Heilige Schriften der Abrahamsreligionen kennen lernen

Rz-Sajak-Hl_SchriftenClauß Peter Sajak (Hg.): Heilige Schriften.
Texte – Themen – Traditionen. Sekundarstufe I und II.

Lernen im Trialog Heft 3. Ein Projekt der Herbert Quandt-Stiftung.
Paderborn: Schöningh 2015, 96 Seiten, Abb.
– mit Materialiensammlung und Glossar
— ISBN 978-3-14-053652-3 —

Im vorliegenden Heft  geht es darum, die Heiligen Schriften der abrahamischen Religionen im Sinne von kompetentem Basiswissen zu erschließen.  Es geht dann konkret exegetisch, rituell und didaktisch zuerst um die hebräische Bibel, TeNaK, christlich gesprochen um das Alte Testament mit: Tora = Gesetz, Nebi’im = Propheten, Ketubim = Schriften. Es folgen die christliche Bibel und der Koran Aufgrund der didaktischen Zielorientierung lassen sich von hier aus Themen entwickeln, die eine Auseinandersetzung mit zentralen Personen der drei monotheistischen Religionen ermöglichen.

Die thematischen Bausteine dazu sind:

  • Orientierungswissen erwerben
  • Vergleich von Tenach, Bibel und Koran
  • Begegnungen mit Personen aus den Heiligen Schriften ermöglichen (z.B. mit Ruth, Noah).

Die Arbeitsblätter im Schlussteil zeigen sehr schön. wie bei aller auch immer vorhandenen Distanz zu den biblischen und koranischen Texten dennoch ein jugendgemäßer Zugang mit einer gezielten Sachorientierung möglich ist. Damit wird interreligiöse Kompetenz nicht nur kognitiv erarbeitet, sondern auch affektiv und meditativ zugänglich gemacht und kann „ganzheitlich“ verarbeitet werden.

Das vorliegende Trialogheft leistet für alle interreligiös Interessierten einen hilfreichen und weiterführenden Beitrag.

Ausführliche Beschreibung: hier

Reinhard Kirste

Rz-Sajak-Heilige Schriften, 06.06.2015    Creative Commons-Lizenz

Vertiefter Dialog – für (inter-)kulturelle Transformation

LeRz-Swidler-Dialogueonard Swidler: Dialogue for Interreligious Understanding.
Strategies for the Transformation of Culture-Shaping Institutions.
New York /London: Palgrave: Macmillan 2014, 212 S., Index — ISBN 978-1-137-47119-2 —

Mit diesem Band verdeutlicht Leonard Swidler (geb. 1929), welche Ziele er von Anfang an verfolgte, als er den interreligiösen Dialog zu seinem Forschungs- und Lebensschwerpunkt machte. Der katholische Theologe lehrt seit 1966 an der Temple University in Philadelphia (USA) „Catholic Thought and Interreligious Dialogue). Er hat nicht nur die renommierte Zeitschrift Journal of Ecumenical Studies (zusammen mit seiner Frau Arlene) gegründet, sondern auch das Dialogue Institute, dessen Präsident er seitdem ist, und das er derzeit in ein internationales Netzwerk von Dialog-Instituten einbindet. Len Swidler hat viele Bücher geschrieben bzw. mit anderen Theologen und Religionswissenschaftlern herausgegeben. Als Gastprofessor hat er an vielen Universitäten weltweit Vorlesungen gehalten und tut dies immer noch.

