Buch des Monats März 2015: Spirituelle Zusammenhänge von Gesundheit und Pflege im Krankenhaus

Rz-Schaupp-KrankenhausWalter Schaupp / Wolfgang Kröll  / Johann Platzer (Hg.):
Gesundheitssorge und Spiritualität im Krankenhaus.
Theologie im kulturellen Dialog, Band 26.
Innsbruck-Wien: Tyrolia 2014, 196 S. — ISBN 978-3-7022-3290-0 —

In diesem Band dreier Herausgeber von der Universität Graz kommt bereits das interdisziplinäre Interesse an diesem Thema zur Sprache. Im Vorwort begründen sie diese Dokumentation, die eine Tagung aus dem Jahr 2013 über „Gesundheitssorge und Spiritualität im Krankenhaus“ zusammenfasst: „Zunehmend wird … sichtbar, dass Religiosität/Spiritualität nicht nur am Lebensende ein wichtiges Thema ist, sondern auch in bestimmten Krankheitssituationen davor. Eine weitere Herausforderung liegt darin, nicht nur die Bedeutung von Religiosität/Spiritualität in den Blick zu nehmen, sondern auch für Angehörige der Gesundheitsberufe“(S. 7).

Die hier vorliegenden Beiträge sprechen die unterschiedlichen Facetten einer sich wandelnden Gesundheitssorge an. Die angesprochenen Lösungsmöglichkeiten erinnern überdeutlich, dass interkulturelle und interreligiös-spirituelle Zusammenhänge einen erheblichen Einfluss auf das „Klima“ eines Krankenhauses, aber auch auf die Heilungschancen von Patienten haben. Alle mit der Pflege und Therapie Beschäftigten sollten hier um der Patienten willen noch intensiver vorbereitet und geschult werden. Herausgeber und Autoren haben dazu kompetente Hilfestellung geleistet.

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Reinhard Kirste

  Creative Commons-Lizenz

Buch des Monats September 2014: Martyrium und Selbstopferung (nicht nur) im Mittleren Osten

Rz-Dehghani-Horsch-MartyrdomSasha Dehghani / Silvia Horsch (eds.):
Martyrdom in the Modern Middle East.

Ex Oriente Lux, Band 14. Würzburg: Ergon 2014, 225 S., Abb.
— ISBN 978-3-95650-030-5 —

Dieser Band präsentiert die überarbeiteten Beiträge eines Workshops an der Freien Universität Berlin aus dem Jahr 2011: “Traditions of Martyrdom in the Modern Middle East”. Entstanden ist dadurch eine Vergleichsperspektive im Blick auf das Märtyrerverständnis in den monotheistischen Religionen, aber auch unter Berücksichtigung hinduistischer Traditionen am Beispiel von Mahatma Gandhi. Ein gewisser Schwerpunkt liegt dabei auf dem Baha’i-Glauben. Insgesamt werden von den einzelnen AutorInnen soziologische, philosophische und theologische Aspekte des Märtyrertums in Vergangenheit und Gegenwart wirkungsgeschichtlich untersucht. Die Konfliktsituationen in ihrer Unterschiedlichkeit bringen auch Märtyrerprofile in erstaunlicher Vielgestaltigkeit hervor. Dies schlägt sich in bestimmten Ritualen, aber auch in den künstlerischen Darstellungen nieder.

Das Buch bietet wichtige Einsichten in die religiös-theologischen Grundmuster von(Selbst-)Opfer und Martyrium, hauptsächlich in den monotheistischen Religionen und in gesellschaftlichen Zusammenhängen.  Die ungewollten und gewollten Martyrien sind eine Herausforderung an Menschenwürde und Menschenrechte. Die Wiederherstellung der Humanität gehört zu den dringendsten globalen Aufgaben!

