christus, Gestalt werden lässt im Leben, wie bei dem Töpfer, der den Ton treibt bis er eine schöne Form hat! Genauso wendet er das Kriterium an die Bibel und an das Leben der Christen an: Was Christum treibet, also was ihn lebendig werden lässt, was ihm eine schöne Gestalt gibt, anschaubar für alle, sein Wesen wiederspiegelt, seine Anliegen und seine Kernbotschaft: All das ist sinnvoll und soll vorangetrieben und gefördert werden.

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Vollkommen unvollkommen

Was wir weglassen, droht sich zu rächen, sagt die Angst. Was halten wir dagegen? Wer versucht, es allen Recht zu machen, von allen geliebt zu werden, alles perfekt hinzukriegen…, der kommt vielleicht auch ans Ziel, aber vermutlich total erschöpft.
In der Bibel ist nie die Rede von Perfektionismus. Viel mehr von der neuen Freiheit, die erwächst aus dem Vertrauen, dass das Entscheidende in unserm Leben bereits geschehen ist, dass wir uns nicht mehr rechtfertigen müssen, weil dies für uns geschehen ist. So kann Mut zur Lücke entstehen.

Manchmal ist in der Bibel die Rede von „Vollkommenheit“. Damit ist aber etwas anderes gemeint und in erster Linie ist damit Gott selbst beschrieben. Einmal heißt es in der Bergpredigt (Mt. 5, 48), wir sollen so vollkommen sein, wie Gott. In einer meiner theologischen Prüfungen hatte ich mich mal mit dem Prüfer (Klaus Berger) gestritten, was mit diesem Vers gemeint sei. Mir war schon klar, dass dies im Pietismus und auch im Katholizismus anders verstanden wird. Meine Argumente:
1. Jesus spricht hier nicht einen (notwendig überforderten) Einzelnen an, sondern eine Gemeinschaft (Plural!). Diese kann etwas von seinem Glanz wiederspiegeln.
2.: Es geht immer um einen Prozess des Vollkommen-Werdens (kein Sein,).
3. Es geht darum, der zu werden, der wir (vor Gott) schon längst sind.
4. Der Weg dahin ist das Liebesgebot (jüdische Perspektive) oder die goldenen Regel ( heidnische Perspektive).

R. Rohr meint: „Wir reifen viel mehr …, wenn wir Fehler machen, als wenn wir alles richtig machen.“ Und, dass „Vollkommenheit der größte Feind“ für geistliches Reifen ist.

Foto Privat; Video dazu auf Insta @Reli2go


Mein Labrador hat Mut zur Lücke beim Springen über die Baumstämme. Leichtfüßig intuitiv verlässt er sich auf das, was hält und focusiert sich auf sein Ziel, zu mir zu kommen.

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So what? Wenns hilft!

So what?… wenn´s hilft! (Klasse 9)
In einer 9. Klasse in der Unterrichtseinheit „Religion: alltäglich- merkwürdig – gefährlich“ sprachen wir über eine mir wichtige Kurzgeschichte (ich glaube sie ist von De Mello SJ). Es war eine offene, motivierte Atmosphäre. Viele Schüler*innen beteiligten sich und kritisierten das Verhalten der manipulativen Mutter. Wir überlegten, welche Rolle heute die Religionen und Kirchen einnehmen, gab es und gibt es Methoden der Angstmacherei. Pointiert: Eine schlechte Religion macht Angst, eine gute Religion befreit von der Angst. Doch einer Schülerin war das wohl zu „glatt“. Sie hatte vorher geschwiegen, doch nun: „Also, ich finde die Mutter macht das richtig!“ Ich habe nachgefragt, wie sie das meine. Sie sagte dann: „Na, wenn´s hilft!“ Ich: Wem soll es denn helfen? Sie: „Na, der Mutter! Ist doch ok.“ Ich muss zugeben, ich war ein wenig sprachlos, erstaunt über diesen Blickwinkel. Aber warum nicht? Zwei Freundinnen habe ihr dann gleich widersprochen. Sie war dann etwas bockig, vielleicht auch etwas eingeschüchtert. Ich habe sie dann etwas in Schutz genommen, denn tappen wir nicht sonst selbst in die „Falle der Mutter“, eine „Neue Perspektive“ durch Gruppendruck zu „verbieten“? Nachgedacht haben wir dann zusammen über die Frage, ob wahr ist, was etwas bringt, oder hilft? Oder ist wahr, was meine ehrliche Überzeugung wiedergibt? Oder ist wahr, was der (?) Realität entspricht… Leider hat diese mutige Schülerin nicht mehr weiter mitdiskutiert. Sie hätte z.B. das Argument ins Spiel bringen können: Es geht mir gar nicht um Wahrheit, sondern nur um Pragmatismus. Oder, vielleicht hätte sie von ihren eigenen verzweifelten Versuchen erzählt, ihren kleine Bruder zu erziehen… Vielleicht ein anderes Mal…

Das Amulett

Eine Mutter konnte ihren kleinen Sohn nicht bewegen, rechtzeitig vor Dunkelheit vom Spielen nach Hause zu kommen. Also machte sie ihm Angst: Sie erzählte ihm, auf dem Weg zu ihrem Haus spukten Geister, die herauskämen, sobald die Sonne untergegangen war.
Danach hatte sie keine Schwierigkeit mehr, er kam abends rechtzeitig nach Hause.
Aber als der Junge herangewachsen war, hatte er solche Angst vor der Dunkelheit und Geistern, dass er sich weigerte, das Haus nachts zu verlassen.
Also gab sie ihm ein Amulett und machte ihm klar, dass die Geister keine Macht hätten, ihm etwas Böses anzutun, solange er es trug. Nun wagt er sich also in die Dunkelheit hinaus und drückt das Amulett fest an die Brust.

Post @reli2go

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Leben deuten

Mich hat das Zitat des Künstlers Hundertwasser elektrisiert. Ist das nicht meine Aufgabe als Lehrer: Wach durchs Leben gehen und die Welt neu deuten? Und nicht an „längst verwesten Erkenntnissen zehren“! Neue „Gleichnisse zum Leben schaffen“! Ja!!
Auch Martin Schleske stellt dieses recht drastische Zitat von F. Hundertwasser seinem Buch „Der Klang“ voran. „Gleichnisse zum Leben schaffen“ Als Geigenbauer beschreibt er den Werdegang einer Geige und zugleich einen inneren Weg in die Welt des Glaubens. Er schreibt: „Hundertwasser redet davon, dass die Ereignisse um uns und in uns nach Deutung verlangen. Wie aber können wir Dinge deuten, wenn wir nicht lernen, hinzuhören und hinzusehen?“

Religion als Deutung des Lebens / als Selbstdeutung gelebten Lebens


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