Dieses Buch verbindet vieles von dem Bisherigen im Sinne einer „hilfreichen Kombination“ von theoretischen Ideen und praktischen Projekten (S. 3). Es ist ein Dialog über den Dialog. Das macht zugleich den Reiz der hier vorliegenden Texte aus. Einige hatte Swidler schon früher veröffentlicht. Sie sind nun teilweise überarbeitet und sollten als Einladung für einen vertieften Dialog verstanden werden. Diesen beschreibt Swidler zugleich als einen Weg, in dem kritisches Denken, emotionale Intelligenz und sich gegenseitig anspornende Kooperation zusammenkommen. Die Texte aus diesem Buch spiegeln darum die verschiedenen Aspekte von „deep dialogue“ und können als dialogisch-biografische Bilanz verstanden werden, die sich aus 60 Jahren Arbeit interreligiöser Begegnung ergeben haben. In seiner „Conclusion“ wünscht sich Swidler, dass die von ihm hier bilanzierten Gedanken nicht nur visionär wirken mögen, sondern dazu führen, dass viele Menschen diese miteinander im Sinne einer Global Business-Ethik teilen. Angesichts all der brutalen Konflikte und des unsäglichen Leids vieler Menschen wäre zu wünschen, dass sich viele Einzelne, aber auch Städte und Staaten bewusst auf diesen „Deep Dialogue“ einließen. Von daher erscheint es geradezu dringend, dass dieses Buch auch in anderen Sprachen und bald in Deutsch erscheinen könnte.

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Reinhard Kirste

Rz-Swidler-Dialogue, 30.12.14    Creative Commons-Lizenz

 

Ökumenisch gelebtes Christsein – Friedrich W.J. Hasselhoff

Rz-HasselhoffFriedrich W.J.Hasselhoff: »Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen«
Gesammelte Aufsätze, Vorträge und Predigten. Hg.: Görge K. Hasselhoff.

Würzburg: Königshausen & Neumann 2012, 362 S., Register — ISBN 978-3-8260-4995-8 —

Der vorliegende Band gibt einen anregenden Einblick in das jahrzehntelange theologisch-pädagogisch-dialogische Wirken des ehemaligen Hochschul-dozenten, Pfarrers und Schulreferenten Friedrich Hasselhoff (1928 – 2012). Es handelt sich um veröffentlichte und unveröffentlichte Aufsätze, Vorträge, Predigten und religionspädagogische Entwürfe, die sein Sohn Görge, Theologe und Hochschuldozent an der Ruhruniversität Bochum und an der TU Dortmund, systematisierend zusammengestellt hat. Es erstaunt die Vielfältigkeit der angesprochenen Themen, die sich im Band konkret auf folgende Bereiche beziehen: Biblische Exegese, Predigten und Ansprachen. Schwerpunkte sind Geschichtliches zum Judentum und Überlegungen zum christlich-jüdischen Dialog, und zwar aus historischer und theologisch-systematischer Sicht, ergänzt durch das Beispiel der christlichen Siedlung Nes Ammim in Israel.

Es versteht sich von selbst, dass die in einem langen Zeitraum entstandenen Aufsätze und Vorträge eine gewisse Zeitbedingtheit widerspiegeln. Zugleich aber ist hier eine Sammlung eines theologischen und religionspädagogischen Weiter-Denkers entstanden. Er hat durch sein Engagement im christlich-jüdischen Dialog über die Ökumene der Konfessionen hinausgedacht und damit auch der Ökumene der Religionen wichtige Impulse gegeben.

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Reinhard Kirste

Rz-Hasselhoff, 17.10.14   Creative Commons-Lizenz

 

Perspektiven religiöser Bildung im zusammenwachsenden Europa

Rz-Schreiner-Religion-EuropaPeter Schreiner: Religion im Kontext einer Europäisierung von Bildung.
Eine Rekonstruktion europäischer Diskurse und Entwicklungen aus protestantischer Perspektive. Religious Diversity and Education in Europe.

Vol. 22. Münster u.a.: Waxmann 2012, 402 S.      
(zugleich Dissertation Universitäten Erlangen-Nürnberg        
und Vrije Universiteit Amsterdam 2012)
— ISBN 978-3-8309-2801-0 —
Rezension von Prof. Dr. Martin Schreiner (Universität Hildesheim),
zuerst erschienen in:
Theo-Web. Zeitschrift für Religionspädagogik 12 (2013), H.1, 187-279

im Rahmen einer umfassenden Sammelrezension:
Von „Globalisierte Religion“ über „Empathische Bibeldidaktik“ bis zum
„Kompendium der frühchristlichen Wundererzählungen“– Beachtenswerte
Neuerscheinungen für die religionspädagogische Handbibliothek.

