Konfiunterricht im September

Als wir in Roding angekommen sind, haben wir uns begrüßt und hielten im Altarraum eine Andacht.

Nach der Andacht haben wir Blätter bekommen und mussten aufschreiben, welche kirchlichen Feste uns einfielen. Dann wurden alle Blätter eingesammelt und wir mussten sie nach dem Kirchenjahr sortieren.

Danach wurden uns zufällige Feste eingeteilt und wir mussten sagen, was uns zu diesen Festen einfiel und was wir an diesem Tag zu Hause machen.

Danach haben wir unsere Wraps und gesagt, was wir drauf haben, aber mit den Farben der Kirchenfeste.

Zum Schluss haben wir ein Bild bemalt, was uns Fest erinnert, aber wir durften nichts genaues malen.

PILGRIM Newsletter September 2022

20 years of PILGRIM! This shall be motivation for the academic year 2022/2023 to update the thoughts on what religious education has to contribute in terms of sustainability and to plan further steps. A special event will then be the certification ceremony on June 6th, 2023, for which registration is already requested.

What else can you read about in the new PILGRIM newsletter?

  • Project reports for 2021/22 from two PILGRIM schools with comments on the current situation
  • Event announcements on sustainability & spirituality
  • Presentation of various PILGRIM activities
  • Information on the PILGRIM-Mit-Welt-Experte-Pass
  • Notes on other events
  • New literature on sustainability & spirituality

Enjoy reading!

https://pilgrim.at/wp-content/uploads/2022/09/PILGRIM-Newsletter-93-September-2022.pdf

Jona – ein Prophet geht baden

Heute versuchen wir, den Weg des Propheten Jona zu verfolgen mit einem Online-Rätsel und starten dafür hier: http://bibel-spiele.net/jona/index.html

Wenn du es geschafft hast, kannst du gleich hier weitermachen mit dem Spiel zu Salomo: http://bibel-spiele.net/salomo/index.html

Tipp: Da es viele Hintergrundinfos gibt, ist es praktisch mit mehreren Tabs zu arbeiten und Links immer in einem neuen Tab zu öffnen. Das geht, indem man zusätzlich zum Mausklick Strg oder Ctrl (Steuerung oder engl. Control, je nach Tastatur) drückt oder mit der rechten Maustaste klickt und dann auswählt “Link in neuem Tab öffnen”.

Hintergrund

Nicht alles, was alt ist, muss im digitalen Zeitalter überholt sein. Die schönen ab 1998 entstandenen Bibelspiele von Rainer Holweger, württembergischer Pfarrer, sind weiter verfügbar über die Seite http://bibel-spiele.net/ .

IV General Assembly 2022 | IV AMV 2022

IV news:

IV General Assembly 2022

The Riga Catholic Gymnasium invites us to the Latvian capital and we look forward to meeting in Riga this year after the virtual assemblies in 2020 and 2021!

Our meeting will begin on Friday, 4th November, 2022, at 6:00 p.m. and end on Sunday, 6th November, 2022, at noon. Saturday (05th November) will be dedicated to the symposium on the topic “Dare to hope!? – How Christian schools accompany the growing up of youngsters in times of crisis”. The topic will be discussed in two main lectures by Prof Dr Henning Schluß from Germany and Prof Dr Gerdien Bertram-Troost from the Netherlands as well as in a workshop with Bianca Kappelhoff (Comenius-Institut). The statutory general meeting will follow then from 4.30 to 6.00 p.m. Please find the detailed program here.

Allgemeine Mitgliederversamlung 2022

Das Katholische Gymnasium Riga lädt uns in die lettische Hauptstadt ein und wir freuen uns, nach den virtuellen Mitgliederversammlungen 2020 und 2021 in diesem Jahr in Riga zusammenkommen zu können!

Unsere Versammlung beginnt am Freitag, 04. November 2022, um 18.00 Uhr und endet am Sonntag, 06. November 2022, in der Mittagszeit. Der Samstag (05.11.) steht ganz im Zeichen des Studientages zum Thema „Hoffnung wagen!? – Wie christliche Schulen das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in Krisenzeiten begleiten“. In zwei Hauptvorträgen von Prof. Dr. Henning Schluß aus Deutschland und Prof‘. Dr. Gerdien Bertram-Troost aus den Niederlanden sowie einem Workshop mit Bianca Kappelhoff (Comenius- Institut) wird das Thema behandelt. Die satzungsgemäße Mitgliederversammlung findet anschließend von 16.30 bis 18.00 Uhr statt.

Wanda Walfisch

Was für ein gigantisch gutes Titelbild! Ich muss schmunzeln. Aber das Bild und der Titel geben mir Rätsel auf …
Ein Bilderbuch über Mobbing und die Kraft der Gedanken.

Ein Bilderbuch über die Kraft der Gedanken und was sie bewirken können.

Die Phantasie als Weg zur Selbstliebe …

Wer ein bisschen mehr Selbstvertrauen gebrauchen kann, sollte dieses Buch lesen!

Mit freundlicher Genehmigung des Atlantis Verlages

Wir drehen ein Paperclip-Video zu Zachäus

Hier das Ergebnis:

Das war die Anleitung:

Hier findest du die Geschichte von Jesus und Zachäus in der Bibel:

https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/BB/LUK.19.1

Ein Paperclip-Video drehen – so geht’s:

Aufgabe: Wir teilen die Zachäus-Geschichte in kleine Portionen auf. Jede Gruppe bearbeitet eine kleine Szene mit Hilfe der Paperclip-Technik.

Anregung für die Gestaltung der Papiervorlagen

kann man hier finden: https://freebibleimages.org/illustrations/btbm-zacchaeus/

Rechtlicher Hinweis: These images were created by Rachael Coate and the text by Nancy Cunningham. They are the copyright of Basic Training Bible Ministries who have granted FreeBibleimages permission to distribute them for educational and ministry use only. They are released under a Creative Commons Attribution-NonCommercial 4.0 International License.

Ergebnisse

Wenn Dein Video fertig ist, lade es hier hoch:

https://redstorage.elkw.de/u/d/b80e2e55084d4b6c9ade/

 

Paul Mendes Flor: Martin Buber

Paul Mendes Flor: Martin Buber. Ein Leben im Dialog.

Übersetzt von Eva-Maria Thimme.

Berlin: Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag 2022.
413 Seiten. 2 Abb.
ISBN 978-3-633-54314-4
[Amerikanisches Original:
Martin Buber A Life of Faith and Dissent. New Haven: Yale 2019]

 

 

Gestalter des Judentums in der Moderne: Martin Buber

Eine Rezension von Christoph Auffarth

Kurz: Das ist eine großartige detaillierte Bewertung eines Lebenswerkes des großen und gleichzeitig umstrittenen Gestalters der ‚Renaissance des Judentums‘ gegen, inmitten und nach dem Versuch der Vernichtung der Jüdinnen und Juden, aber auch Kritiker Israels als Nationalstaat.

Ausführlich: Martin Buber (1878 – 1965) war einer der führenden Gestalter des jüdischen Selbstbewusstseins in dem ‚jüdischen Jahrhundert‘ vom Berliner Antisemitismus-Streit 1879-1882[1] bis zur Intifada 1987, in der Mitte der Plan der Nationalsozialisten, die europäischen Juden zu ver’nicht’en.[2] Genau dann war er, als 60-Jähriger übergesiedelt nach Jerusalem seit 1938, noch vor der Ausdehnung der Judenpogrome in der ‚Reichskristallnacht‘. Trotzdem wurde er zum Kritiker der Politik des Staates Israel und ihres Gründers Ben-Gurion, einen jüdischen Staat zu schaffen, allerdings mittels Krieg, Terrorismus, Vertreibung.[3] Die Ausrufung des Staates Israel 1948 eröffnete den Juden zwar zum ersten Mal seit der Antike die Möglichkeit, einen autonomen Staat im Lande Israel aufzubauen, das Ziel des Zionismus seit 1897, aber es bedeutete auch Krieg, Kriegsverbrechen, Macht, die keine Ethik kennt. Martin Buber widersetzte sich der Machtpolitik als öffentlicher Redner, als Schreiber von Beiträgen und Leserbriefen, als gefragter Berater der Politik und forderte – selbst sich der Kritik bis hin zum Hass aussetzend – Prinzipien der jüdischen, nicht national-israelitischen – Politik gegenüber den im Unabhängigkeitskrieg vertriebenen und nicht entschädigten Palästinensern, im Prozess gegen Eichmann, gegenüber dem gefeierten Helden des neu­gegründeten Nationalstaates Ben Gurion. Eine öffentliche Person ohne den Rückhalt einer Institution und bestimmt kein ‚orthodoxer‘ Jude.