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 Reinhard Kirste

Creative Commons-Lizenz

 Rz-Dehghani-Horsch-Martyrdom, 31.08.14

 

 

 

Buch des Monats Oktober 2013: Islamische Seelsorge in der multikulturellen Gesellschaft

BRz-Ucar-Seelsorgeülent Ucar / Martina Blasberg-Kuhnke, (Hg.):
Islamische Seelsorge zwischen Herkunft und Zukunft.
Von der theologischen Grundlegung zur Praxis in Deutschland.
Reihe Osnabrücker Islamstudien Band 12.
Frankfurt/M. u.a.: Peter Lang
2013, 192 S.
— ISBN 978-3-631-64063-0 geb. – ISBN 978-3-653-02533-0 (eBook) 

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 Die Universität Osnabrück hat mit ihrem Zentrum für Islamstudien seit 2008 einen wesentlichen Beitrag für die Etablierung der islamischen Theologie und der mit ihr verbundenen Religionspädagogik geleistet. Bülent Ucar als Direktor des Instituts für Islamische Theologie und das Team des Instituts haben beachtliche Fortschritte im Blick auf den islamischen Religionsunterricht erzielt. Denn ihre theologischen Forschungsarbeiten stehen im Kontext der universitären Nachbardisziplinen, besonders der christlichen Theologie. Als Zwischenergebnisse dieser Arbeit sind inzwischen 15 Bände der Reihe „Osnabrücker Islamstudien“ erschienen. Im hier vorliegenden 12. Band verweisen bereits die Herausgeber, der islamische Theologe  Bülent Ucar und die katholischen Religionspädagogin Martina Blasberg-Kuhnke, auf die fast selbstverständliche Kooperation zwischen islamischer und christlicher Theologie auf der Schwelle von Theorie und Praxis in der Seelsorge.

Verstärkt durch die Migrationssituation ist in Europa und gerade auch in Deutschland nämlich der Islam besonders herausgefordert. Insofern wird neben bereits existierenden interreligiösen Seelsorgekonzepten in diesem Band ein systematisierender Weg eines neuen Verständnisses beschritten, und zwar in drei Abschnitten:

  • 1. Teil: Grundlagen und Entwicklung der Seelsorge

  • 2. Teil : Seelsorgekonzepte

  • 3. Teil:  Seelsorge in der Praxis: Erfahrungsberichte

Dieses Buch mit seinen unterschiedlichen seelsorgerlichen Zugängen aus weitgehend islamischer Perspektive zeigt überzeugend die Notwendigkeit auf, dass Religionen angesichts alltäglicher und lebensbedrohlicher sowie tödlicher Lebenserfahrungen Grund legen müssen, um Menschen konkret Halt und Trost zu geben. Besonders zu würdigen ist, dass islamische Seelsorge offensichtlich von Anfang an in ein interreligiös offenes Seelsorgekonzept. Muslimische und christliche Seelsorger plädieren gleichermaßen für eine glaubwürdige und weiterhelfende Seelsorge für die betroffenen Menschen mit ihren Nöten, Ängsten, Verzweiflung und Schmerzen.

Reinhard Kirste

Rz-Ucar-Seelsorge, 30.09.2013     Creative Commons-Lizenz

Hildegard-Medizin für Körper und Seele

Rz-Pregenzer-Hildegard-MedizinBrigitte Pregenzer / Brigitte Schmidle in Zusammenarbeit mit Felicitas Karlinger: Hildegard von Bingen – Einfach gesund.
Ein Gesundheitsratgeber mit Sonderteil „Hildegard-Apotheke für Einsteiger“. Innsbruck-Wien: Tyrolia [2006]  2011, 3. Aufl., 235 S., Abb., Register
 Ausführliche Rezension: hier

Der Name „Hildegard von Bingen (1098-1179) ist seit längerum schon zum  Programm für bewusstes ganzheitliches Leben geworden. So spielt neben ihren Visionen un dihrem religiösen und politishcen Enaggement auch ihre Heilkunde eine große Rolle.

Der Tyrolia-Verlag hat hierzu eine ganze Serie aufgelegt: Zeitlose Lebensweisheiten für Menschen, die ihr Leben bewusst gestalten wollen.