Die jeweiligen Schwerpunkte der hier ausgewählten Besprechung sind redaktionell durch Fettschreibung hervorgehoben!

Die Gesamtbesprechung kann eingesehen werden unter:
http://www.theo-web.de/zeitschrift/ausgabe-2013-01/15.pdf

Der Rezensent betont insgesamt die Wichtigkeit dieser vorgelegten Situationsanalyse und beginnt mit der klar konturierten Zielrichtung, die Peter Schreiner in seiner Einleitung formuliert und damit zugleich den europäischen Bildungshorizont unter religiöser Fokussierung anspricht:

„>In der Studie wird die Bedeutung von Religion im Kontext einer Europäisierung von Bildung untersucht. Ein Ausgangspunkt ist dabei, dass europäische Prozesse in vielfältiger Weise auf nationale Bildungs- und Ausbildungssysteme einwirken (Europäisierung von Bildung) und dass die europäischen Institutionen, der Europarat und die Europäische Union, zentrale Akteure in der Veranlassung und der Entwicklung dieser Prozesse sind. Ihre Positionen und ihre inhaltlichen Konzepte materialisieren sich dabei in zahlreichen politischen Dokumenten, die bislang im Rahmen der Forschung noch nicht hinreichend beachtet und untersucht wurden … Ergebnisse der Analyse werden, orientiert an den zentralen Kategorien ‚Religion‘ und ‚Bildung‘, zusammenfassend dargestellt und von einer protestantischen Perspektive aus diskutiert. Die Studie wird mit einem Resümee und mit Anregungen zur Weiterentwicklung der Forschung sowie für Bildungspolitik und eine weitergehende Europäisierung evangelischer Bildungsverantwortung abgeschlossen< (11).

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Martin Schreiner

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Buch des Monats Oktober 2013: Islamische Seelsorge in der multikulturellen Gesellschaft

BRz-Ucar-Seelsorgeülent Ucar / Martina Blasberg-Kuhnke, (Hg.):
Islamische Seelsorge zwischen Herkunft und Zukunft.
Von der theologischen Grundlegung zur Praxis in Deutschland.
Reihe Osnabrücker Islamstudien Band 12.
Frankfurt/M. u.a.: Peter Lang
2013, 192 S.
— ISBN 978-3-631-64063-0 geb. – ISBN 978-3-653-02533-0 (eBook) 

Ausführliche Beschreibung: hier

 Die Universität Osnabrück hat mit ihrem Zentrum für Islamstudien seit 2008 einen wesentlichen Beitrag für die Etablierung der islamischen Theologie und der mit ihr verbundenen Religionspädagogik geleistet. Bülent Ucar als Direktor des Instituts für Islamische Theologie und das Team des Instituts haben beachtliche Fortschritte im Blick auf den islamischen Religionsunterricht erzielt. Denn ihre theologischen Forschungsarbeiten stehen im Kontext der universitären Nachbardisziplinen, besonders der christlichen Theologie. Als Zwischenergebnisse dieser Arbeit sind inzwischen 15 Bände der Reihe „Osnabrücker Islamstudien“ erschienen. Im hier vorliegenden 12. Band verweisen bereits die Herausgeber, der islamische Theologe  Bülent Ucar und die katholischen Religionspädagogin Martina Blasberg-Kuhnke, auf die fast selbstverständliche Kooperation zwischen islamischer und christlicher Theologie auf der Schwelle von Theorie und Praxis in der Seelsorge.

Verstärkt durch die Migrationssituation ist in Europa und gerade auch in Deutschland nämlich der Islam besonders herausgefordert. Insofern wird neben bereits existierenden interreligiösen Seelsorgekonzepten in diesem Band ein systematisierender Weg eines neuen Verständnisses beschritten, und zwar in drei Abschnitten:

  • 1. Teil: Grundlagen und Entwicklung der Seelsorge

  • 2. Teil : Seelsorgekonzepte

  • 3. Teil:  Seelsorge in der Praxis: Erfahrungsberichte

Dieses Buch mit seinen unterschiedlichen seelsorgerlichen Zugängen aus weitgehend islamischer Perspektive zeigt überzeugend die Notwendigkeit auf, dass Religionen angesichts alltäglicher und lebensbedrohlicher sowie tödlicher Lebenserfahrungen Grund legen müssen, um Menschen konkret Halt und Trost zu geben. Besonders zu würdigen ist, dass islamische Seelsorge offensichtlich von Anfang an in ein interreligiös offenes Seelsorgekonzept. Muslimische und christliche Seelsorger plädieren gleichermaßen für eine glaubwürdige und weiterhelfende Seelsorge für die betroffenen Menschen mit ihren Nöten, Ängsten, Verzweiflung und Schmerzen.