Paul Mendes-Flohr hat sich sein wissenschaftliches Leben lang mit Martin Buber beschäftigt, immer wieder im umfangreichen Nachlass gearbeitet.[4] Dies galt der deutschen Ausgabe der Werke Bubers in 22 Bänden, die er ab 2001 als Hauptherausgeber zunächst zusammen mit Peter Schäfer, dann ab 2010 mit Bernd Witte: Martin Buber Werkausgabe (MBW) betreute.[5] Die Frucht dieser Arbeit ist die vorliegende Biographie, detailliert, kenntnisreich und genau unterscheidend zwischen aufgeregten Disputen in der israelischen Öffentlichkeit, die oft auf Missverständnissen beruhten oder ungenauen Kolportagen, denen PMF mit genauen Zitaten mitsamt Bubers Richtigstellungen antwortet. Dass Buber mehrfach deutsche Preise annahm und schließlich – nach langem Bedenken – auch zur Verleihung nach Deutschland reiste, brachte ihm den Ruf ein, er sei der Jude für die Deutschen (der Außenseiter als Dialog-Jude). Seine Reden indes waren scharfe Anklagen und gleichzeitig Unterscheidungen, in welcher Weise ‚die Deutschen‘ Täter oder Wegschauer waren, ohne die Pflicht einzufordern, zum Märtyrer zu werden.[6] Die Zuhörer waren beeindruckt, darunter der Bundespräsident Theodor Heuß.[7] Die Preisgelder verschenkte MB an Stiftungen für arabisch-israelische Verständigung. Nur die Rede von der Wiedergutmachung und „Versöhnung“ sowie das dringend benötigte Geld zur Rettung vor dem Kollaps Israels, das Adenauer anbot unter der Bedingung, dass sonst gerichtlich keine Reparationen eingefordert würden,[8] blieb ein Stück Machtpolitik, das viele Israelis nicht akzeptieren konnte.

Dass diese einflussreichen und gleichzeitig gegen den Mainstream kritischen, aber abwägenden Stellungnahmen gehört wurden, hatte sich MB erarbeitet durch immer neue Initiativen, die die Erneuerung des Judentums in der Moderne zum Ziel hatten. Dass die Jüdinnen und Juden seit der Französischen Revolution 1789 und dem preußischen Landrecht 1794 immer mehr Gleichberechtigung erreicht hatten und die Weimarer Republik durch Regierungschefs und den bedeutendsten Außenminister Walter Rathenau maßgeblich gestalteten, sie also in der Mitte der deutschen Gesellschaft angekommen zu sein schienen, machte MB nicht stolz oder zufrieden. Juden brauchten eine eigene Identität, die sie nicht im Privaten im Gang in die Synagoge oder den koscheren Speisen finden. Das ‚Königtum Gottes‘ und die prophetische Utopie in die Moderne umzusetzen musste programmatisch als jüdisches Ziel, aber vorbildhaft auch für die ganze Menschheit konzipiert werden. Unermüd­lich nahm MB Vortragsreihen an, gründete Zeitschriften und Buchreihen, übersetzte mit seinem Freund Franz Rosenzweig „Die Schrift“ in einer Weise, die das Hebräische im Deutschen erkennbar durchscheinen lassen sollte. Er organisierte das Lehrhaus in Frankfurt und forderte eine Hebräische Universität in Jerusalem, die nicht Doktoranden produzieren, sondern die Kultur des Judentums für Zionisten lehren und ausarbeiten sollte. Aber welches Erbe bildete das Fundament dafür? Die Zionisten setzten in der Kibbuzbewegung auf basisdemokratischen Sozialismus – ohne Religion. Ernst Bloch verstand das „Prinzip Hoffnung“ als den jüdischen Weg. Gershom Scholem sah in der Mystik die ununterbrochene Tradition, beschrieb aber in seinem großen Buch zum Messias Zwi Sabbatai einen charis­matischen Führer, der sich nicht um das Gesetz und die Orthodoxie kümmerte. Die Figur des Messias war für alle ein zentraler Bezugspunkt (der in dieser Biographie zu sehr auf Buber begrenzt vorkommt). Keinem ging es um das ‚religiöse‘ Judentum. Buber dagegen stellte ein Judentum vor, das als hemmungslos rückschrittlich galt: den Chassidismus des ostjüdischen Schtetls. Dort war MB aufgewachsen und von seinem ebenso reichen wie gelehrten Großvater in diese Tradition eingeführt worden. Aus Sorge vor der Reaktion des Großvaters heiratete MB seine großartige Frau erst nach der Geburt des zweiten Kindes, nachdem der alte Mann gestorben war: sie war eine Goij, Nicht-Jüdin.[9] Sie begleitete ihn durch dick und dünn, über sechzig Jahre lang. Nur, diese armseligen Ostjuden in Galizien, der Ukraine (MB war in Lemberg/Lwiw großgeworden), Polen, denen Treitschke vorge­worfen hatte, sie strömten massenweise nach Deutschland, unkultiviert, unhygienisch, schlecht ausgebildet und brächten das Lohngefüge durcheinander (wieder einmal das Lohndumping den verzweifelten Migranten zum Vorwurf machend statt den bürgerlichen Familien, die die billigen Arbeiter ausbeuteten), die sollten ein Vorbild sein? MB transponierte, er übersetzte nicht die Legenden der chassidischen Lehrer, er übertrug sie in moderne Poetik in dem Sinne, wie er ihre Botschaft in die moderne Welt verstanden wissen wollte. Aber es ging Buber nicht um Religion, sondern um Judentum. Sein Freund Franz Rosenzweig, mit dem er gemeinsam die Tora übersetzte, stritt mit ihm über das Gesetz/Tora und nannte ihn einen „Epikuräer/ Apikoras“,[10] also einen Religionskritiker, der gleichwohl die Tradition kennt und achtet, sicher keinen Orthodoxen.

Eine Episode ist noch bezeichnend: Buber plante mit der Bayerischen Akademie der Wissen­schaften eine Tagung zu ‚Sprache‘. Martin Heidegger sollte auf MBs Wunsch eingeladen werden und kam auch; Heidegger, der die Uni Freiburg als Rektor auf Nazi-Kurs trieb – ein rotes Tuch für Juden. Im Vorfeld der Tagung nutzte MB die Gelegenheit zu Streitgesprächen auf langen Spaziergängen mit Heidegger, an die sich Heidegger später öffentlich nicht erinnern wollte. Auf der Tagung dann dozierte Heidegger über die ‚Ontologie‘ der Sprache. Für MB, nicht anwesend, aber auf Heideggers Beitrag reagierend, war Sprache das Medium nicht nur der (nicht-dozierenden, nicht-monologischen) Kommunikation, sondern des Sich-Einlassens auf ein Du (290-299). „Versöhnung“ konnte er dem immer noch von seiner Haltung überzeugten Heidegger nicht anbieten.[11]

Das ist bei weitem das Beste, Detaillierteste und best Informierte, das man über Buber lesen kann.[12] Etwas einschränkend finde ich, dass die Rahmenbedingungen nicht ausreichend erläutert werden. Die Universität Frankfurt beispielsweise, die MB Lehraufträge erteilte für Jüdische Religionswissenschaft und Ethik (162), war neben Hamburg die einzige deutsche Universität, die nicht staatlich eingerichtet, finanziert und kontrolliert wurde, sondern eine städtische, d.h. unter den Finanzierern waren viele Juden. Insofern stand auch die ‚Theologische Fakultät‘ nicht unter kirchlicher Kontrolle. Die Wissenschaft vom Judentum hatte an keiner deutschen Universität eine Chance, ein akademisches Fach zu werden (Professuren für Judaistik wurden erst ab 1960 eingerichtet); sie wurde von evangelischen Alttestamentlern betrieben – ohne Kenntnis des Judentums nach den biblischen Zeiten. Und Paul Tillich hätte wohl an keiner anderen Universität seine Theologie unterrichten können, wurde erst im Exil in den USA ein Star (222, 313).

Resumierend: Das ist eine großartige detaillierte Bewertung eines Lebenswerkes im Kontext eines (fast) Jahrhunderts, das einen großen und gleichzeitig umstrittenen Gestalter der ‚Renaissance‘ des Judentums gegen, inmitten und nach dem Versuch der Vernichtung vorstellt.

 

Bremen/Wellerscheid, August 2022                                                                     Christoph Auffarth

Religionswissenschaft,
Universität Bremen

E-Mail: auffarth@uni-bremen.de

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[1] Die erste Sammlung der Kontroverse, unter denen der Historiker des Deutschen Kaiserreichs Hein­rich von Treitschke und der Pfarrer des Kaiserhofs Adolf Stoecker auf der einen Seite gegen die Juden als vollberechtigte Bürger des Deutschen Reiches kämpften, der Althistoriker Theodor Mommsen auf der anderen Seite hervorragte, veröffentlichte Walter Boehlich (Hrsg.): Der Berliner Antisemitismus­streit. (Sammlung Insel 6). Frankfurt am Main: Insel 1965. Umfassend Karsten Krieger (Bearb.): Der „Berliner Antisemitismusstreit“ 1879–1881. Eine Kontroverse um die Zugehörigkeit der deutschen Juden zur Nation. Kommentierte Quellenedition. 2 Bände. München: Saur 2003.

