Judaism

          

Burton L. Visotzky; Michael Tilly (ed.): Judaism I.: History. 2021
386 Seiten.
ISBN 978-3-17-032579-1

Burton L. Visotzky; Michael Tilly (ed.): Judaism II.: Literature. 2021
343 S.
ISBN 978-3-17-032583-8

Burton L. Visotzky; Michael Tilly (ed.): Judaism III.: Culture and Modernity. 2021
239 Seiten
ISBN 978-3-17-032587-6

(Die Religionen der Menschheit 27,1-3). 3 Bände.

Stuttgart: Kohlhammer 2020-2021

 

Judentum als Religion weltweit und durch alle Zeiten:
Das neue Handbuch

Eine Rezension von Christoph Auffarth

Kurz: Das neue Handbuch auf dem Stand der Forschung beschreibt die Judentümer welt­weit und durch die Geschichte. Die Perspektive ist vor allem auf die religiöse Binnensicht gerichtet, weniger auf dem Judentum als Kultur und in den pluralen Konfigurationen.

Ausführlich:
Die für die Religionswissenschaft wichtige Handbuchreihe Religionen der Menschheit wächst gerade dynamisch, Lücken werden gefüllt (wie die Religion im Römischen Reich), ältere Bände werden erneuert (wie Alt-Ägypten) oder in neuer Auflage wie Griechische Religion. Die drei Bände einer Globalgeschichte des Christentums in der Neuzeit waren das erste große Projekt der Neukonzeption,[1] Buddhismus ist mit drei Bänden ebenfalls abge­schlossen. In Kürze ist zu erwarten Islam I-III. Geplant ist als Ersatz für Hinduismus in drei Bänden jetzt Religionen in Südasien in fünf Bänden,

Zur Begründung der Reihe korrespondierte Christel Matthias Schröder,[2] mit Fachleuten weltweit, um für die großen religiösen Traditionen umfassende Gesamtdarstellungen einzuwerben, die wenn nötig übersetzt wurden. Die Handbücher waren in der Regel Monographien, manche mehrbändig (außerhalb der Reihe) wie Michael Stausbergs Die Religion Zarathushtras.[3] Die älteren Monographien betonten Gründung (nach dem Schema Stifter-Religion) und Reformbewegungen, weniger die Gegenwart. Der Band Judentum erfüllte das Ziel einer umfassenden Darstellung in keiner Weise.[4] Er wird ersetzt durch drei Bände: Ein internationales Team von 30 Autorinnen und Autoren verfasste in englischer Sprache eine Darstellung des weltweiten Judentums, die auch die Gegenwart beleuchtet. Organisatoren und Herausgeber des 1000-Seiten Kompendiums in drei Bänden (968 Seiten sind es geworden) sind Burton L. Visotzky[5] Michael Tilly,[6] die sich vorstellen als „an American rabbi-professor and an ordained German protestant university professor“ (12). Dies deutet schon an, dass die Perspektive eher die Selbsteinschätzung des religiösen Judentums einnimmt,[7] das heißt unter den drei Identitäten von Judentum (1) Judentum als ethnische Kategorie,[8] (2) Judentum als Religion, (3) Judentum als Kultur und Subkultur (also amerikanische, französische oder deutsche Juden), dabei auch die agnostischen Jüdinnen und Juden,[9] geht es in dem Handbuch vor allem um (2) Judentum als Religion.

Unter den Autor:innen sind solche aus den USA in der Mehrzahl. Das bedeutet auch, dass sie oft nicht auf deutsche Forschungen zurückgreifen.[10] Und wo es deutsche Originale gibt, wird nur die englische Übersetzung zitiert.[11] Auch bei Übersetzungen von Quellen sind nur englische angegeben. Unten verzeichne ich das Inhaltsverzeichnis der Bände und notiere, soweit das herauszubekommen war, etwas über die Autor:innen und die Institutionen, an denen sie forschen. Eine ausgewogene Besetzung von weiblichen und männlichen Autor: innen war geplant (jetzt 10:20); Alter unter:über 65 Jahre 19:11; national US 13, Israel 4, Deutschland 10, ein Franzose, ein Österreicher.