Der hier herausgegriffene Band lockt wegen seiner Überblicksstruktur nun besonders zum Nachlesen. Er enthält neben grundsätzlichen Überlegungen zu einem gesunden, ganzheitlichen Leben und einem kurzen Lebensbild der Hl. Hildegard in einem 1. Teil  (leicht grün eingefärbt) lexikonartig zusammengefasst Krankheitsbilder A-Z (Akne bis Zorn) Im 2. Teil (im schwachem Rosa) folgen dann die Heilmittel und Elixiere gegen die genannten Krankheiten, ebenfalls von A-Z (Akeleihonig bis Zypressenbad). Hinzu kommt eine Art Sonderteil. Er befasst sich zuerst mit dem Fasten, dem Aderlass und dem Schröpfen, gibt dann sog. Goldene Lebensregeln, wie man/frau die Lebensenergie erhält und die Wachstumskräfte stimuliert. Die Konkretion erfolgt über Ernährungstipps und die Wirkkraft bestimmter Getränke. Schließlich gibt es eine sog. Hildegard-Apotheke für Einsteiger, im Grunde noch einmal eine stichwortartige Zusammenfassung des Lexikons.

Leserinnen und Leser werden hier mit diesen Überlegungen und Praxistipps  angeregt, das Empfohlene in den Alltag zu integrieren, im eigenen Garten zu planen oder mit entsprechenden Pflanzentöpfen sich die Wohltaten der Natur ins Haus zu holen und damit entsprechend zu experimentieren.  So ist ein Vademecum entstanden, das durchaus die seelische und körperliche Gesundheit fördert.

Reinhard Kirste

Rz-Pregenzer-Hildegard-Medizin, 12.12.12    

Buch des Monats Dezember 2012: Interreligiöse Friedensbeiträge

Michaela Sohn-Kronthaler / Paul Zahner OFM (Hg.): Pax et Bonum.
Franziskanische Beiträge zu Frieden und interreligiösem Dialog.
Theologie im kulturellen Dialog, Band 23.
Innsbruck –Wien 2012, 216 S., Abb.,  Personenregister
— ISBN 978-3-7022-3187-3

Ausführliche Rezension: hier

Der vorliegende Band ist das Ergebnis eines intensiven Diskurses der Franziskaner mit den Friedensintentionen ihres Gründers. Leitmotiv insgesamt bildet die von Franziskus unternommene Reise zum Sultan Malek al-Kamel von Ägypten im Jahre 1219, deren äußerlicher Misserfolg dennoch eine interreligiöse Offenheit des Franziskanerordens initiierte, die sich kreativ und konsequent bis in die Gegenwart hin auswirkt.

Bei Lesen  sowohl der historisch bezogenen wie der gegenwärtig aktuellen Beiträge spürt man: Der Geist des Hl. Franz motiviert die AutorInnen, einen Religionsgrenzen überschreitenden Frieden weiter zu tragen und gesellschaftliche Konflikte nicht zu überspielen. Das Buch macht Mut, angesichts aller Glaubensansprüche und Vorurteile die interreligiöse Begegnung freundschaftlich zu fördern und die Friedenskräfte aller Religionen wirksam werden zu lassen.

Reinhard Kirste

Rz-Sohn-Kronthaler-Franziskus, 30.11.12

Stéphane Hessel: Empörung – Engagement – Friedensaufruf

Der 93jährige Stéphane Hessel hatte 2010 mit seinem Essay “Empört Euch!” in Frankreich eine machtvolle Diskussion entfacht, weil er mit intellektueller Schärfe den Verrat von demokratisch-freiheitlichen Grundwerten und gesellschaftliche Ausgrenzung einzelner Gruppen als zunehmend skandalös empfindet:

Stéphane Hessel: Empört Euch!
Aus dem Französischen von Michael Kogon.
Berlin: Ullstein 2011, 2. Aufl.

— Rezension hier —

 

Man hat zu Stéphane Hessel gesagt: “Empörung reicht nicht, wo bleibt das Engagement?” Der Mitverfasser der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte” von 1948 legte nach. Im März erschien in Frankreich: “Engagez-vous!”

Die  deutsche Ausgabe erschien im Juli 2011:
                  Engagiert Euch! 