[2] Gut dokumentiert im Wikipedia-Artikel Erste Intifada, die im Oslo-Abkommen 1993 zu einer Zwei-Staaten-Lösung ein positives Ende zu finden schien. Die Intifada findet einen Wendepunkt einer neuen Bewertung der Opferrolle Israels, die man bis dahin erzählen konnte durch den Vernichtungs­willen erst der Nazis, nun der Araber, insofern als der Staat Israel seither der best bewaffnete, international best unterstützte, best informierte Staat im Nahen Osten wurde, der gegen die Palästinenser unkritisiert jedes Mittel einsetzen konnte, ohne dass der anderen Seite ein adäquates Mittel zur Verfügung stand: Steine gegen Kampfjets. Dem Iran als Unterstützer von Gegenmaßnahmen wurde Terrorismus vorgeworfen.

[3] Man muss sehr genau unterscheiden, wie der Staat Israel als ‚jüdischer Staat‘ etwa von der George W. Bush und der Trump-Präsidentschaft verwendet wurde – die Araber mit israelischem Pass ausschließend – oder integrierend. Davon zu unterscheiden ist die Zwei-Staaten-Lösung mit einem unabhängigen palästinensischen Staat neben dem multiethnischen (mit russischen, äthiopischen, jemenitischen, deutschen [usw.] Juden und den Arabern mit israelischem Pass) Staat Israel. Buber setzte sich ein für die Integration der arabischen Einwohner und die Entschädigung der durch die Nakba (Vertreibung) Enteigneten. Das betraf auch speziell auch sein neues Haus in Jerusalem, das einer Familie gehörte, die in die Türkei geflohen war.

[4] Paul Mendes-Flohr, in New York 1941 geboren in einer galizischen Familie, Teil der jiddisch-sprechenden community. Schon in seiner Dissertation beschäftigte er sich mit Martin Buber.

[5] Martin-Buber Werkausgabe. 22 Bände. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2001-2022. Gliederung findet sich unter Werkausgabe | Martin Buber (martin-buber.com) (nicht ganz auf dem letzten Stand). Detaillierter Philosophische Fakultät der HHUD: Startseite (uni-duesseldorf.de) (16.08.2022)

[6] Besonders umstritten war nach der Goethe-Medaille der Universität Hamburg der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels in ’seiner Stadt‘ Frankfurt 1953. Zur Rede (289) mit dem Schlussatz „Wer bin ich, dass ich mich vermessen könnte, hier zu vergeben?“ Auslöser für sein Umdenken, nun doch nach Deutschland zu reisen, war eine Rede von Romano Guardini (285). Theodor Heuß 288 und 314

[7] Gershom Scholem: Sabbatai Zwi. Der mystische Messias. Übersetzt von Angelika Schweikhart.

Frankfurt am Main: Jüdischer Verlag (Suhrkamp) 1992. Englisch London : Routledge & Kegan Paul/ Princeton UP 1973.

[8] Das Luxemburger Abkommen am 10.9.1952. Constantin Goschler in Die Zeit Nr. 36, 1.Sptember 2022, 17. Der Verfasser arbeitet gemeinsam mit Lorena de Vita an einem Buch über dieses Abkommen.

[9] Die Andeutung von PMF, sie sei in einer esoterischen Kommune in Südtirol aufgewachsen, die von einem zum Islam konvertierten Juden begründet und geleitet wurde, würde Religionswissenschaftler näher interessieren. Später beschreibt sie in einem Schlüsselroman Muckensturm den Prozess der Nazisierung ihrer Nachbarn in Heppenheim.

[10] Die Freundschaft mit Franz Rosenzweig, dem unheilbar erkranktem Frankfurter Freund 145-177.

[11] PMF 296 „…dass Heidegger nicht nur Bubers Dialogverständnis nicht teilte, sondern sich beharrlich weigerte, einzugestehen, dass ein Dialog zwischen einem Juden und einem Deutschen – noch dazu einem, der seine Unterstützung des Nationalsozialismus nicht bereute, – zwangsläufig im Schatten der Schoah stattfinden müsste, wollte er denn seinem Wesen nach aufrichtig sein.“

[12] Das muss ich insofern einschränken, als ich nicht die französische Biographie kenne von Dominique Bourel: Martin Buber, sentinelle de l’humanité, die auch auf deutsch übersetzt ist von Horst Brühmann: Martin Buber. Was es heißt, ein Mensch zu sein. Biografie. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus [2017], fast tausend Seiten.

Ratschlag, ob man den Juden …

Johannes Reuchlin: Ratschlag, ob man den Juden
alle ihre Bücher nehmen, abtun und verbrennen soll.

Frühneuhochdeutsch/Neuhochdeutsch.
Neuedition und Neuübersetzung.
Hrsg. und übers. von Jan-Hendryk de Boer.
Ditzingen: Reclam 2022. 173 S.
6,80 €
ISBN: 978-3-15-014248-6.

 

Reuchlins Einspruch 1510: Juden haben ein Recht auf ihre Bücher
– sie sollen nicht verbrannt werden.

Eine Rezension von Christoph Auffarth

Kurz: Reuchlins Gutachten 1510 lehnte den Plan ab, die Schriften der Juden zu vernichten. Wer in ihnen Kritik am und Schmähung des christlichen Glaubens behaupte, müsse sie erst einmal im hebräischen Original lesen und aus den Quellen belegen.

Ausführlich: Mit diesem kleinen Band macht der Verlag Reclam wieder auf einen Text aufmerksam und der Herausgeber Jan-Hendryk de Boer hat Vorzügliches geleistet, um den Text sprachlich zugänglich zu machen und ihn in die zeitgenössische Diskussion einzu­ordnen mit seinen Kommentaren.[1]

Es geht um ein Gutachten zu dem drohenden Entscheid des Kaisers Maximilian, alle religiösen Bücher der Juden zu verbrennen außer der Tora. Das Gutachten ist gedruckt,[2] während es sich bei den Büchern der Juden um Handschriften handelt. Als Kenner der jüdischen Tradition aus eigener Lektüre des Hebräischen erhielt er den Auftrag zu dem Gutachten. Der Kaiser wollte andere Stimmen heranziehen als die des Judenhassers Johannes Pfefferkorn (1469-1521). Dieser war in einer jüdischen Familie geboren, bekehrte sich aber (wohl 1504) unter dem Einfluss der Kölner Dominikaner zum Christentum. Er kannte also die jüdische Tradition und stellte sie verzerrt und böswillig dar, ein fanatischer Renegat, wie andere vor ihm, etwa Raimundus Martini, der mit für die Talmudverbrennung 1269 in Paris gesorgt hatte.[3] Neben der Auslegung der Bibel in Midrasch und Talmud, sollten vor allem die christenfeindlichen Polemiken vernichtet werden, das Nizzahon und die Toledot Jeschu, ein Anti-Evangelium.[4] Die hatte man aber bei der Konfiszierung erst in Frankfurt, dann in Worms und Mainz u.a. nicht gefunden, obwohl man etwa 1500 Bücher beschlagnahmt hatte, die Grundlage für den Gottesdienst und Kultur der Juden. Diese Konfiskation geschah in des Kaisers Namen, denn 1509 konnte Pfefferkorn bis zum deutschen Kaiser Maximilian vordringen und seine Forderung vortragen. Gedrängt wurde er von den Dominikanern in Köln; die konnten kein Hebräisch und hatten ziemlich sicher kein Exemplar des Talmud. Pfefferkorn bezog sich also vor allem auf den „Ketzersegen“ im 18-Bitten-Gebet, den er in drei Sprachen drucken ließ. Reuchlin weist nach, dass die Übersetzung böswillig sei und die zwei wichtigsten Wörter gar nicht im Text stehen.[5] Vielmehr verlangte er, dass man die Bücher der Juden studieren sollte, dafür konnte er sich auf das Wort Jesu berufen (Johannes 5,39): scrutamini scripturas studiert die Schriften! Und weist in den Quellen nach, was ihr behauptet. Das ist der humanistische Grundsatz ad fontes! An die Quellen! Der originale Wortlaut ist entscheidend, nicht Hörensagen und Traditionen aus zweiter Hand. Reuchlins Gutachten war das einzige, das die Bücherverbrennung ablehnte, ausführlich untermauert mit philologischen, theologischen, religiösen und humanistischen Gründen, nicht zuletzt aber juristischen, stellt er sich doch als „in kaißerlichen rechten doctor “ vor (6). Es zog einen langen Streit nach sich fast bis zu Reuchlins Tod, mit Polemiken der Befürworter, Prozessen, Einmischung des Vatikans, Lehrverurteilung. Pfefferkorn überzog den Ratschlag mit Beleidi­gungen des Verfassers in dem ein halbes Jahr später gedruckten Handspiegel, auf den wiederum Reuchlin mit dem Augenspiegel antwortete mit einer Brille auf der Titelseite, dass er den klaren Durchblick habe, während der Handspiegel blind geworden sei. Der Kölner Dominikaner-Prior van Hoogstraeten strengte sogar einen Ketzerprozess an. Die Reuchlin unterstützenden Humanisten aus Gotha und Erfurt veröffentlichten Briefe von und an ihn unter dem Titel  clarorum virorum epistolae und parallel gefakte Briefe in fehlerhaftem Küchenlatein, die angeblich die Kölner Scholastiker verfasst hätten und so zum Gespött wurden, die obscurorum virorum epistolae 1515 und 1517 (163-165).[6]