Beispiele für fehlende deutsche Forschungsliteratur: Die Forschung von Adolf Harnack zu Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten wird in der englischen Übersetzung 1965 angegeben, während das deutsche Original 1902 erschien, die letzte Auflage 41924. Die laufenden Forschungen zur Christianisierung der einzelnen Provinzen von Cilliers Breytenbach u.a., die immer auch jüdische Gemeinden berühren, sind nicht berücksichtigt. Die deutschen Ausgaben von Peter Schäfer sind nicht verzeichnet, während deutsche Autoren Übersetzungen angeben.

Im Folgenden gebe ich einige Beobachtungen, die mir bei der Lektüre auffielen. Eine Besprechung aller Kapitel würde eine Rezension sprengen. Die Herausgeber haben in der Einleitung I.18-40 gute Zusammenfassungen geschrieben; die ersten sechs Seiten der Intro­duction sind in allen drei Bänden gedruckt). Unten habe ich die Kapitel der Bände aufgelis­tet. Da es naturgemäß Überschneidungen gibt, etwa für Geschichte und Geschichtsschreiber oder Längsschnitte komme ich erst zu den Längsschnitten, dann folge ich in etwa der Chronologie.

Beeindruckend fand ich das Kapitel über die Sprachen, die schon die Diversität und die räumliche Weite der Judentümer erkennen lassen. Stefan Schreiner reflektiert erst einmal die Zwei- oder gar Vielsprachigkeit und zählt dann auf (III, 72-105) die hebräischen Sprachen von der Antike bis zur Neubildung des Ivrit, das Aramäische in Vorderasien. Griechisch, Judaeo-Arabisch, Ladino, das die aus Spanien 1492 vertriebenen Juden in der Levante sprachen mit Hebräischen Begriffen durchsetztes Spanisch, ähnlich, das Jiddische und das Judäo-Persische. Dazu könnte man noch zählen Soziolekte in allen Sprachen oder das eigentümliche, expressionistische Deutsch der Bibelübersetzung von Buber und Rosenzweig und natürlich die literarischen Werke, die die Literatur der jeweiligen Sprachkultur bereicherten. Knapp dazu Matthias Morgenstern III, 139-169, Moses Mendelssohn I.220-223. – Umgekehrt führt das zur Frage, ob man von den Judentümern im Plural sprechen sollte. Da berufen sich die Herausgeber auf die Formel des ‘Common Judaism’: „a common yet unarticulated core of beliefs and practices that unified early Jewish communities across the ancient word” (I.11). [12] Gilt das auch für spätere Zeiten, abgesehen davon, dass auch die Definition für die Antike umstritten bleibt?[13] Die Herausgeber beharren auf dem Singular Judaism. Ein Formel gebraucht Ottfried Fraisse III, 136 für die jüdischen Philosoph:innen im Mittelalter und in der Moderne, „they are both thinkers of the »in-between«“ oder vielleicht besser die, die dank ihrer doppelten kulturellen Kompetenz immer eine Alternative mitdenken.

Chronologisch: Für die Antike sind drei Regionen dargestellt, der Westen, das Land Israel, die babylonische Judenheit, teils weit ins Mittelalter ausgreifend. Die wichtige These von Guy Stroumsa zum „Ende des Opfers“ als eine ‚Mutation‘ der Religion, die ihr sakrales Zentrum verloren hatte, ist nicht diskutiert.[14] Die Bedeutung der Rabbinen in dem Umwand­lungsprozess wird meist überschätzt (I,100-194. Nahezu der ganze Band II, III,44-71). Wichtig ist aber, dass es im Judentum nie eine monarchische Struktur und die Diktatur der Wahrheit gegeben hat. Auch der Chef der babylonischen Diaspora, der Exilarch, hatte keine dem Papst vergleichbare Stellung (I,135-137). Zu Juden und/unter dem Islam sind die Forschungen zum Corpus Coranicum an der Akademie in Berlin (Angelika Neuwirth) unbekannt, Goiteins Forschungen zur Kairener Geniza sind voll gewürdigt. Goodenough zur hellenisierten Bilderwelt habe ich nicht gesehen. Ein breiter Überblick zum Mittelalter in Latein-Europa würdigt auch die südeuropäischen Juden bis zur Vertreibung der Jüdinnen und Juden aus Spanien und Portugal 1492.[15] Eine religionswissenschaftliche Perspektive hätte wichtige Forschungen zur Verflechtungsgeschichte berücksichtigen müssen.[16] Frühe Neuzeit nach der Vertreibung der Sepharden aus Spanien/Portugal bis Spinoza: Die wichtigste jüdische Metropole Saloniki fehlt nahezu (I,199; III,132f); Amsterdam dagegen ist umfassend einbe­zogen; interessant wäre die besondere Situation in Altona, wo christlich (zwangs-)getaufte sefardische Kapitäne auf ärmere Aschkenaz-Juden trafen und auf einem gemeinsamen Friedhof bestattet wurden. Kabbala, Zwi Sabbatai, Ansiedlung in Polen im Schtetl und im osmanischen Reich zeigen die globalen Bezüge, jedoch ohne den sephardischen Atlantik (auch nicht im Kapitel Judaism in America I,319-322).[17] Die Kabbala erhält ein eigenes Kapitel (Elke Morlok II,299-332). Knapp, dicht und gut die Jüdische Aufklärung, ausgehend von Moses Mendelssohn (I,223-226) im Konflikt mit Chassiden und Ostjuden, der Wissen­schaft vom Judentum, der entstehende Zionismus. Fragwürdig die Aussage, trotz der Haskala (Jüdische Aufklärung) sei den Juden die Integration ins deutsche Milieu nicht gelungen (Beleg dafür sei die Shoah) I,24.