Die Berliner Zeitung hatte nach dem Erscheinen in Frankreich am 17.03.2011 anerkennend geschrieben, wie eindrucksvoll der Autor Empörung in Engagement umzuwandeln vermag: 
Rezension hier

In der schon erwähnten knappen, aber nicht minder präzisen Art erschien im Frühjahr 2012 ein weiteres Bändchen, das ein Gespräch von Stéphane Hessel mit dem Dalai Lama über die Notwendigkeit des friedlichen Zusammenlebens bringt. In einer „Kartografie des Geistes“ entsteht, wie das menschliche Bewusstsein voranschreiten kann und sich dadurch gleichermaßen säkular und religiös der Frieden voranbringen lässt.

Es wäre gut auf diese gestandenen „Friedensarbeiter“ zu hören, wie sie um der Menschenrechte willen rufen: 


Declarons la paix! Wir erklären den Frieden!

 Dalai-Lama / Stéphane Hessel: Déclarons la paix!
Pour un progrès de l’esprit.
Barcelone: Indigène 2012, 46 S.

Eine deutsche Übersetzung ist in Vorbereitung.

 

 

Buch des Monats Januar 2012: Umgang mit Krankheit und Lebenskrisen

Annelie Keil: Auf brüchigem Boden Land gewinnen: Biografische Antworten auf Krankheiten und Krisen. München: Kösel 2011, 253 S. — ISBN 978-3-466-30907-8
Annelie Keil, auch durch Fernsehauftritte bekannt gewordene Sozial- und Gesundheitswissenschaftlerin, war bis 2004 Professorin und Dekanin an der Universität Bremen. Sie hat in ihren Vorträgen und Veröffentlichungen immer wieder auf die psychosomatischen Zusammenhänge von Krankheiten und Lebenskrisen hingewiesen. Ihr nun vorgelegtes Buch lässt sich auch als biografisch geprägte Reise durch die Höhen und Tiefen der eigenen Lebenslandschaft sehen. Was sie jedoch in diesen Rahmen bedenkt, ermöglicht den Lesenden durchaus, orientierende Überlegungen und Entschlüsse für das eigene Leben anzugehen. Denn hier spricht die lebenserfahrene Professorin nicht abgehoben psychologisch, sondern arbeitet Lebensgeschichten auf. Die angesprochenen Beispiele lassen gewissermaßen Transfers zu, weil sich vom Einzelbeispiel her Erfahrungen übertragen lassen und trotz aller Brüchigkeit des Lebens, Risiken eingegangen werden können (S. 17). 
Die Chance und die Schwierigkeit bestehen darin, dass Leben ein ständiger Prozess der Wandlung mit Höhen und Tiefen ist. Wenn wir keine Navigationsinstrumente haben, verlieren wir uns in der Fremde hoffnungslos und unser Leben gleitet ins Chaos ab. In der Spannung von Lust, Angst, Hoffnung, Verzweiflung, Gelingen und Scheitern melden sich Seele und Körper gleichermaßen. So fließen in das erzählende Reflektieren Beispiele aus der eigenen Lebenspraxis, der Krankenforschung und der intensiven Begegnung mit Betroffenen ein.

In drei Schritten koordiniert Annelie Keil ihre Erfahrungen und grundsätzlichen Einsichten, zuerst im Blick auf die Hürdenläufe und Zickzacklinien des Lebens, dann im Blick auf die Krankheit als biografischem Aufruhr und schließlich im Blick auf die notwendige biografische Arbeit an sich selbst. In der Spannung zwischen Geburt und Tod fordert der Umgang mit den einzelnen Lebensphasen und dem Älterwerden eine zentrale Beachtung des eigenen Selbst ein: „Leben macht als solches nicht weiser, aber die Weisheit des Lebens fordert Kinder und alte Menschen heraus, sich den Ereignissen, Erfahrungen und dem eigenen Erlebnis des Lebens zu stellen, damit es am Ende das eigene Leben genannt werden kann …“ (S. 42). Große und kleine Herausforderungen nötigen einerseits zur Lebendigkeit, machen gar jung, lassen die Hoffnung nicht sterben. Diese haben andererseits auch die Gefahr von Traumata und des Unbeweglich-Werdens in sich. Zwischen Beharrung und Chaos sind Halt gebende Faktoren nötig wie die Familie, die Schulerfahrungen, der Ort an dem man lebt. „Bei allen Unterschieden wie Ähnlichkeiten in den menschlichen Herausforderungen und >Schicksalsschlägen< bleibt unvorhersagbar und offen, welche konkreten biografischen Antworten, fantasiereiche Ausdrucksformen, Krisenlösungen und Bewältigungsmuster die einzelnen Menschen während ihre Lebens immer wieder finden, um ihr persönliches Leben in den Griff zu bekommen …“ (S. 30)