Bücherverbrennungen sind ein Versuch, „den Irrtum zu liquidieren“.[7] In der Antike und im Mittelalter, also vor der Möglichkeit des Buchdrucks und damit zahlreicher Kopien eines Buches, bedeutete das, dass das einzige Exemplar (oder eines von ganz wenigen) vernichtet wurde. So berichtet die Apostelgeschichte 19,19, dass in Ephesos Gebrauchsanweisungen, Hefte, Bücher für magische Rituale konfisziert und verbrannt wurden.[8] Die Beispiele, die Werner untersucht und darlegt, zeigen, dass es keineswegs nur um Zensur geht oder jemanden an den Pranger zu stellen, sondern um Vernichtung eines falschen Gedankens, der die Wahrheit aufzufressen droht. Der letzte von Werner erwähnte Fall (525-528) ist die Ver­brennung von Büchern und deren Autor Michel Servet 1553 in Genf, dahinter stand Calvin. Und hier, wie auch in vielen der von Werner untersuchten Fällen, werden Buch und Autor (oder Besitzer) verbrannt. Es geht also um mehr als „Zensur des Geistes“. Juden gab es, als die Verbrennung ihrer Bücher angeordnet werden sollte, nur noch wenige innerhalb der Grenzen des Alten Reiches, denn sie waren ab Mitte des 14. Jahrhunderts, also 160 Jahre zuvor, vertrieben oder gar getötet worden als vermeintlich für die Pestwellen seit 1348 Verantwortliche. Langsam kehrten wieder Juden zurück. Luther hat sie 13 Jahre später ermuntert, sich der „evangelischen“ Seite anzuschließen (dass Jesus Christus ein geborener Jude sei, 1523), danach aber 1537 auf die Vermittlungsbitte des Vertreters der Juden, Josel von Rosheim (1476-1554) gar nicht reagiert und gegen Ende seines Lebens eine Judengesetzge­bung vorgeschlagen, die die Vernichtung der Bücher der Juden miteinschloss.[9] Immerhin gab es den in der Nähe von Reuchlins Wirkungsort Pforzheim geborenen Melanchthon, der ebenfalls exzellent Hebräisch konnte und als der Philologe und Wissenschaftler später in Wittenberg arbeitete. Dieser hatte auch nachweisen können, dass die 1510 unter dem sächsischen Kurfürsten Joachim I. der Hostienschändung angeklagten 38 Juden unschuldig den Märtyrertod erlitten hätten, und so erreichte Josel die Wiederzulassung der Juden in Sachsen.

133f zu Anm. 72 sollte man hinzufügen, dass die Legende von der Septuaginta-Übersetzung in einem weiteren Reclam-Büchlein präsentiert ist.[10]

Wieder hat der Reclam-Verlag die Initiative ergriffen, einen wichtigen Text zu entdecken, durch einen kompetenten Herausgeber präsentieren und kommentieren zu lassen. Neben den antijüdischen Schriften und Stimmung kurz vor und während der Reformationszeit ein entschiedener und ebenso wohlbegründeter Einspruch.

 

Bremen/Wellerscheid, September 2022                                                      Christoph Auffarth

Religionswissenschaft,
Universität Bremen

E-Mail: auffarth@uni-bremen.de

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[1] Jan-Hendryk de Boer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter (Geschichtswissenschaft) an der Universität Duisburg-Essen. Seine Dissertation (Göttingen bei Frank Rexroth 2014) beschäftigte sich mit Reuchlin. Sie wurde veröffentlicht unter dem Titel Die Gelehrtenwelt ordnen. Zur Genese des hegemonialen Humanismus. (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 101). Tübingen: Mohr Siebeck 2017. Der vorliegende Text stand im Mittelpunkt der vorausgehenden Monographie Unerwartete Absichten – Genealogie des Reuchlinkonflikts. (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 94.) Tübingen 2016. Seit 2022 ist er Mitarbeiter im interdisziplinären Forschungsprojekt „Kompromisskulturen“. Seine Homepage findet sich unter Personen im Historischen Institut: Jan-Hendryk de-Boer (uni-due.de) (4.9.2022). Seinen Namen kürze ich ab mit den Initialen JHB.

[2] Widu-Wolfgang Ehlers hat sie Stuttgart-Bad Cannstatt: Fromann-Holzboog 1999, 13-168 kritisch ediert (dazu JHB 113).

[3] Raimundus Martini (1220-1285), Pugio fidei. JHB zu 31,33. Es gibt jetzt eine Teilübersetzung von Görge K. Hasselhoff: Texte zur Gotteslehre, 1(2014). Texte zur Gotteslehre, 2 (2022). Pugio fidei I-III, Lateinisch, Hebräisch/Aramäisch/Arabisch, Deutsch. (Herders Bibliothek der Philosophie des Mittelalters) Freiburg: Herder

[4] Der knappe Kommentar 115-137, hier zu 13,1, ist sehr gehaltvoll und auf dem Stand der Forschung. Zur Toledot Jeschu Peter Schäfer: Jüdische Polemik gegen Jesus und das Christentum. Die Entstehung eines jüdischen Gegenevangeliums. München: Carl Friedrich von Siemens Stftung, Themen103, 2017. Weiteres in Schäfer, Die Geburt des Judentums  aus dem Geist des Christentums 2020, dazu meine Rezension: Geburten und Geschwister: Peter Schäfer: Die Geburt des Judentums aus dem Geist des Christentums 2010. http://buchempfehlungen.blogs.rpi-virtuell.net/2010/08/19/die-geburt-des-judentums-aus-dem-geist-des-christentums-von-peter-schafer/#comment-79 (19.8.2010).

[5] JHB zu 7,7 und 27,15 (Seite 120). Zu Pfefferkorn Hans Martin Kirn: Das Bild vom Judentum im Deutsch­land des frühen 16. Jahrhunderts, dargestellt an den Schriften Johannes Pfefferkorns. (Texts and studies in medieval and early modern Judaism 3). Tübingen Mohr 1989.

[6] Obscurorum bedeutet gegenüber clarorum „unbedeutende, Winkelgelehrte“. Dt. Dunkelmännerbriefe. Zweite Abteilung (projekt-gutenberg.org) (5.9.2022).

[7] Die folgende hervorragende Dissertation (Göttingen bei Otto Gerhard Oexle 2005) ist leider nicht aufgeführt und offenbar unbekannt: Thomas Werner: Den Irrtum liquidieren. Bücherverbrennungen im Mittelalter. (VMPIG 225) Göttingen: Vandenhoeck&Ruprecht 2007.

[8] Apostelgeschichte 19,19. Bauer-Aland, Wörterbuch zum NT 61988, 282 s.v. βίβλος, ἡ führt als Überset­zung zu der Stelle stracks an „Zauberbücher“, wobei die geheftete Form, der Codex noch die Ausnah­me war. Τὸ βιβλίον das Buch ist im Plural zunächst die Bezeichnung für die Bibel, die noch aus vielen τά βιβλία bestand. Erst später, als die Bücher in einem Codex ihren festen Platz hatten und man nicht mehr ein einzelnes Buch herausnehmen oder weglassen konnte, musste man entscheiden, welches Buch in den Kanon gehören sollte, und dann wurde daraus ‚die Bibel‘, ἡ βιβλία. Dazu Martin Wallraff: Kodex und Kanon: Das Buch im frühen Christentum. Berlin: De Gruyter 2013. Weiter die Arbeit von Wolfgang Speyer: Büchervernichtung und Zensur des Geistes bei Heiden, Juden und Christen. (Bibliothek des Buchwesens 7). Stuttgart: Hiersemann 1981. Werner, Irtum 2007, 144-232.

[9] Noch immer ist das Buch von Selma Stern 1959 die maßgebliche Literatur zu Josel; 2008 ins Französische übersetzt. Der folgend genannte Fall bei Stern S. 137. Eckardt Opitz: Johannes Reuchlin und Josel von Rosheim. Probleme einer Zeitgenossenschaft. In: Arno Herzig, Julius H. Schoeps (Hrsg.): Reuchlin und die Juden. (Pforzheimer Reuchlinschriften 3) Sigmaringen:  Thorbecke, 1992, 89–108. Luthers Vorschlag einer Gesetzgebung in Die Juden und ihre Lügen 1543.

[10] Aristeas: Der König und die Bibel. Griechisch / Deutsch. Übersetzt und herausgegeben von Kai Brodersen. Ditzingen: Reclam 2008. Dazu meine Rezension Septuaginta deutsch. Hrsg. von Wolfgang Kraus; Martin Karrer 2008. – Aristeas: Der König und die Bibel. hrsg. von Kai Brodersen. 2008 Rezension für http://blogs.rpi-virtuell.de/buchempfehlungen/2009/06/30/septuaginta-deutsch-herausgegeben-von-wolfgang-kraus-und-martin-karrer/ (30.6.2009).