Eine zentrale Frage bildet der Kulturbruch durch die Shoah (die hier fast durchwegs als Holocaust bezeichnet wird vgl. III,202), besonders ob ‚nach Auschwitz‘ noch Gott denkbar ist. Dass die Gründung des Staates Israel die dialektische Antwort Gottes sei (III,137), ist ambivalent. Denn die Ultraorthodoxen bestreiten dem Staat die Anerkennung als religiöse Erfüllung. Religion wird – eben dieser Gruppe wegen – in Israel eher distanziert betrachtet, auch wenn die Jahresfeste und die Familienfeste Beschneidung, Hochzeit,[18] Bestattung zum Leben dazu gehören. Holocaust and Anti-Semitism (Michael Berenbaum I 242-281) sind detailliert beschrieben.[19] Ebenso wie Zionismus und der Staat Israel (Martin Kloke I,282-318). III,36-42. Vom 9. Av als Tag der Erinnerung an die jüdischen Katastrophen wurde der Holocaust-Erinnerungstag im Staat Israel III,70 unterschieden.[20] Die interreligiösen Dialoge sind beschrieben, v.a. die Veränderung der katholischen Sichtweise auf das Judentum in lumen gentium 1964 und v.a. nostra aetate 1965 des Zweiten Vatikanischen Konzils, weniger die protestantische Seite, v.a. die dauerhafte Einrichtung des Dialogs/Trialogs auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag seit 1961, aber die Erklärung auf dem Seelisberg 1947, initiiert von den der Schweizer Reformierten. Die jüdische Reaktion kam erst 2000 mit Dabru emet. Eine spannende Entwicklung der letzten Generation ist im Kapitel zum Feminismus und queeren Identität (in den USA) dargestellt (III,169-197).

Fazit: Das Handbuch erschließt das weltweite Judentum als Religion, nur begrenzt als Kultur. Chancen, auch Verflechtungsgeschichte zu beschreiben, sind kaum genutzt; Die 30-40 Seiten umfassenden 29 Kapitel sind durchwegs informativ, aber kritische Punkte bleiben oft nicht diskutiert. Die Perspektive ist etwas einseitig an ein jüdisches und amerikanisches Publikum gerichtet. Dennoch ein Handbuch über Judentümer weltweit und längs der Geschichte auf neuestem Forschungsstand, das man gerne aufsucht, um Zusammenhänge zu verstehen.

 

 

Inhaltsverzeichnis Band 1: History

MT/BLV: Introduction 11-41

Hermann Lichtenberger: Judaism, Hellenism, and the Maccabees. 42-75.

*1943, Emeritierter Prof. für NT und hellenistische Religionsgeschichte in Tübingen.

Natalie B Dohrmann: Jews in the West: From Herod to Constantine the Great. 76-105.

*ca. 1965. Stellvertr. Direktorin für Advanced Jewish studies in Philadelphia, Pennsylvania

Lee I. Levine: The Resilience of Jews and Judaism in Late Roman-Byzantine Eretz Israel 106-120.