Reinhard Kirste

Rz-Ucar-Seelsorge, 30.09.2013     Creative Commons-Lizenz

Kompetenzentwicklung für interkulturelles und interreligiöses Lernen

Rz-BernlochnerMax Bernlocher: Interkulturell-interreligiöse Kompetenz. Positionen und Perspektiven interreligiösen Lernens im Blick auf den Islam.
Beiträge zur Komparativen Theologie Band 13.
Paderborn: Schöningh 2013, 390 S., Personenregister
— ISBN  978-3-506-77665-5 — (zugl. Diss. München 2012)

Ausführliche Beschreibung: hier

Der Autor Max Bernlochner ist Politikwissenschaftler und seit 2011 Leiter des Referats für interkulturelle Angelegenheiten im Ministerium für Integration des Landes Baden-Württemberg. Er ist in der katholischen Theologie beheimatet. Darüber hinaus hat er sich seit vielen Jahren engagiert um den christlich-islamischen Dialog gekümmert.

Dass der Autor angesichts der Problematik interkulturllen und interreligiösen Lernens unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen Deutschlands in einem recht unübersichtlichen Feld unterwegs ist, hängt bereits mit den schwierigen Grundbegriffen von Kultur und Religion zusammen, zumal interkulturelle und interreligiöse Begegnung immer ineinanderwirken. Gemeinsame ethische Orientierung als Basismöglichkeit in Christentum und Islam, Übereinstimmungen von christlicher und islamischer Theologie im Schöpfungsverständnis, Wirkebenen des barmherzigen Gottes, Verantwortlichkeit in der Gegenwart als Heilsvoraussetzung sind ihm darum wichtig.  So tauchen Grundrisse einer interreligiösen Ethik auf, die gegenseitige Stärken und Fehleinschätzungen moralischer Art offenlegen und zu gemeinsamen Engagement herausfordern, besonders im Blick auf Hilfsbedürftige und den Schutz der Umwelt.

Insgesamt gelingt es Bernlochner mit diesem umfassenden Ansatz religionsdidaktischer sowie schul- und ausbildungsorganisatorischer Konkretionen, ein (Schul-)Modell interkulturell-interreligiöser Kompetenz zu entwickeln und dies religionspädagogisch als zwingend einzufordern und mit Hilfe einer kooperativen Fächergruppe für ein gemeinsames Lernen zu präzisieren. Studierende, Lehrende und Schüler behält er dabei gleichermaßen religionsdialogisch im Blick und belegt dies immer wieder durch praktische Beispiele. Mit seinen Analysen und präziserenden Zielvorgaben eröffnet er Wege, eine interreligiöse Religionspädagogik weiter zu entwickeln.

Reinhard Kirste

Rz-Bernlocher, 21.04.2013   Creative Commons-Lizenz

 

Buch des Monats Februar 2013: Islam ist Barmherzigkeit

Rz-Khorchide-islamMouhanad Khorchide: Islam ist Barmherzigkeit.
Grundzüge einer modernen Religion.

Freiburg u.a.: Herder 2012, 220 S. — ISBN 978-3451305726 —

Ausführliche Rezension: hier

 

Der Autor, Professor für Islamische Religionspädagogik und Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster, versucht mit diesem Buch, einen positiven Akzent in die oft von Vorurteilen und Verdächtigungen geprägte Islam-Debatte zu bringen.
So  unterscheidet der Theologe sehr genau, was viele Muslime als Glaubenspraxis verinnerlicht haben und was der Koran wirklich intendiert.