Aneignungen Luthers

Thomas Kaufmann: Aneignungen Luthers und der Reformation.

Wissenschaftsgeschichtliche Beiträge zum 19.-21. Jahrhundert.

Hrsg. von Martin Keßler. (Christentum in der modernen Welt 2)
Tübingen: Mohr Siebeck 2022.
XIV, 653 Seiten. ISBN 978-3-16-161336-4

 

Aneignungen Luthers zu einem deutschen Helden
und Vorbild für den Nationalsozialismus

Eine Rezension von Christoph Auffarth

Kurz: Die Sammlung von Aufsätzen zeigen vorzüglich die Fokussierung auf Luther als den Deutschen, besonders auch in der Zeit des Nationalsozialismus, und die Wissenschaftsge­schichte der (deutschen) Kirchengeschichte als Theologie, aber kaum einen Weg künftiger Forschung.

Ausführlich:

In der Tat spielt die Forschung zu Luther und weniger zur Reformation als ‚Bewegung‘ den zentralen Bezugspunkt der Wissenschaftsgeschichte, zu der Thomas Kaufmanns Aufsatz­sammlung bestens informierte und deutlich im Verhältnis zum Nationalsozialismus wertend Beiträge liefert. Im Mittelpunkt stehen die Deutungen von Ernst Troeltsch und Karl Holl wie seiner ‚Schule‘, was das Zentrum der Reformation ausmache. Ernst Troeltsch hatte in seinem Tausend-Seiten-Buch Die Soziallehren 1912,[1] vorbereitet in 1906, die deutsche Ausnahme­stellung zur Reformation als weltgeschichtliche Wende bestritten. Luther und der Altprotes­tantismus waren, so Troeltsch, noch weitgehend dem Mittelalter verpflichtet, erst mit dem Neuprotestantismus begann die Neuzeit. Übersetzt in die Gegenwart waren das die Schweizer Reformierten in Westeuropa und dann vor allem die nach Nordamerika ausge­wanderten Christen, die Puritaner. Max Weber schrieb seine zwei Aufsätze zu Die protes­tantische Ethik 1904/1905, Troeltsch sein Der Protestantismus und die protestantische Kirche in der Neuzeit. Zusammen mit seinem Fachmenschenfreund Max Weber war er eingeladen zu einem Kongress in St. Louis im Zusammenhang mit der dortigen Weltausstellung. In der Vorbereitung hatten sie sich eingearbeitet in das nordamerikanische Christentum und seine calvinistischen Wurzeln.[2] Damit war ein Streit vom Zaun gebrochen, der am deutschen Selbstverständnis des Kaiserreichs nagte, mit dem Ersten Weltkrieg zum Skandal wurde. Mit der Radikalität, Konventionen aufzukündigen, traten zwei theologische Positionen gegen Troeltsch‘ Geschichtskonstruktion an: Zum einen die Dialektische Theologie mit dem himmelweiten Abstand von Gott und Mensch und auf der anderen Seite Karl Holl und seine Schule, die die gerade edierten frühen Schriften des jungen Luther interpretierten und den Zeitpunkt der „reformatorischen Erkenntnis“, die Rechtfertigungslehre viel früher ansetzten und als massiven Bruch mit dem Mittelalter verstanden.[3] Die Weimarer Republik als ‚gott­losen‘ Staat ablehnend, konnten viele Protestanten sich identifizieren mit dem autoritären Führerstaat und beriefen sich dafür auf Luther. Ein herausragendes Beispiel ist der Berliner Kirchenhistoriker und Reorganisator des theologischen Curriculums, Erich Seeberg.[4] ThK hatte schon in dem großartigen Aufsatz die Seebergs mit den Harnacks verglichen, zwei Professoren-Dynastien, die im Baltikum als Minderheit das Deutschtum vertreten hatten, und nun in Berlin die eine (Harnacks) die Demokratie stärkten bis hin zum Attentat auf Hitler, die andere (Seebergs) in vorderster Front für den Nationalsozialismus eintrat. Besonders eindrücklich ist der Nachweis, wie Werner Elert sein Kriegserlebnis (des Ersten Weltkriegs) im Kampf um das Christentum 1921 und dann in seiner Morphologie des Luthertums verarbeitete, um dann 1934 gegen die Barmer Synode den Ansbacher Ratschlag zu veröffent­lichen, der Rasse als Gottes Schöpfungsordnung theologisch rechtfertigte.[5] Noch aufregender ist das Lutherverständnis Hermann Dörries, der sich nach 1945 als Opposition zum NS stilisierte, aber einen Beitrag in seiner Bibliographie verheimlichte, der bereits 1932 An die Kritiker des NS: ein Schutzwort statt einer Kritik für den damals noch weitgehend geächteten NS schrieb.[6] Differenziert zu Heinrich Bornkamm, dessen wichtige Studie zu Luther und das Alte Testament zwar erst 1948 erschien, er das Thema aber schon im Krieg – gegen die Verwerfung des AT – gewählt und erarbeitet hatte.[7]

Im Schnelldurchgang noch die anderen Aufsätze: ThK weist nach, dass der Antisemitismus Luthers nicht erst durch die Ausgabe 1938 bekannt, sondern in Zitatensammlungen (Florilegien) das ganze 19. Jh. präsent war.[8] Protestantisch-theologische Wurzeln des Personenkults im 19. Jh.?[9] Friedrich August Tholuck kritisiert aus der Sicht der Erweckungsbewegung den Rationalismus und seine Vorgeschichte 59-87. Zum schwierigen Verhältnis von Luthertum und Humanismus [2013], 399-431.

Das Ganze ist erschlossen durch üppige Indices. Die meist mehr als die halbe Seite einneh­menden Fußnoten dokumentieren die Forschung außerordentlich dicht, aber viele Nach­weise sind mit den vollen bibliographischen Angaben redundant und verständlicherweise gibt es Überschneidungen, bes. in Kapitel 10 und 13.[10] Ein Manko ist, dass das Datum der Erstveröffentlichung in den bibliographischen Angaben oft fehlt.[11]

Zwischenfazit: Eine herausragende, bestens dokumentierte Wissenschaftsgeschichte, mit Wertungen, die je mit eindeutigen Zitaten belegt sind. Wissenschaftsgeschichte ist jedoch einzuschränken: Auch wenn die historischen Kontexte oft genannt sind, so geht es doch durchgehend um die Wissenschaft der Kirchengeschichte als eine theologische Disziplin, weitergehende wissenschaftsgeschichtliche Einordnungen sind selten.

Und das ist erstaunlich. Der Band ist eher ein Abgesang an eine verschwindende Epoche, ein spezifisch deutscher Zugang, der durch die deutsche Institution der theologischen Fakultä­ten geschützt ist und immer neu begründet werden muss in ihrer Andersheit zu den ‚Profan­historiker:innen‘.[12] Erstaunlich wenig ist von den neueren Entwicklungen die Rede, beson­ders Berndt Hamms Forschungen sind bibliographisch präsent, aber nicht in ihrer Konse­quenz dargestellt.[13] Ein Ausblick auf Themen, die künftig der Erforschung harren, fehlt völlig. Und das von einem Forscher wie Thomas Kaufmann, der umfassend das Medium Buchdruck/Flugschriften erforscht hat und dafür den kecken, geradezu provozierenden Titel gewählt hat Die Mitte der Reformation.[14] Die Fragestellungen haben sich verschoben auf die Mobilisierung der Öffentlichkeit, eine Bewegung, nicht ein theologischer Denker, der seinen Studenten den Römerbrief auslegt. Die Reformation auch in Kaufmanns Sinne hat (mindestens) vier Zentren: Wittenberg, Zürich, Genf und Straßburg. Insofern ist der Satz völlig überzogen (506): … der Begriff ‚Reformation‘ wurde von den Pluralisten enteignet, inhaltlich entkernt und umgedeutet – ein Akt der semantischen Expropriation zum Behufe der historiographischen Relativierung, was bisher darunter verstanden wurde.“ Man kann so argumentieren: „Ohne Luther keine Reformation“. Aber Luther ist nicht die Reformation. Die weitgehende Engführung auf die deutsche Forschung, auf die theologische Kirchenge­schichte eröffnet keine Perspektiven. Und die Frage, was die Reformation an ‚Neuem‘ für welche Gruppe erbracht hat, das erscheint auch nicht am Horizont.

Fazit: Die hier herausgegebene Sammlung von Aufsätzen zeigt Kaufmann als exzellenten Kenner der Kirchengeschichtsschreibung mit bohrenden Fragen und scharfen, aber immer gut belegten Urteilen zur Stellung zum Nationalsozialismus samt Vor- und Nachgeschichte. Da ist sie großartig und unbedingt lesenswert. Aber es ist eher ein Grabgesang einer ver­gangenen Epoche als ein Aufbruch zu neuen, frischen Fragen. Und das von einem, der genau solche Aufbrüche wagt.