So erinnert die Autorin an die Biografie „als Umsetzungsgeschichte der Datenbank, in der das Leben subjektiv gestaltet und mit Bedeutung versehen wird“ (S. 63), denn das „biografische Bewusstsein [arbeitet] ständig in den Spielräumen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und entscheidet darüber, was im Nachdenken bewusst werden darf“ (S. 63). Dazu ist eine „Ökonomie des Lebens“ nötig mit „Zukunftswerkstätten, in denen es um einen kreativen, achtsamen wie kritischen Umgang mit menschlichen wie gesellschaftlichen Entwicklungen geht“ (S. 80.81). Für solche Entwicklungsstrategien macht sich die Autorin stark. Sie sind besonders dringend angesichts von Abbrüchen und Abschieden. Die Krankheit ist darum einer der heftigsten Zeichengeber, weil sie die Brüchigkeit schonungslos offenbart: „Der ganze Körper ist leibhaftige Bühne, auf der erscheint, was dem Leben im Fall der Krankheit geschieht. Er muss zum Ausdruck bringen, was gerade gespielt wird, wer ausfällt oder kompensieren muss, wer die Musik bestellt hat und wer wann bezahlt“ (S. 150).
Was ist nun für die notwendige biografische Arbeit angesichts der Gratwanderung des Lebens zu bedenken? Wie schätze ich menschliche Begegnungen von Geburt an ein? Wo stand ich im Lebenszusammenhang am Rand, wo in der Mitte? Wie sieht es mit den eigenen Gefühlslandschaften und Eigenschaften zwischen Wohlgefühl und Ablehnung aus? Wie sind die persönlichen Bezugssysteme einzuschätzen im Blick auf die Eltern, die Familie, die kulturellen und religiösen Prägungen? Um Negativlisten kommt niemand herum. Die Antwort auf einzelne Fragen wird schwanken zwischen Müssen, Sollen, Wollen, Können und Dürfen. „Zwischen Erleiden und Entscheiden bestimmen wir also einen Teil unseres Lebens selbst“ (S. 229). Der steinige Weg bis hin zum „Dürfen“ leugnet nicht die Schatten, aber gegen alle Widerstände wie Krankheit und Verlust leben zu wollen und zu dürfen, ist letztlich eine „grenzenlose Aufforderung“ (S. 236).
Annelie Keil hat kein systematisches Buch geschrieben, aber ein biografisch bewusstes, ein die Lebensstränge und Brüche überprüfendes und sortierendes. Sie tut dies in leicht lesbarer und oft origineller Sprache. Die dazu gehörenden Beispiele sind keineswegs beliebig gewählt, sondern haben anregenden Charakter. Sie motivieren, eigene Lebenssituationen reflektierend Revue passieren zu lassen und für die Zukunft die Weichen bewusst zu stellen. Mehrfach lädt sie im Buch ein, die persönliche Lebensgeschichte, nicht nur zu erzählen, sondern auch aufzuschreiben, die individuelle, scheinbar kleine Geschichte in den Gesamtzusammenhang der Menschheitsgeschichte einzubringen. Dies eröffnet zugleich die Möglichkeit, die Dunkelseiten der eigenen Biografie nicht abzuspalten, sondern zu integrieren und Freiheit auf das Kommende hin zu gewinnen. So lässt sich das eigene oft schwankende Lebensgefühl bewusst und aufmerksam in das gesellschaftliche Ganze einbringen und „Land gewinnen“. Von daher ist es ein wichtiges Buch für Lebensorientierung.
Reinhard Kirste, Rz-Keil, 31.12.11