Zum einen ist der Koran unter bestimmten zeitlichen Bedingungen entstanden, die man nicht einfach negieren kann. Zum Andern muss heute Auslegung den jeweiligen Kontext berücksichtigen. Zum Dritten muss nach dem hermeneutischen Leitmotiv für die Koran-Interpretation gefragt werden. Sorgsame Exegese belegt, dass dies offensichtlich die Barmherzigkeit ist. Positiv formuliert heißt das, dass der Islam eine Religion ist, die den Menschen nicht in ein enges Regel-Joch spannt, sondern ihn befreit, als vor und für Gott Verantwortlicher in dieser Welt zu leben.

Angesichts der immer noch gängigen dogmatisch engen Auslegung des Korans wagt Khorchide den Durchbruch zu einer menschenfreundlichen Koran-Hermeneutik. Dies ist ein ermutigendes Hoffnungszeichen im oft polemisch belasteten christlich-islamischen Dialog. Dieses Buch empfiehlt sich darum nicht nur für alle am Dialog Interessierten, sondern auch gerade den Islamkritikern als nicht zu negierende Diskussionsbasis.

Vgl. das vom Autor herauagegebene islamische Religionsbuch für die Grundschule: Miteinander 1/2

Reinhard Kirste
Rz-Khorchide-Islam, 31.01.13

Creative Commons-Lizenz

 

Religiöse Erziehung – christliche und islamische Perspektiven

Stella El Bouayadi-van de Wetering /Siebren Miedema (Eds.): Reaching for the Sky.
Religious Education from Christian and Islamic Perspectives.  

Currents of Encounter – Studies on the Contact between Christianity and Other Religions, Beliefs, and Cultures 43

Amsterdam/New York, NY: Rodopi 2012, VII, 284 S. Index.
– ISBN: 978-90-420-3479-2

Religiöse Erziehung gerät in multikulturellen Gesellschaften und angesichts von Migrationssituationen zu einer besonderen Herausforderung für Eltern, Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer in der Schule, aber auch für Moscheevorstände und Hodschas. Kinder und Jugendliche müssen ihren eigenen Weg in Auseinandersetzung und Dialog mit herkömmlichen und auch provozierenden Lebensmustern finden und eine eigene Weltsicht aufbauen. Wie gehen junge Menschen mit ihrer Herkunftsreligion um? Wie lässt sich tolerantes, friedvolles und dialogoffene Verhalten einüben? Wie sollen Jugendliche unterrichtet werden? Welche Bedingungen sind für interreligiöses Lernen notwendig?
Der wissenschaftliche Diskurs wird  im Bereich der religiösen Erziehung neue Horizonte eröffnen müssen. Der Fokus ist dabei besonders auf das Christentum und den Islam gerichtet. Das hängt mit den sich ändernden Gesellschaftsstrukturen und ihren Prägungen zusammen – in der Spannung zwischen säkular und fundamentalistisch.


