Liebe Kolleginnen und Kollegen,
den heutigen Beitrag widmen wir besonders denjenigen von Ihnen, die in diesen Tagen die allerersten Schritte in den nagelneuen Lerngruppen gehen – wobei, Teil des Problems, die Lerngruppen nur für uns nagelneu sind – Sie kommen ja in Klassen hinein, die sich schon ein halbes Jahr lang (mindestens) kennen. Neu sind Sie, und damit haben Sie die volle Aufmerksamkeit – so oder so.
Was wir bisher nur theoretisch überlegt haben („Sie stehen am Beginn der Arbeit mit einer neuen Lerngruppe – wie möchten Sie vorgehen?“) bekommt nach und nach den Charakter echter „Lernsituationen“:
„Ich übernehme eine Klasse, vor der mich die Kollegen warnen, weil die Gruppendynamik dort als problematisch empfunden wird – wie finde ich einen Anfang, der auch für die Gruppe neue Möglichkeiten eröffnet?“
„Ich übernehme eine Lerngruppe, die bereits mehrere KollegInnen „verschlissen“ hat – wie trete ich dort so auf, dass mir das möglichst nicht passiert?“
„Meine Lerngruppe ist durch die Halbjahreszeugnisse völlig frustriert – wie finden wir gemeinsam die Motivation wieder?“
„Meine Lerngruppe hat durch mein Dazukommen plötzlich Unterricht, wo sie vorher frei hatte, und ist entsprechend wenig begeistert – wie kann ich den Unterricht so gestalten , dass die Schülerinnen das Gefühl haben: Es lohnt sich, dafür früher aufzustehen oder länger zu bleiben?“
„Ich habe ein prima didaktische Planung im Kopf, aber die Lernerinteressen habe ich nicht passend eingeschätzt – wie komme ich schnell an neue Ideen und Planungen, ohne sämtliche Nächte durchzuarbeiten?“
Notiz am Rande:
Falls Sie in einer dieser Situationen stecken, sollten Sie gerade aktuell im eigenen Hirn spüren, wie Ihre intrinsische Motivation anspringt: Sie haben ein echtes Problem, und Sie brauchen dafür eine viable Lösung! – das kann ein Anreiz sein, sich mit Literatur zu befassen, Tipps von älteren Hasen zu erfragen, Kriterien und Ziele und Optionen zu formulieren… und sich so auf den persönlichen Lernweg zu machen. So geht „Lernsituation“. In diesem hellwachen, lernbegierigen Zustand möchten wir auch die Lerngruppen haben… vielleicht nicht nächste Woche, aber prinzipiell.
Wenn Ihre Lerngruppen Ihnen jedoch in der ersten Woche gleich aus der Hand gefressen haben oder zumindest bereit sind, mit Ihnen in einen Aushandlungsprozess einzutreten, werden Sie weit weniger darauf brennen, unsere Unterstützungsangebote anzuschauen und in eigene Kontruktionen einzubauen… dann ist die Situation für Sie nicht „problemhaltig“ genug. Um so besser, in diesem Fall 😉
In einer kurzen Absprache haben wir (Betroffene + Fachleitung) in der vergangenen Woche beschlossen, die ersten Stunden des nächsten Fachseminars der kollegialen Beratung zu den aktuellen „Szenen aus dem Lehrerleben“ zu widmen… Fachseminar-Power, sozusagen. Die best-practice-Unterrichsbeispiel-Galerie betrachten wir dann in der Präsenzzeit ab 11. 00 Uhr.
Als Erste Hilfe und als Anregung zur Vorbereitung…
… empfehlen wir folgende Lektüre:
Maja Dammann, 15 neue Lerngruppen – was tun? Hilfen für die Erstbegegnung mit neuen Lerngruppen. In: dies. Neu im Lehrerberuf. Hamburg (Bergmann & Helbig) 2010, S. 20 – 30 (mit weiterführenden Literaturhinweisen).
Zufällig (?) steht die neue Ausgabe der Zeitschrift „Pädagogik“ unter dem Motto „Sich als Schüler selbst motivieren“. Wir haben die Zeitschrift für Sie auf unsere Situation hin ausgewertet. Die Ergebnisse dazu finden Sie auf der Seite zu M4 LS 3 „Selbststeuerung ermöglichen“ (weil „sich motivieren“ ein Aspekt der Selbststeuerung ist und des Schülers Aufgabe – dies schon mal als erster Hinweis zu Ihrer Entlastung!).
Außerdem finden Sie einige methodische Ideen auf der neuen Unterseite „Anfangen“ beim Menüpunkt „Methoden für den Unterricht“. Widerstehen Sie bitte der Versuchung, nur dort zu schauen – um professionelle methodische Entscheidungen zu treffen, benötigen Sie den theoretischen Background.
Wir wünschen Ihnen Zuversicht und Neugier für den Start! Und wir sind gespannt auf das nächste Fachseminar…
Christoph Weidinger-Vandirk und Marion Holzhüter