Der Dom zu Regensburg-3

Achim Hubel und Manfred Schuller:  Der Dom zu Regensburg.

Teil 3 – Textband 3

Regensburg: Pustet 2016.
x, 852 S.
ISBN 978-3-7917-2335-8

 

Der Schlussstein: die Erforschung des
Regensburger Doms ist vollendet

Eine Rezension von Christoph Auffarth

Kurz: Das umfassendste Forschungswerk an einem gotischen Dom ist geglückt und klärt alle Einzelheiten – bis auf die Gottesdienste, die die Menschen in dem Gebäude feierten.

Ausführlich: Mit einem dicken, schwergewichtigen Band von 850 Seiten setzen Achim Hubel und Manfred Schuller mit ihrem Team den Schlussstein zu ihrer Forschung über den Regensburger Dom. Nach dreißig Jahren Forschung ist dieser gotische Dom das nun am besten erforschte Gebäude in seiner Architektur von der Grundsteinlegung bis zur Vollendung des Turms, seinen Glasfenstern, den Bildwerken, Krypta, Altar, Lettner.[1] Und wieder ist es gelungen, die Kirche im Vergleich mit anderen Riesenprojekten der Zeit in Vergleich zu setzen. Kurmanns Kapitel in Band 2 hat das in den europäischen Kontext gestellt. Im Band 3 ist etwa der Kölner Dom als Baustelle mit dem (grob) gleichzeitigen Regensburger Dom verglichen (627-33), wobei die Kölner dank eines einheitlichen Maßes sehr viel effizienter arbeiteten. Die Organisation der Bauhütte ist 85-106 erklärt, insbesondere auch die Kosten und die Finanzierung. Die Dombaumeister als Leiter des Bau-Projektes spielen eine herausragende Rolle (einmal ist auch die Frau des Wenzel Roriczer in Stein abgebildet: S. 101). Ein großes Thema der letzten Jahre war die Frage nach der Farbigkeit der Dome, ihrer Wände, Pforten, der Statuen. Der Band bietet Rekonstruktionen der Farbigkeit, die ein aufregend anderes Bild ergeben als das Gewohnte, wenn die Farben üblicherweise abgeblättert sind (1-84). Einen umfangreichen Teil bildet die Frage nach der Ausstattung des Doms durch die Bildhauer, die nachmittelalterliche Ausstattung, die Veränderungen im 19. und 20. Jahrhundert sowie die Restaurierungen (106-274, bes. etwa S. 371f!). Die beiden Hauptautoren fassen alles noch einmal zusammen (397-404). Meisterhaft!

Leider klafft eine erhebliche Lücke: Ein Hauptzweck des Doms lag doch darin, dass in dem grandiosen Gebäude Gottesdienste gefeiert wurden. Die Zeugnisse über den Kult im Dom sollte Renate Kroos zusammenstellen und kommentieren. Die Erwartungen waren hoch, weil sie das für den Kölner Dom schon gemacht hatte in einem Riesenaufsatz oder kleinen Monographie von fast 170 Seiten.[2] Leider hat es ihre im Alter angegriffene Gesundheit nicht zugelassen, ihre Sammlung publikati­onsreif zu gestalten. An einigen Stellen wird auf ihre Beurteilungen verwiesen, die sie mündlich auf den regelmäßigen Treffen geäußert hat.[3] So bleibt in dieser Hinsicht das Werk unvollendet. Wir erfahren viel über die Baumeister und Handwerker, die Bildhauer und Maurer, über Auftraggeber und Finanzierung, aber fast nichts von den Menschen, die dort beteten, stifteten, die Eucharistie empfingen und ihren Glauben bekannten.

Den Rest des Bandes bildet einen Katalog von knapp 400 Seiten: zur Architektur, etwa dem „Eselsturm“, den Fundamenten, der Herkunft der Steine und zur Bautechnik (434-503), Treppen, Laufgänge, Wasserableitung, der geplanten confessio, also Grab für die Reliquien des Hauptheiligen (was für romanische Kirchen die Regel, für gotische dagegen ungewöhnlich), den gotischen Lettner, Portale, Pforten, Türen, Maßwerke (593-605), die Dachwerke und die dendro-chronologisch untersuchten Balken. Dann 124 Seiten Katalog der Skulpturen in und am Dom. Der Band enthält einige ausführlicher dargestellte Ergänzungen, wichtig etwa zur „Judensau“ S. 795f; zu den Glasmalereien S. 797-799. Ein Register erschließt die Quellenedition in Band 7,1. Register für alle Bände erschließen Orte, Personen und Ikonographie (S. 803-850).

Eine so umfassende und detaillierte Darstellung eines Doms kann es in dieser Gründlichkeit und Ausdauer einer Zusammenarbeit vieler Disziplinen nur einmal in einem Jahrhundert geben. Die fünf Bände werden nicht nur für dieses Gebäude und seine Ausstattung das Standardwerk bleiben, sondern auch das Bezugswerk für alle anderen Forschungen an anderen Domen. Fragestellungen, Methoden, Rekonstruktionen von Hand, Farbgebung am Computer ausprobiert, zahlreiche Tagungen und Diskussionen in einer Denkfabrik haben das Werk reifen lassen. Dass am Ende auch noch Fragen offen bleiben,[4] ist eher ein Gewinn für die Wissenschaft: Die Forschung geht weiter, aber sie hat alle Grundlagen, Maße, Fotos, Zeichnungen, vieles in Farbe ausgezeichnet, und begründete Beurteilungen der Befunde nun zur Verfügung: ein Jahrhundertwerk!

Christoph Auffarth

Religionswissenschaft

Universität Bremen

E-Mail: auffarth@uni-bremen.de

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Hier finden Sie meine Rezensionen zu weiteren Bänden der Reihe Der Dom zu Regensburg.

[1] Die Inschriften sind in einer eigenen Publikation vollständig herausgegeben von Walburga Knorr; Werner Mayer: Der Dom St. Peter. Die Inschriften der Stadt Regensburg. (Die deutschen Inschriften: 13; 17) 2 Bände Wiesbaden: Reichert 2008; 2016.

[2] Liturgische Quellen zum Kölner Domchor, in: Kölner Domblatt 44/45(1979/80), 35-202. Vgl. dies.: Liturgische Quellen zum Bamberger Dom, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 39 (1976), S. 105-146

[3] So im Abschnitt „Confessio“, S. 531.

[4] Das nennen Achim Hubel und Manfred Schuller eigens im Vorwort, S. ix: zu den  Baurissen und zur Ableitung der Vorbilder für den Bau.

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