*1939. Prof. emeritus an der Hebrew University in Jerusalem, Geschichte und Archäologie.

Geoffrey Herman: Judaism in Babylonia: 226-650 CE. 121-138.

2006 promoviert an der Hebrew University.

Philip Isaac Lieberman: Jews and/under Islam: 650-1000 CE. 139-161.

*1970. Vanderbilt USA, Prof. für Rabbinische Literatur

Robert Chazan: Judaism in the Middle Ages: 1000-1500. 162-193.

*1936. Prof. emeritus für mittelalterliche jüdische Geschichte, New York University.

Joseph M. Davis: Judaism During and After the Expulsion; 1492-1750. 194-218.

* 1960.

Dominique Bourel: Judaism: 1750-1930. 219-241.

*1952. War Forscher des CNRS und als solcher directeur du Centre de recherche français à Jérusalem, von 1996 bis 2004.

Michael Berenbaum: The Holocaust and Antisemitism. 242-281.

*1945. War Forscher am United States Holocaust Memorial Museum.

Martin Kloke: “By the River of Babylon”: The Early History of Zionism. 282-318.

*1959. Lektor im Schulbuch-Verlag.

Deborah Dash Moore: Judaism in America. 319-349.

*1946. Prof. emerita für Judaic studies, University of Michigan, Ann Arbor.

Kerstin Armborst-Weihs: Judaism in Europe after the Second World War. 350-376.

*1970. War WiMi am Institut für Europäische Geschichte in Mainz, jetzt an der

Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe.

Inhaltsverzeichnis Band 2: Literature

MT / BLV: Foreword 17-15.

Emanuel Tov: Traditions and Translation. 18-55

*1941 in Amsterdam. Prof. emeritus for Bible Studies, Hebrew University in Jerusalem:

Michael Tilly: Jewish Literature in the Hellenistic-Roman Period, 350 BCE—150 CE. 56-88

Günter Stemberger: Tannaitic Literature. 89-121

*1941 in Innsbruck. Prof. emeritus für Judaistik in Wien:

Carol Bakhos: Amoraic Literature, ca. 250—650 CE: Talmud and Midrash. 122-140

*ca.1970/75). Professor of Late Antique Judaism and Jewish Studies an der UCLA.

Burton L. Visotzky; Marzena Zawanowska: Rabbinic-Gaonic and Karaite Literature. 141-172.

M.Z. ist Mitarbeiterin am Orientalischen Institut der Universität Warschau.

Jonathan S. Milgram: Medieval Commentary, Responsa, and Codes Literature. 173-204

*1971. Prof. Professor at Jewish Theological Seminary, New York.

Rachel S. Mikva: Medieval Biblical Commentary and Aggadic Literature. 205-236

*1960. Prof. Jewish Studies am Chicago Theological Seminary.

Elisabeth Hollender: Piyyut. 237-262

*1965. Seit 2011 Professorin für Judaistik am Seminar für Judaistik der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Dalia Marx: Jewish Liturgy. 263-298

* 1966. Prof. Rabbi Dalia Marx, Professor of Liturgy and Midrash at Hebrew Union College. Jerusalem.

Elke Morlok: Jewish Mysticism. 299-332

*1969. Habilitierte am Institut für Judaistik an der Universität Frankfurt.

Inhaltsverzeichnis Band 3: Culture

MT / BLV: Introduction 9-15.

Joachim Schlör: Challenges of modernization. 16-43

seit 2006 Professor am Parkes Institute for Jewish/non-Jewish Relations an der University of Southampton.

Elliot N. Dorff: Halakhah (Jewish Law) in contemporary Judaism. 44-71

*1943.Prof. of Jewish Law at the (conservative)  American Jewish University  in California .

Stefan Schreiner: Languages of the Jews 72-105.

*1947. Prof. Stefan Schreiner, Prof. für Religionswissenschaft an der Universität Tübingen, Evangelisch-Theologische Fakultät.

Ottfried Fraisse: Jewish Philosophy and Thought 106-138

*1963. Prof für Judaistik, Uni Halle.

Matthias Morgenstern: Modern Jewish Lterature. 139-168

*1959. Matthias Morgenstern ist Prof. an der Uni Tübingen für Judaistik an der Ev.Theol.Fakultät.