 

Bremen/Wellerscheid, August 2022                                                                     Christoph Auffarth

Religionswissenschaft,
Universität Bremen

E-Mail: auffarth@uni-bremen.de

 

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[1] Jetzt die fundamentale Ausgabe mit den späteren, geplanten Ergänzungen als Ernst Troeltsch, Kritische Gesamtausgabe (KGA) 9, 1-3, hrsg. [und vorzüglich eingeleitet] von Friedrich Wilhelm Graf u.a. siehe meine Rez.: „Die Soziallehren der christlichen Kirchen“: Ernst Troeltschs Klassiker in der Neuausgabe. Ernst Troeltsch, Kritische Gesamtausgabe. Berlin: De Gruyter. Band 9,1-3 Die Soziallehren. 2021. ISBN 978-3-11-043357-9 https://blogs.rpi-virtuell.de/buchempfehlungen/2021/06/30/troeltsch-soziallehren/ (30.6.2021).

[2] Das 20. Jahrhundert würde das amerikanische sein, hatte schon Ulrich von Wilamowitz in seiner Rede auf das Neujahr 1900 prophezeit. S. Christoph Auffarth: „Ein Hirt und keine Herde“. Zivil­religion zu Neujahr 1900. In: CA; Jörg Rüpke (Hrsg.): Ἐπιτομὴ τῆς Ἑλλάδος. Studien zur römischen Religion in Antike und Neuzeit für Hubert Cancik und Hildegard Cancik-Lindemaier. (Potsdamer Altertums­wissenschaftliche Beiträge 6) Stuttgart: Steiner 2002, 203-223.

[3] Das Thema des „Durchbruchs“ der „reformatorischen Erkenntnis“ reduziert die Reformation auf ein kognitives Ereignis eines Individuums. Bei dem von Karl Barths Dialektischer Theologie geprägten Ernst Bizer wird das zu einer sich verstärkenden Reihen von Durchbrüchen. Sein Lutherbuch fides ex auditu 1958 führte zu einer langen Kontroverse ([2004] 463-489). [Das sind das Jahr der Erstveröffent­lichung und die Seitenzahlen im vorliegenden Buch von Thomas Kaufmann].

[4] Die Harnacks und die Seebergs [2005], 119-170. Erich Seeberg als NS-Theologiepolitiker, 249-270. Der letztere Aufsatz ist eine Zusammenfassung eines 150-seitigen Aufsatzes von 2002. Zum Schüler See­bergs Ernst Benz, der dessen Programm der Umgestaltung der Kirchengeschichte zum Fach Deutsche Frömmigkeit vorantrieb, in der Bonner Republik aber – weiterhin antikommunistisch und anti­katholisch – als Kulturpolitiker die globale Öffnung repräsentierte, s. Auffarth, Frömmigkeit im protestantischen Milieu: Marburg während des Nationalsozialismus. In: Olaf Blaschke; Thomas Großbölting (Hrsg.): Was glaubten die Deutschen 1933-1945? Religion und Politik im Nationalsozialismus. Frankfurt am Main: Campus 2020, 415-442.

[5] Werner Elert als Kirchenhistoriker [1996], 197-248. Dort auch eine gute Charakteristik der Gemein­samkeit mit Rudolf Otto 224, Anm. 94, sich auf Luthers „unableitbare“ Erfahrung berufend.

[6] Mit angeblichen Lutherzitaten. ThK kann auf den Nachlass von Elert zurückgreifen, den er privat archiviert hat [unveröffentlicht], 371-395).

[7] Heinrich Bornkamm als Vorsitzender des Vereins für Reformationsgeschichte [2008], 271-320. Ein Blick auf Bornkamms Bruder Günther, Prof. für NT, klarer Gegner des NS, wäre erhellend. Dazu Gerd Theissen: Neutestamentliche Wissenschaft vor und nach 1945: Karl Georg Kuhn und Günther Bornkamm. Heidelberg: Winter 2009.

[8] [2015], 3-36. Johannes Wallmann hatte das bestritten in zwei Rezensionen, ThK stellt das nicht heraus (4, Anm.2).

[9] [2015], 37-58 verweist auf die Schrift von Carl Ullmann.

[10] 10 Evangelische Reformationsgeschichtsforschung nach 1945 [2007], 321-369 (um den Kritiker Ernst Wolf herum). 13 Die deutsche Reformationsforschung seit dem Zweiten Weltkrieg [2009], 433-461.

[11] Fehler sind sehr selten. 172 A. 1 heißt der Autor Wolfgang Schluchter, nicht Schlachter. Andere Versehen liste ich hier nicht.

[12] Obwohl gerade die Frühneuzeit-Historiker:innen das Thema Religion entdeckt haben, kommen sie in den Forschungsberichten fast nicht vor (außer prominent Peter Blickle). Wo steht etwas zur „Sozial­disziplinierung“ (Gerhard Oestreich) und La grande peur (Jean Delumeau 1978), Schorn-Schütte ist gerade einmal erwähnt, Renate Dürr gar nicht. Die Forschung von Franziska Loetz zu Zürich ergab ein überaus interessantes Bild vom Verhältnis der Ratsherren und der Theologen (Mit Gott handeln, 2002). Gerade erschienen ist ihr Gelebte Reformation. Zürich 1500-1800. Zürich TVZ 2022, 391-409.

[13] Die herausragende Monographie (mit meiner Rezension) zeichnet geradezu ein Gegenbild zu Luther, jedenfalls eine Alternative zu Luthers Menschenbild: Gerechtigkeit in der Stadt – Ein Prediger vor der Reformation. Berndt Hamm: Spielräume eines Pfarrers vor der Reformation. Ulrich Krafft in Ulm. Ulm: Stadtbibliothek 2020. https://blogs.rpi-virtuell.de/buchempfehlungen/2021/04/19/hamm-spielraeume-eines-pfarrers/ 27.4.2021. Zum „Ablass“ ders.: Ablass und Reformation – erstaunliche Kohärenzen. Tübingen: Mohr Siebeck 2016.

[14] Im Kontext dieses wissenschaftsgeschichtlichen Bandes wäre die „Mitte der Reformation“ die theologische Erkenntnis der (passiven) Rechtfertigung und der Gnadenlehre und die Mobilisierung der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit dem Ablassstreit 1517. ThK hat das in seinem Der Anfang der Reformation begründet (Meine Rezension: Anfänge und Bruch. Thomas Kaufmann: Der Anfang der Reformation. 2012. https://blogs.rpi-virtuell.de/buchempfehlungen/2013/02/27/der-anfang-der-reformation ) und in seinem abschließenden Aufsatz Wider die Pluralisierung der Reformation (491-514) noch einmal festgeschrieben., nachdem sein Buch Das Ende der Reformation von der Titelgebung eine Trilogie suggerieren. Meine Rezension zu Die Mitte: Thomas Kaufmann:  Die Mitte der Reformation. Eine Studie zu Buchdruck und Publizistik im deutschen Sprachgebiet, zu ihren Akteuren und deren Strategien, Inszenierungs- und Ausdrucksformen. Tübingen: Mohr Siebeck 2019. XX, 846 Seiten. (Beiträge zur historischen Theologie 187) https://blogs.rpi-virtuell.de/buchempfehlungen/2019/11/19/mitte-der-reformation/ (19.11.2019). Zu diesem gelehrten Buch erschien gerade eine populärere Version: Die Druckmacher. Wie die Generation Luther die erste Medienrevolution entfesselte. München: Beck 2022.

Reichersberg scutum canonicorum

Arno von Reichersberg: Scutum canonicorum.

Edition, Übersetzung, Kommentar.
Herausgegeben von Julia Becker.
(Klöster als Innovationslabore 11)

Regensburg: Schnell + Steiner 2022.
256 Seiten, ISBN 978-3-7954-3733-6.
66 €.

 

Leben wie die Jünger, aber nicht als Mönche.
Eine Streitschrift aus der Mitte des 12. Jahrhunderts

Eine Rezension von Christoph Auffarth

Kurz: Der Traktat des Arno von Reichersberg, in einer mustergültigen Edition und Über­setzung, mischt sich ein in den Streit über das ‚Leben wie die Apostel‘ im 12. Jahrhundert.