Die Herausgeber, die Arabisch-Lektorin und Erziehungswissenschaftlerin Stella El Bouayadi-van de Wetering, der Professor für Religiöse Erziehung Siebren Miedema und der ReligionsphilosophHenk Vroom (alle von der Freien Universität Amsterdam), bündeln die Materialien und Vorträge einer Konferenz, die in enger Zusammenarbeit mit dem niederländischen Zentrum für Islamische Theologie, internationalen Erziehungswissenschaftlern und mit der Liga der Islamischen Universitäten in Kairo entstanden. Die Auswahl der Themen bezieht sich darum einerseits auf Kommunikationsstrukturen der religiösen Erziehung, der Normen und Werte in Elternhaus, Moschee, Kirche und Schule, zum anderen auf Länder, in denen schon intensive Erfahrungen mit Multireligiosität vorliegen, hier konkret: Türkei, Indonesien, Libanon, Niederlande, Deutschland, Belgien und Ägypten. Zugleich stehen die Jugendlichen im „Verbund“ und in Auseinandersetzung mit den Erwachsenen und den Erziehungsinstitutionen. Stark beeinflussend wirkt sich verständlicherweise das Verhalten unter ihresgleichen aus, die Problematik der „Peer-Groups“. Die Autoren beschreiben darum aktuelle Prozesse im Erziehungsgeschehen und zeigen Verluste, Problemstellungen und Neufindung religiöser Identität bei Jugendlichen. Sie verbinden ihre Analysen und Einschätzungen mit den Intentionen, Lernfelder aufzubauen, in denen andere Glaubenstraditionen respektiert und die jeweiligen Einflussmechanismen von Elternhaus, Schule, Kirche, Moschee, den Medien und der „Straße“ einbezogen werden.
Die Herausgeber weisen im Vorwort daraufhin, dass die Beiträger/innen – durchweg Erziehungswissenschaftler/innen Methoden und Handlungsanleitungen für die Erziehung junger Menschen (mit und ohne Migrationshintergrund) liefern möchten. Angesichts stärker auftretender antiislamischer Tendenzen in den europäischen „autochthonen“ Gesellschaften ist dies dringend nötig, damit künftige Gesellschaften durch Toleranz und dialogoffene Wertehaltungen geprägt werden.
Mualla Selçuk von der Universität Ankara zeigt, dass die koranische Bedeutung der “Leute des Buches” ein Kommunikationsmodell für eine interreligiös offene islamisch-religiöse Erziehung sein kann. Erhebliche Praxiserfahrungen bringt Ina ter Avest (Amsterdam) ein, und zwar in der Reflexion von drei Grundschul-Beispielen, die einen unterschiedlichen religiösen bzw. säkularen Hintergrund haben. Begegnung zwischen Menschen verschiedener Religionen verläuft Verstehen fördernd am besten „spielerisch“. Die „Spieler“ sind dabei Lehrer und Kinder gleichermaßen im Blick auf den Andern und das Andere. Sie wirken miteinander überzeugend sind dann überzeugend, wenn sie didaktisch verantwortet „predigen“, was sie bereits praktizieren. Alma Lanser-van der Velde (Amsterdam) hebt die Bedeutung des praktischen Umgangs mit Religion in familiärer Kindererziehung hervor. Dihyatun Masqon Ahmad vom Zentrum für Islamische und Westliche Studien aus Ost-Java berichtet von der Dynamik einer modernen islamischen als Internat geführten indonesischen Erziehungseinrichtung, der Pondok Pesantren.
Die Herausgeberin El-Bouayadi-van de Weteringgeht näher auf die Problematik zwischen häuslicher Erziehung, Unterricht in der Moschee und säkularem Umfeld in den Niederlanden ein. Der Tübinger Religionspädagoge Friedrich Schweitzer bezieht sich auf eine ähnliche Konstellation in mehreren europäischen Ländern im Blick auf die häusliche (oft fehlende) religiös-familiäre Erziehung und die kirchlichen Möglichkeiten, hauptsächlich im Zusammenhang mit der Konfirmation. Goedroen Juchtmans von der Katholischen Universität Löwen hebt die Bedeutung der Frauen in der religiösen Erziehung hervor. Sie setzen sehr stark auf rituell-spirituelle Impulse im Sinne einer Sakralisierung des Lebens.