Gwynn Kessler: -Judaism, Feminism, and Gender 169-197.

*ca 1972. Swarthmore College, Pennsylvania. Prof. for Religion (midrash).

Norman Solomon: Judaism and Interfaith relations since World War II. 198-229.

*1933. Prof Jewish studies, Birmingham, jetzt Jewish Graduate Theol. Foundation, Oklahoma.

 

Bremen/Wellerscheid, Januar 2022                                                            Christoph Auffarth

Religionswissenschaft,

Universität Bremen

E-Mail: auffarth@uni-bremen.de

 

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[1] Meine Rezensionen Jens Holger Schjørring; Norman A. Hjelm (Hrsg.): Geschichte des globalen Christen­tums. Erster Teil: Frühe Neuzeit. 2017. https://blogs.rpi-virtuell.de/buchempfehlungen/2018/03/02/geschichte-des-globalen-christentums/ (2.3.2018). Zweiter Teil: 19. Jahrhundert. 2018 in: rpi-virtuell. https://blogs.rpi-virtuell.de/buchempfehlungen/2018/08/05/geschichte-des-globalen-christentums-2/ (5.8.2018). Teil 3: 20. Jahrhundert. 2018 in: https://blogs.rpi-virtuell.de/buchempfehlungen/2018/12/28/geschichte-des-globalen-christentums-teil-3/ (28.12.2018).

[2] Horst Junginger: Christel Matthias Schröder (1915–1996) und seine Bedeutung für die deutsche Religionswissenschaft. In: Zeitschrift für Religionswissenschaft 9, 2001, 235–268. Horst Junginger hat Schröders Korrespondenz katalogisiert und ein Findbuch erstellt. Die Korrespondenz ist jetzt im Staatsarchiv Bremen aufbewahrt. Schröder hat seine Marburger Dissertation Rasse und Religion. Eine rassen- und religionswissenschaftliche Untersuchung. München: Reinhardt 1937 als Gegenschrift zu Jakob Wilhelm Hauers arischer Religionswissenschaft geschrieben. Dieser rezensierte gereizt das Buch.

[3] 3 Bände. Stuttgart: Kohlhammer 2002-2004. Der dritte Band ist der Gegenwart gewidmet und enthält Videos von Ritualen, wie sie von den letzten Vertretern der Tradition ausgeführt werden.

[4] Günter Mayer (Hrsg.), mit Beiträgen von Hermann Greive u.a.: Das Judentum. (Die Religionen  der Menschheit 27) Stuttgart: Kohlhammer 1994. Inhaltsverzeichnis 03029245X.pdf (gbv.de). „Judentum“ wurde abgetrennt von der Religion Israels, die 1963 Helmer Ringgren (1917-2012) beschrieb. Die Aufteilung folgte der protestantischen Trennung von Israel = Verheißung auf das Evangelium im Gegensatz zum Judentum = Ablehnung des Evangeliums, Der Band Judentum enthielt vor allem die Theologie von Rabbinern des 20. Jahrhunderts. (BLV/MT vol. I.16 die Herausgeber nennen ihren Band dennoch iteration) Franz Kafka und Ernst Bloch kamen natürlich nicht vor – Kafka ist jetzt in III.142f gut skizziert, Bloch nicht.

[5] Burton L. Visotzky, geboren 1951, ist Professor am Jewish Theological Seminary in New York City für Midrasch und Interreligiöse Studien. Er lehrt dort seit 1977, in dem Jahr wurde er auch zum Rabbiner ordiniert. Im Folgenden kürze ich seinen Namen ab mit den Initialen BLV.

[6] Michael Tilly, geboren 1963, ist Professor für Neues Testament und Judentum an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen seit 2012. Das Institutum Iudaicum der Universität, an dem Hermann Lichtenberger und Martin Hengel ihre bahnbrechenden Studien zu Hellenismus und Judentum und zum Frühchristentum im Rahmen des zeitgenössischen Judentums erforschten, leitet jetzt Prof. Holger Zellentin. Otto Michel hat das Institut gegründet. Im Folgenden kürze ich Tillys Namen ab mit den Initialen MT.