Ausführlich: Arno von Reichersberg wurde 1100/1110 als einer von fünf Brüdern geboren, trat in das Reformstift Rottenbuch zusammen mit seinem älteren Bruder, des bedeutenderen Gerhoch (1092/93 – 1169), ein, folgt ihm nach Reichersberg, wohin Gerhoch als Propst berufen worden war, und nimmt schließlich dessen Nachfolge an. In dieser Funktion starb Arno 1175.[1] Das Stift war 1080/1084 gegründet worden und zählte sich eher zu der Reform­bewegung, die der Salzburger Erzbischof förderte. Die Mitglieder des Stiftes verstanden sich als Regularkanoniker, einem neuen Typ von Geistlichen, dem viel Misstrauen und Kritik entgegenschlug. Das Scutum („der Schild“) Canonicorum , um 1146 geschrieben, wehrt sich gegen diese Kritik und fordert Gleichberechtigung mit den Mönchen. Denn, so führt Arno aus, „besetzten Mönche die Stiftshäuser und brächten die dort lebenden Kanoniker, obwohl sie schon die lebenslange Profess abgelegt haben, dazu, gleichsam unter dem Vorwand größerer Frömmigkeit zu sich zu locken.“[2] Was JB mit Frömmigkeit übersetzt, heißt im lateinischen Text religio, was im Mittelalter nicht ‚Religion‘ im Sinne einer sozialen Hand­lungspraxis bedeutet, sondern die Lebensform, die sich ausschließlich dem Gebet für das ewige Heil widmet, in Arbeitsteilung mit den Laien, die Lebensmittel und Nachwuchs erarbeiten oder die Mönche und Nonnen mit Waffen schützten (manchmal auch bedrohten). Dazu ist der breitere Kontext zu erklären (was die Herausgeberin dieses erstmals kritisch edierten Textes nicht tut – dafür anderes, Hervorragendes), weil sie auf das umfassende Buch des Projektleiters Stefan Weinfurter verweisen kann.[3] Dies ist also bei den LeserInnen gewissermaßen vorausgesetzt. Im 12. Jahrhundert, wohl auch durch eine kleine Warmzeit des Klimas beflügelt, entwickelte sich das lateinische Mittelalter ganz außergewöhnlich. Überall wurden Wälder gerodet für neue Siedlungen und Städte gegründet, auch auf den Hängen der Berge und bisher unbesiedelten Gebieten („Landesausbau“). Neben einem selbstbewusst werdenden Bürgertum („Laien“) entstanden religiöse Bewegungen, die sich weigerten, sich durch die klassischen Regeln der Mönchsorden einsperren zu lassen, sondern sich auf den Grundsatz beriefen, „wie die Jünger Jesu zu leben“ (vita apostolica). Dabei entstanden viele Experimente.[4] Auch der Aufruf des Papstes Urban II. zum Kreuzzug 1095 enthält diese Aufforderung an seine Jünger: „Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach!“[5]  Das richtete sich an Krieger, die nun Milites Christi (Krieger Gottes) im Orient werden sollten, statt andere Christen in Frankreich zu töten. Milites Christi war bis dahin ein Name für die Mönche und Nonnen. Klar, dass diese neuen Entwicklungen und Experimente Kritik hervorrief, nicht zuletzt bei den traditionellen Mönchsorden. Die neue Form der Regular­kanoniker versuchte einen Kompromiss und suchte immer wieder Bestätigung durch das römische Papsttum.[6] Papst Urban bestätigte 1092 in einem Privileg, dass Regulierte Kanoniker und Mönche gleichwertig seien mit Verweis auf die moderate Regel Augustins.[7] Der Bischof Eberhard von Bamberg jedoch unterstellt seine Eigenklöster dem Orden der Zisterzienser bzw. der Prämonstratenser, worauf die Kanoniker die Klöster Richtung Reichersberg verließen. Das war der konkrete Anlass für diese Schrift, den Schutzschild. Die Mönche murrten und zerrten das Leben der Kanoniker herunter. Da gebe es Kanoniker, die ein eigenes Haus besaßen, also sich nicht in das Gemeinschaftsleben einfügten,[8] die nicht rechtzeitig da waren, um die Messe zu lesen. Also musste die Regel in konkrete Tages- und Lebensabläufe ‚reguliert‘ werden, in consuetudines.[9]

Genau das tut Arno im zweiten Teil seiner (gut sechzig Seiten umfassenden) Schrift, während er im ersten Teil die Gleichwertigkeit der beiden Lebensstile erklärt und verteidigt. Übrigens auch die Gleichwertigkeit von Frauen und Männern mit dem Verweis auf die Freundinnen und Freunde unterm Kreuz (wobei die Jünger bis auf Johannes aus Angst nicht sich zur Solidarität einfanden). In klassischer Manier beruft er sich auf zwei Bibelstellen, die mit der zweiten auch die weiblichen Kanonissen einbezieht. Um die Gleichwertigkeit aus der Bibel zu belegen, bezieht er sich auf den ‚Wettlauf‘ der Jünger zum leeren Grab Jesu:[10] Während Johannes schneller ankommt, aber verstört vor dem Grab stehen bleibt, kommt schnaufend Petrus hinterher. Der geht sofort ins Grab, sieht die leeren Hüllen und erkennt das Wunder der Auferstehung. Daraus zieht Arno den Schluss, dass die beiden Lebensformen zwar unterschiedlich sind, aber zum gleichen Ziel kommen. Der eine ist eher kontemplativ (quietis ac theorię assuetior) – das sind die Mönche –, der andere (Petrus) ist eher zum Dienst am Wort bereit (alius ministerio verbi paratior 216,2f) – das sind die Kanoniker. Der Jüngere ist am Ende abhängig vom Älteren, weil der früher die sacramenta erkannte (seniori agnoscendorum sacramentorum prioratum dependit 216,6). JB übersetzt richtig sacramenta mit ‚Geheimnisse‘, dabei geht die mitzuhörende Bedeutung Sakramente notwen­digerweise verloren.[11] Für die Kanoniker spielt der Gottesdienst für und mit den Laien mit der Austeilung der Sakramente eine zentrale Rolle, während die Mönche erstens nicht alle auch Priester sind und zweitens nur begrenzt für die Seelsorge zugelassen sind. Ähnlich legt Arno die Geschichte des Besuchs Christi bei Maria und Martha aus. Hätten die Mönche recht, dann müsste man scheinbar die Ruhe der zuhörenden Maria sogar für wertvoller als das Amt des predigenden Christus. Das wäre absurd.[12]

Das Besondere dieser Edition aber liegt darin, dass die Herausgeberin die Leserinnen und Leser Einblick nehmen lässt in den Prozess von der Handschrift, den eigenhändigen[13] Korrekturen und Erweiterungen, den Abschriften, der Kurzfassung, alles mit farbigen Fotos gezeigt und in Listen übersichtlich erfasst, bis zur Edition, die die Unterschiede in einem Apparat dokumentiert. Ein zweiter Apparat weist die Bibelstellen und andere Autoritäten nach, auf die sich der Autor beruft. So wird das mühselige Handwerk einer Edition sehr anschaulich.

Und einmal mehr kann man nur die Qualität der Verlagsarbeit loben. Ein Textbuch muss man flach auf den Tisch legen können; Fadenheftung ist nach wie vor die bei weitem beste Lösung, die hier auch angewendet wird, übersichtliches Layout mit farbigen Abbildungen, fester Einband, Vorsätze aus Büttenpapier: Qualität! So kommt die immense Arbeit der Herausgeberin zur Geltung. Sie hat ein interessantes Stück aus dem enormen Aufstieg der Regularkanoniker und der Kontroverse um diese Lebensform der vita apostolica mit einer Übersetzung leicht zugänglich gemacht, erschlossen, knapp kommentiert. Der Anlass ist klar bestimmt, der Kontext etwas mehr vorausgesetzt, den man als Leser mitbringen soll aus Weinfurters Forschungen.

 

Bremen/Much, September 2022                                                                        Christoph Auffarth

Religionswissenschaft,
Universität Bremen

E-Mail: auffarth@uni-bremen.de

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[1] Zu Gerhoch und den Hintergründen des ‚Investiturstreits‘ weiteres in meiner Rezension zu Gerhoch von Reichersberg: Opusculum de aedificio Dei. Edition, Übersetzung, Kommentar Julia Becker. Regensburg: Schnell und Steiner 2020. https://blogs.rpi-virtuell.de/buchempfehlungen/2020/12/07/gerhoch-von-reichersberg/ (7.12.2020). Dort auch Anm. 1 der Hinweis auf Peter Classen, der seine Habilitation zu Gerhoch 1960 schrieb und weitere Aufsätze, die in diesem Buch immer wieder zitiert werden. – Zum Projekt insgesamt Klöster im Hochmittelalter | Heidelberger Forum Edition (heidelberger-forum-edition.de) (3.9.2022, etwas veraltet)

[2] Scutum, ed. Becker (2022), 110f. …Monachis videlicet  quibusdam loca nostra occupantibus et fratres nostros professos quasi obtentu maioris religionis sibi allicientibus. Das Partizip Perfekt Passiv ist eher adversativ.

[3] Stefan Weinfurter 1945-2018 war in Heidelberg Professor für mittelalterliche Geschichte und hat das Forschungsprojekt der Klöster als Innovationslabore begründet und geleitet. Seine Kölner Dissertation hatte die Regularkanoniker zum Thema: Salzburger Bistumsreform und Bischofspolitik im 12. Jahrhundert. Der Erzbischof Konrad I. von Salzburg (1106–1147) und die Regularkanoniker. Köln: Böhlau 1975.

[4] Christoph Auffarth: Die Ketzer. Katharer, Waldenser und religiöse Bewegungen. München: Beck 2005, ³2016.

[5] So erinnerte sich an die Predigt Der Anonymus Gesta Francorum 1,2f. Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana 1,3,7.

[6] Rudolf Schieffer: LexMA 7(1995), 608: „nach Hunderten zählende Welle von Stiftsgründungen“.