Es folgt der Blick in den Nahen Osten: Im Libanon trägt die christliche Erziehung durch die geopolitische Lage osmanische, arabische und westlich-missionarische Prägesignaturen und zugleich blutige Bürgerkriegserfahrungen, wie der Theologe Rima Nasrallah (Beirut) dokumentiert. Bahaeddin Budak (Amsterdam) konzentriert sich zusammen mit der Herausgeberin auf die muslimische Jugend, die unbedingt spirituelle Orientierung braucht und z.T. in der Gefahr steht, sich auf religiösen Extremismus einzulassen. Die Niederlande sind geradezu ein Brennpunkt für diese kritische Gemengelage im Zusammenhang mit der „Versäulung“ im niederländischen Schulsystem und der fortschreitenden Säkularisierung. Gerdien Bertram-Troost und der Herausgeber Siebren Miedema (beide Amsterdam) sind sich über die Wirkungen religiöser Erziehung aufgrund empirischer Untersuchungen recht unsicher. Arslan Karagül (Amsterdam), der neben islamische Erziehung den Schwerpunkt „spiritual care“ (Seelsorge) unterrichtet, ist angesichts der Schwächen in der Praxis islamischer Erziehung und fehlender umfassender Erziehungskonzepte für die Zukunft ziemlich beunruhigt. In diesem Zusammenhang lohnt der Vergleich zweier säkularer multikultureller Gesellschaften, nämlich der Türkei und der Niederlande im Blick auf die Fakten und Faktoren religiöser Erziehung – so die Überlegungen von M. Fatih Genç aus der Türkei (Ankara), Ina ter Avest und Siebren Miedema (Niederlande).
Eine andere Sichtweise eröffnen Hussein Bashir Mahmoud(Kairo) und die Herausgeberin Stella El Bouayadi-van de Wetering, indem sie zuerst auf die Bildungsgeschichte und dann auf die Leitlinien islamischer und religiöser Erziehung eingehen, wie sie in ägyptischen Primar- und Sekundarschulen gehandhabt wird: Toleranz als ethischer Wert spielt hier eine herausragende Rolle. Aus christlicher Sicht diskutiert Manfred L. Pirner (Universität Erlangen-Nürnberg), wie die „Peer Groups“ der Jugendlichen mit dem Einfluss der Medien umgehen und eine „Selbst-Sozialisation“ stattfindet, die zwar auch religiös geprägt sein kann, aber ohne die Muster der klassischen Religionen auskommt. In eine ähnliche Richtung geht Nabil Alsamaloty, Soziologe an der Al-Azhar-Universität in Kairo, zusammen mit der Herausgeberin: Unter Heranziehung soziologischer Theorien auch zum Konfliktmanagement legen sie den Schwerpunkt ihrer Argumentation zum einen auf die Entwicklung kriminellen Verhaltens als Folge von Ausgrenzung und zum andern auf soziale und ökonomische Gewalt im Kontext extremer Armut. Fundamentalistisch und terroristisch orientierte Peer-Groups können sich für ihre gewaltsame Konfliktbereitschaft religiöse Muster aneignen, die originale Glaubenstradition konterkarieren. Das gilt nicht nur für junge Muslime, sondern für junge Menschen in allen Religionen.
Wolfram Weiße von der Akademie der Weltreligionen in Hamburg stellt die Ergebnisse des sog. REDCo-Projektes vor: Es handelt sich um eine Untersuchung, die religiöse Erziehungskonzepte mit (recht heterogenen) religiösen Einstellungen von 14-16jährigen Jugendlichen in mehreren Ländern Ost- und West-Europas kombiniert. Insgesamt hält die Mehrheit der Angesprochenen ein Kennenlernen anderer Religionen in der Schule für friedensfördernd. Dem fügt Redbad Veenbaas (Amsterdam) das Ergebnis einer ähnlich strukturierten kleinen Untersuchung aus den Niederlanden über die religiösen Werte- und Normvorstellungen junger Muslime hinzu, die auch gesellschaftlichen Veränderungen durch die „Straßen-Kultur“ unterliegen.
Die Herausgeber gehen im Epilog nicht nur der Frage nach, ob es religiöser Erziehung gelingt, „reaching for the sky, also „nach dem irdischen Himmel zu greifen“. Ob das wohl die Vorstufe zum transzendenten Himmel (heaven) ist? Der Blick auf christliche und muslimische Jugendliche insgesamt spiegelt nur einen Augenblicksstand. Dieser ist von der Spannung religiöser Erziehung in familiärer Tradition und dem Mangel religiös-authentischer Sprache in säkularen Gesellschaften geprägt. Angesichts nicht zu übersehender Komplexitäten im Feld religiöser Erziehung kann diese Zusammenstellung und  mit der Auswertung einer Reihe von Analysen zuerst eine Bewusstseinsschärfung erreichen. Zum andern aber bietet das Buch Orientierungsempfehlungen für eine dialogische Religiosität, die wirklich ernst genommen und umgesetzt werden sollten.
Reinhard Kirste
Rz-El Bouayadi-RE-Sky, 20.05.12