[7] Die Herausgeber resümieren selbst (unter den Lücken, die das Handbuch nicht füllen konnte), dass eine gewissen ‚aschkenasische Normativität‘ (17) vorherrsche, d.h. Sefarden und Juden in islamischen Ländern nicht oder kaum vorkommen. Etwa zu den Karaiten/Karäern gibt es nur den Abschnitt I.154-158 und II.157-171 (zur Literatur). Die wichtige Episode ist nicht bekannt, die Hannelore Müller aufgedeckt hat: Bei der Besatzung Osteuropas im Zweiten Weltkrieg beriefen sich die Karäer darauf, dass sie keine ‚Juden‘ seien. Das erkannten die deutschen Besatzer an: Religionswissenschaftliche Minoritätenforschung: Zur religionshistorischen Dynamik der Karäer im Osten Europas. Wiesbaden: Harrassowitz 2010.

[8] Die entscheidende Re-Definition dürfte durch die Zwangsabgabe des fiscus Iudaicus initiiert worden sein: Nachdem die Römer den Tempel in Jerusalem zerstört hatten, zwangen sie die Juden, dennoch die Tempelsteuer zu entrichten, die sie dann für die Renovation des Tempels des Iupiter in Rom ver­wendeten. Menschen, die dem jüdischen Monotheismus anhingen, aber sich nicht hatten beschneiden lassen oder den Speiseregeln folgten und nicht auf das sakrale Zentrum in Jerusalem ausgerichtet waren, die sog. Gottesfürchtigen, zahlten die Steuer nicht und galten daher nicht als Juden. In der Diaspora galt die Regel Jüdin und Jude ist, wer von einer jüdischen Mutter geboren ist. Doch verglei­che neben der knappen Darstellung III,49-52 Zemer (wie Anm. 17), 91-154. Zu den antiken Bezeich­nungen Iudaei/Ἰουδαῖοι s. Benedikt Eckhart: ‘Rom und die Juden – ein Kategorienfehler? Zur römischen Sicht auf die Iudaei in später Republik und frühem Prinzipat’. In Görge Hasselhoff; Meret Strothmann (eds.): Religio licita? Rom und die Juden. Berlin: de Gruyter 2017, 13-53. Jan N. Bremmer: Ioudaismos, Christianismos and the Parting of the Ways. In: Jens Schröter, Benjamin A. Edsall, Joseph Verheyden. (eds), Jews and Christians. Parting Ways in the First Two Centuries C.E.? Berlin: de Gruyter 2021, 57-87.

[9] III,50 Anm. 11: In den USA verstehen sich 22% als Jews of no religion, unter den Millennials, geboren nach 1980 sind es 32%.

[10] Beispielsweise hat MT im Kapitel Jews in the West I. 76-105 offenbar Anm. 12 und 16 den Verweis auf eine präzisere Darstellung nachgetragen, die er in seinen Büchern dargestellt hat. Was hat das Buch Daniel im Zusammenhang mit der Zerstörung des Tempels 70 n.Chr. zu tun? Können Herausgeber das nicht korrigieren (lassen)?

[11] Die deutsche (bzw. zweisprachige) Übersetzung der Mischna von der Gruppe um Michael Krupp, s. meine Rezensionen, zuletzt: Die Mischna [6]: Reinheiten – Seder Toharot. übersetzt und hrsg. von Michael Krupp 2017. https://blogs.rpi-virtuell.de/buchempfehlungen/2018/03/07/die-mischna-reinheiten/ (7.3.2018).

[12] Den Begriff führte Ed P. Sanders 1992 ein mit Blick auf Paulus, den man zuvor dem Diaspora-Judentum zurechnete im Gegensatz zum Judentum in Palästina. Martin Hengel hatte in seiner Habilitationsschrift Judentum und Hellenismus 1969 aber schon den Beweis geführt, dass auch das palästinische Judentum durchwegs hellenisiert war.