[7] Davon gibt es zwei, das praeceptum und der ordo monasterii.

[8] Das Leben in der Gemeinschaft vita communis wird in der Apostelgeschichte 4,32 idyllisch beschrieben. – Dieser Grundsatz ist die eher noch wichtigere Wurzel des Mönchtums als die Askese. Dazu Otto Gerhard Oexle: Koinos Bios. Die Entstehung des Mönchtums. In: OGO: Die Wirklichkeit und das Wissen. […] Göttingen: Vandenhoeck&Ruprecht 2011, 470-495. Vgl. Klaus Schreiner: Gemeinsam Leben. [… Gesammelte Aufsätze] Berlin: LIT 2013; zu Arno 21-23.

[9] Consuetudines (regelmäßige ‚Gewohnheiten‘), die die Regel in konkrete Praxis des Alltags aus­buchstabieren, sind viele erhalten (die Reihe: Corpus consuetudinum monasticarum. Ed. Pius Engelbert; Kassius Hallinger. Siegburg: Schmitt, 1963- bislang 15 Bände, zuletzt die von Hirsau (2010). Leicht zugänglich (zweisprachig in den Fontes Christiani) ist die Lebensordnung des Regular-Kanonikerstiftes Klosterrath. Text erstellt von Stefan Weinfurter. Übersetzt und eingeleitet von Helmut Deutz. Freiburg: Herder 1993.

[10] Johannes 10,4-8. JB, Scutum 2022,  S. 51f. Text S. 214.

[11] Zu den Begriffen Christoph Auffarth: Mysterien (Mysterienkulte). In: Reallexikon für Antike und Christentum, Band 25 (2013), 422-471, hier 436-453.

[12] Sic vero et Marie audientis quies Christi predicantis officio dignior habenda videretur. Hinc vero plurimum interest inter Marthę et Christi ministerium …(218,23-220,2). Sic (genauso absurd wie der Satz zu vor. JB übersetzt absurditas mit ‚Unvernunft‘. Hinc ist nicht aus dem Satz davor abzuleiten „daher“, sondern schließt mit „demgegenüber“ an: Die vita activa Christi ist nicht zu vergleichen mit der vita activa der Martha. Beckers Übersetzung trifft aber in der Regel gut den Sinn und bleibt gleichzeitig nah am Wortlaut.

[13] Die sog. Autographen, also Handschriften, die der Autor selbst geschrieben hat, sind sehr selten. Meist muss man in einem Stemma (Stammbaum der Verwandtschaften) versuchen, die Handschrift zu ermitteln, die dem Original am nächsten kommt, oder aus verschiedenen Überlieferungswegen die Spaltung zu rekonstruieren.

 

Anfangsunterricht – Wie fang ich´s an? III

Das Menu geht weiter! Heute geht es wieder um das wertvoll sein, die Zusage Jesu an alle Kinder und die Frage: Darf ich eigentlich segnen?

Dritter Teil

Das Menu geht weiter!

Wie versprochen führe ich das Menu zum Anfangsunterricht weiter:

– Die Vorspeise mit Kreisbildung, Sammlung und dem Stillwerden habe ich hier für euch zusammengestellt.
– Die Hauptspeise I mit einer ersten Jesusgeschichte und einer sinnenhaften Auseinandersetzung könnt ihr hier nachlesen.
Jetzt folgt ein weiteres Hauptgericht: Jesus segnet die Kinder. Auch diese Einheit ist von Schwester Esther inspiriert. Im RPA Verlag sind die Hefte mit den kompletten Abläufen zu erwerben.
– Die Nachspeise mit Ritualen und Segensideen wird als letzter Beitrag in dieser Serie veröffentlicht.

Offener Anfang

Die Kinder kommen in den Klassensaal, finden auf der Runddecke ihren Papier-Edelstein vor und schnappen sich diesen. Jetzt darf weiter gestaltet werden. Derweil kann ich zu den einzelnen Kindern gehen, ihre Kunstwerke bewundern und mit ihnen ins Gespräch kommen. Wenn alle Edelsteine auf der Runddecke bei ihrem Besitzer/ihrer Besitzerin angekommen sind, schlage ich die Klangschale an. Das ist das Zeichen, den Kopf auf die Bank zu legen und nacheinander (Vielleicht hole ich mir dieses Mal schon Hilfe?) jeden in den Sitzkreis zu kitzeln (mit einer Feder sacht die Hand, die Wange berühren).

Der Kreis – die Mitte

Wir schauen uns um im Kreis. Wer ist mit uns da? Wir lächeln einander an und reichen uns die Hände (nacheinander bildet sich der Kreis).

In die Mitte des Kreises legen wir einen (Holz-) Reifen. Findet ihr die genaue Mitte? Wer stellt sich hinein? Wir können ein kurzes Namenslied singen und das Kind in der Mitte begrüßen.

Ich wähle drei Kinder aus, die jeweils ein blaues Tuch um das Mittekind aufspannen. Das Kind steht, umrahmt von den blauen Tüchern, in der Mitte. Wo steht das Mittekind jetzt? Es steht … (die Kinder äußern sich frei) … unter dem Himmelszelt.

Welche Tücher könnten noch aufgespannt werden? Sonne, Erde, Pflanzen usw. Die Mittekinder und die, die die Tücher halten, werden bei jeder weiteren Idee ausgetauscht.

Nach jeder Runde werden die Tücher um die Mitte herum gelegt. Es entsteht eine bunte Erde.

Die Kinder gehen einzeln um die Erde herum, betrachten sie, spazieren um sie herum. Dabei singen wir ein passendes Lied.

Jesus und die Kinder

Auch Jesus war zu Fuß auf unserer Erde unterwegs … Jetzt erzähle ich die Geschichte der Kindersegnung. Der Kern der Geschichte ist: Für Jesus sind alle Kinder kostbar und einzigartig. So wie ein Edelstein!

Segen kann mit Mut und Kraft von Gott für dich übersetzt werden. Gott ist bei dir. Er wünscht dir Gutes und begleitet dich. Es ist ein Zuspruch. Man könnte auch sagen: „Gott schütze und behüte dich!“ Der Friedrich Verlag hat hier kurz zusammengefasst, wie man den Begriff Segen verstehen kann.

Darf ich selbst segnen?

Natürlich! Wir als Glaubende dürfen einen Segen zusprechen. Wer sich mit dem Thema Segen intensiver auseinandersetzen möchte, gelangt hier zu einer guten Übersicht des RPI Loccum.

Gestaltung

Die Kinder erhalten einen Edelstein und schmücken diesen auf einem Runddeckchen, so dass er wertvoll und kostbar erscheint. Dazu eignen sich alle Arten von Legematerialien (Stäbchen, Plättchen, Blütenblätter usw.).

Auch eine Heftgestaltung zum Thema „Ich bin wertvoll“ ist als Vertiefung denkbar: Die Kinder erhalten das Arbeitsblatt: „Ich bin wertvoll“ (siehe unten) zum Ausgestalten. In die quadratischen und herzförmigen Rahmen zeichnen die Kinder, was sie einzigartig macht. Die Hohlbuchstaben werden besonders schön ausgemalt / nachgefahren. Die Gestaltung dieses Blattes kann auch für den offenen Anfang eingesetzt werden.

Segen

Wer möchte, kann die Kinder – vor der Gestaltungsaufgabe – einzeln in die Mitte bitten und sie segnen. Ich lege gerne meine Hände auf die Schultern des Kindes und sage: „Jesus hat dich lieb, er segnet dich.“

Wir Lehrer*innen dürfen Segen-Zusprechende sein. Wir vertrauen dabei darauf, dass Gott uns Gutes zusagt.

Kurze Stundenübersicht

151. #relichat: „Sternstunden“ im Religionsunterricht

Heute tauschen sich 45Minuten und Friederike Wenisch über eure Sternstunden in Ethik-, Philo- & Religionsunterricht aus und wir wir voneinander profitieren!

Dieser Chat ist für Ethik-, Philo- & Religionsunterricht geeignet.

20:10

F1 – Erzähl mal: Hattet ihr bereits Sternstunden in eurem eigenen Ethik-, Philo- & Religionsunterricht? Zu welchem Thema? #relichat

20:20

F2 – Der Erfolgsfaktor: Welche Faktoren sind für Gelingen /Scheitern von Stunden deiner Meinung nach verantwortlich? #relichat

20:30

F3 – Qualität zählt: Welche Kriterien machen für euch qualitativ hochwertige Stundenentwürfe aus? #relichat

20:40

F4 – Inspiration für die perfekte Stunde morgen: Welche Materialien und inspirierenden Lehrer:innen aus dem Ethik-, Philo- & Religionsunterricht empfehlt ihr? #relichat

20:50

F5 – Sharing is Caring: Was hielt euch bisher davon ab, eure Sternstunden aus dem Ethik-, Philo- & Religionsunterricht zu teilen? Wie wollen wir das tun? Was müssen wir bedenken? #relichat

In der Moderation @45Minuten (Insta: @45Minuten ) und Friederike @FrauWenisch.