Bibel und Koran

Was Bibel und Koran erzählen

Ein Lesebuch für das interreligiöse Lernen

Erarbeitet von Kristina Augst, Anke Kaloudis, Esma Öger-Tunc, Birgitt Neukirch

160 Seiten

Calwer Verlag, Stuttgart, 2020
ISBN 978-3-7668-4487-3
17,95 Euro

 

Dass „Bibel“ und „Koran“ in gleichberechtigter Weise umfassend in einem Schulbuch thematisiert werden, ist neu und bisher einmalig. Bislang war die Sichtweise auf die ‚andere Religion‘ meist eingebettet in monokonfessionelle Bücher; dort zumeist im letzten Kapitel, oft auch nur summarisch zu finden. In diesem als „Lesebuch“ deklarierten Unterrichtswerk ist das anders. Ein Autorinnenteam aus christlicher und islamischer Religionspädagogik nimmt die in vielen Schulen vorfindliche multireligiöse Situation ernst und stellt gemeinsam fundierte Arbeitsmöglichkeiten für den Unterricht vor.[1]


Inhaltlicher Überblick

Eine Wahrnehmung, die für den christlichen Religionsunterricht gilt, ist im islamischen Religionsunterricht nicht sehr anders: Schülerinnen und Schüler verfügen häufig über geringes Grundwissen zu ihrer Religion. Deshalb werden zu Anfang des Lesebuches Bibel und Koran in Grundzügen parallel auf Doppelseiten erläutert:
Entstehung der Bücher, Aufbau, Bedeutung, Haltung und Verhaltensweisen. Es folgen unter der Überschrift „Bibel und Koran erzählen von Gott/Allah“ Geschichten von Noah, Yusuf und Musa, ebenfalls in paralleler Zuordnung.

Dabei werden sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede klar hervorgehoben. Beide Bücher haben jeweils einen theologischen Anspruch, der in diesem Lesebuch nicht zu kurz kommt. Das Verhältnis ist vielleicht mit dem Prädikat ‚anerkennendes Miteinander‘ treffend zu beschreiben.[2]

Die weiteren Inhalte kurz gefasst:
Schöpfung in der Bibel, Schöpfung im Koran; Ibrahim, Abraham und Isaak; Gebote und Goldene Regel; Barmherzigkeit und Segen; Tod und Trauer. Bibel und Koran erzählen von Jesus/Isa; der Koran und die Hadithe erzählen von Muhammad; was Christen und Muslime glauben und tun.

Zentral ist für den Koran die Eröffnungssure Fatiha 1. Sie gehört zum rituellen Gebet. Daneben steht das biblische Vaterunser. Ritus und Gebetsinhalte werden so zum dialogischen Thema.

 

 

Didaktische Gestaltung

Anders als ein traditionelles Schulbuch hat dieses Lesebuch keine Arbeitsanweisungen auf den Seiten. Das ist kein Defizit, sondern es erweitert das Spektrum der Einsatzmöglichkeiten für unterschiedliche Lerngruppen. In die didaktische Gestaltung des Buches wurde erkennbar große Sorgfalt gesteckt. Die Seiten und Kapitel sind sehr übersichtlich gestaltet. An vielen Stellen sind die „biblischen“ Teile und die „koranischen“ Teile farblich abgesetzt, so dass man auch bei mehrseitigen Themen nicht durcheinander kommt. Die kalligraphisch anmutende Randgestaltung bringt Orientierung und Ästhetik ins Buch. Die einheitliche, gut leserliche Textgestaltung erleichtert Schülerinnen und Schülern den Umgang. Ausdrücklich wurde auf einfache Sprache geachtet, teils explizit ‚leichte Sprache‘ verwendet.[3]  Alle sollen durch das Buch erreicht werden, ein deutlicher inklusiver Ansatz. Berücksichtigt man, dass alle Texte, sowohl für den biblischen wie auch für den koranischen Teil, unter diesen (religions-)didaktischen Prämissen entstanden sind, dann kann man erahnen, welche Pionierarbeit hier geleistet wurde! Ein ausführliches Glossar hilft beim Verstehen ‚schwieriger Wörter‘ und erleichtert das selbstständige Schmökern, für das ein Lesebuch ja auch da ist. Ebenso findet man ein gut lesbares Bibelstellen- und Koranstellenverzeichnis.

Ausgesprochen genial empfinde ich die Bildgestaltung. Ausgehend von „Schnipsel-Bildern“, die Grundschulkinder im christlichen und islamischen RU angefertigt haben, entstanden farblich und inhaltlich Bildwerke, die mehr als nur ‚Illustrationen‘ sind. Sie bestechen durch Einfachheit und Klarheit und stellen ein großes Reservoir als ‚Assoziationspool‘ dar. Im Hinblick auf den sensiblen Umgang mit Bildern in der islamischen Tradition vermeiden diese „Schnipsel-Bilder“ die erkennbare Darstellung von Personen durch Weglassen von Gesichtern und weitere bewusste ‚Unanschaulichkeit‘. Dennoch wirken sie und bereichern das Lesebuch sehr.

 

Zum Einsatz des Lesebuches

Lehrkräfte können das Buch im konfessionell getrennten Unterricht einsetzen, um dort sowohl die eigene Religion zu vertiefen als auch gründlich der anderen Religion zu begegnen. Und in gemeinsamen Lernsituationen, die in den Schulen ja auch schon häufig zu finden sind, ist dieses Buch eine Brücke sowohl zwischen den Schülerinnen und Schülern als auch bei den Inhalten. Christliche Lehrkräfte erhalten durch die Themen einen Einblick in den Koran und in das islamische Glaubensleben und werden sicherlich zu weiteren Vertiefungen angeregt. Für islamische Lehrkräfte gilt das ‚vice versa‘. Der unterrichtliche Einsatz ist schon ab 3. Schuljahr möglich; in der Sekundarstufe ist eine Nutzung etwa bis 7. Klasse gut vorstellbar.
Als ‚Lesebuch‘ kann das Buch den Unterricht lange begleiten. Die Inhalte sind vielen Lernfeldern der Bildungspläne zuzuordnen, sowohl im evangelisch- katholischen Bereich als auch im Islamunterricht. Einer breiten Nutzung steht also nichts mehr im Wege!

Dr. Manfred Spieß, Oldenburg,  18.03.2020

 

Weitere Infos :

 

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[1] Das  Buch  wurde  von  einem  interreligiös  zusammengesetzten  Autorinnenteam verfasst: Kristina Augst (RPI Darmstadt), Birgitt Neukirch (RPI Fulda), Esma Öger-Tunc (Universität Gießen) und Anke Kaloudis (RPI Frankfurt)

[2] Gelegentlich wird bei religionsübergreifenden Projekten vor der Gefahr einer ‚Vermischung‘ gewarnt. Diese ist hier nicht gegeben, weil sowohl von christlicher wie auch von islamischer Seite theologische Klarheit unübersehbar eingebettet ist.

[3] Das ist, was Heterogenität angeht, ein großer Gewinn! Jedoch wird es manch anderem Leser so gehen wie dem Rezensenten: Ich vermisse den Genitiv! Der Dativ hat ihn völlig verdrängt! Muss das sein? „Die Schöpfung von Gott loben“; „Der Bau von der Kaaba“ u.ö.
Weiterer Hinweis: Der Druckfehlerteufel hat auf S. 8 oben zugeschlagen, hier findet man ein Überbleibsel redaktioneller Arbeit …

 

 

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