[13] Die Herausgeber „still debated“, aber nennen nicht die Debatte um Daniel Boyarin, der unter anderem in Border lines die These vertritt, dass das Judentum sich erst zu einer Religion verfestigte in Antwort auf die Aufwertung des Christentums im 4. Jh., die Zeit davor sei eine formative Phase. Vgl. Antike Juden und Christen streiten in Hörweite: Daniel Boyarins Borderlines auf deutsch: Abgrenzun­gen. Die Aufspaltung des Judäo-Christentums 2009. https://blogs.rpi-virtuell.de/buchempfehlungen/2010/10/20/abgrenzungen-die-aufspaltung-des-judao-christentums-von-daniel-boyarin/ (20.10.2010). Und verwegen der Titel von Peter Schäfer Geburten und Geschwister: Peter Schäfer: Die Geburt des Judentums aus dem Geist des Christentums 2010. https://buchempfehlungen.blogs.rpi-virtuell.net/2010/08/19/die-geburt-des-judentums-aus-dem-geist-des-christentums-von-peter-schafer (19.8.2010). Boyarin ist nur III.39 in anderem Zusammenhang erwähnt.

[14] Guy G. Stroumsa: La fin du sacrifice. Paris: Collège de France 2005. [Deutsch] Das Ende des Opfer­rituals. Die religiösen Mutationen der Spätantike Berlin: Verlag der Weltreligionen 2011. [Rez. Auffarth:] https://buchempfehlungen.blogs.rpi-virtuell.net/2011/12/30/das-ende-des-opferkults-die-religiosen-mutationen-der-spatantike-von-guy-g-stroumsa/ (30.12.2011).- In dem Sinn der Rezension hat GS jetzt auch die Perspektive verbreitert: The End of Sacrifice Revisited. In: GS: The Crucible of Religion. Tübingen: Mohr Siebeck 2021, 151-162.

[15] Die Quellen für Europa nördlich der Alpen werden jetzt zweisprachig ediert in den Monumenta Germaniae Historica-Hebräische Quellen. Der hebräische Josephus (Jossipon) ist ein überzeugendes Beispiel für das Erstarken des Judentums in Süditalien, Mitte 10. Jh. S. auch meine Rez. zu Jossipon: Das mittelalterliche Geschichtsbuch der Juden.

[16] Israel Yuval: Zwei Völker in deinem Leib. Gegenseitige Wahrnehmung von Juden und Christen. Göttingen: Vandenhoeck&Ruprecht 2007. Alan Mikhail: Selim – der Schatten Gottes. München: Beck 2020.

[17] Die 2019 auch ins Englische übersetzte Studie von Sina Rauschenbach bietet eine Verflechtungsper­spektive: Judentum für Christen. Vermittlung und Selbstbehauptung. Menasseh ben Israels in den gelehrten Debatten des 17. Jahrhunderts. Berlin: De Gruyter 2012 (fehlt III,199). Dies.; Jonathan Schorsch: The Sephardic Atlantic. Colonial Histories and Postcolonial Perspectives. Cham: Palgrave 2019.

[18] III 62-65, wenig zur Hochzeit mit Nicht-Juden (nur III,49-52 als Frage genannt). Wegen der sehr strikten Regeln seitens des Oberrabbinats III,51 weichen viele Israelis der religiösen Hochzeit aus nach Zypern. Der Staat Israel aber ist kein jüdischer Staat. III,52-58 beschreibt einige moral issues. Aber es fehlen die umstrittenen Probleme, die der liberale Rabbiner Moshe Zemer 1993 mit guten Beispielen diskutierte (und kritisierte), auf Deutsch 1999 Jüdisches Religionsgesetz heute. Ein moderner Blick auf traditionelle Quellen. (hebräisch 1993. Dt. Neukirchen-Vluyn 1999) Freiburg: Herder 2021 eindrücklich darlegt. Oder nichts zu der Debatte und Gerichtsentscheidungen zur Beschneidung (III,60f).

[19] Dennoch ist da ein Ungleichgewicht: MB beschreibt Antisemitismus außerhalb Deutschlands erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Doch vergleiche Götz Aly: Europa gegen die Juden 1880-1945. Frankfurt am Main: S. Fischer 2017. Steven Beller: Antisemitismus. Ditzingen: Reclam 2009, etwa zum bekennen­den Antisemiten Henry Ford.

[20] Auffarth: Christliche Festkultur und kulturelle Identität im Wandel: Der Judensonntag. In: Benedikt Kranemann; Thomas Sternberg (Hrsg): Christliches Fest und kulturelle Identität Europas. Münster: Aschendorff 2012, 30-47.

[21] Unter dem Titel sind die gegenwärtigen Ämter der Verfasserinnen und Verfasser aufgeführt.

 

 

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