Mirabilia Urbis Romae – Wunderwerke der Stadt Rom

cover-mirabiliaMirabilia Urbis Romae – Wunderwerke der Stadt Rom.

Hrsg. von Gerlinde Huber-Rebenich; Martin Wallraff; Katharina Heyden; Thomas Krönung.

Freiburg im Breisgau: Herder 2014. [144 S.] ISBN 978-3-451-30931-1 – Gebunden 26 €

Rom christlich gedeutet – Ein mittelalterlicher Führer durch die Stadt

Zusammengefasst: Wer Rom kennt oder kennen lernen will, hat nun einen gut erklärten Führer zur Hand, der die christliche Deutung der Monumente aus der Mitte des 12. Jahrhunderts vorstellt. Dank der Karten und Abbildungen sehr gut visualisiert.
Im Einzelnen: Die „Mutter aller Reiseführer“? So preist die Binde um den exzellent in wein-rotes Leinen gebundenen Prachtband, eher kleinen Formats, aber wunderbar gedruckt in zwei Farben und vielen Abbildungen und Plänen. Im Humanismus sind die Beschreibungen ungleich genauer, so das gerade neu edierte, im nächsten Jahr erscheinende Buch von Lipsius über das Kolosseum [1]. Aber in den „Wunderwerken der Stadt Rom“ wird nicht das antike „heidnische“ Rom vorgeführt, sondern die christlichen Zuschreibungen. Bisher war der Zugang zu dem bedeutsamen Text schwer möglich, weil der Text vor Rätseln strotzt. Welchen Platz in Rom bezeichnen die Ortsnamen, oder ist der Text da verderbt? Es gelingt den beiden Autorinnen und Autoren nahezu für alle Rätsel eine plausible und durch andere Überlieferung gestützte Antwort zu finden und in der Einleitung das Büchlein in seinem zeitgenössischen Umkreis zu identifizieren.
Der Führer durch das mittelalterlich-christliche Rom ist zwischen 1140 und 1143 entstanden im papstfreundlichen Umkreis und kritisch zum (deutschen) Kaiser. Die 1143 ausgerufene ‚Republik‘ kommt nicht explizit vor, vielleicht aber leise Parteinahme (Einleitung S. 14f) in dem Sinne, wie es ein Distichon aus der Zeit benennt, das die Mirabilia zitieren (c. 22):

Roma vetusta fui, sed nunc nova Roma vocabor
Eruta ruderibus, culmen ad alta fero.

Das alte Rom war ich, doch nun werde ich neues Rom genannt;
/ ans Licht gebracht aus Trümmern, erhebe ich mein Haupt in die Höhe.

 

Die antiken Reste werden mit einigem Stolz vorgestellt, aber christianisiert. Etwa die beiden Dioskuren am Aufgang zum Quirinal: Nackt bezähmen sie die Pferde. C. 12 erklärt die Nacktheit mit der nackten Wahrheit der zu Philosophen stilisierten jungen Männer „etwas hinkend“; aberwitzig ist die Deutung der Frau dazwischen, von Schlangen umgeben und im Schoß eine Muschel; sie erklärt der Text als Allegorese der Kirche mit dem Taufbecken (S. 18; 84-87). Kaiserkritik ist greifbar etwa in c. 15, das in der Einleitung (20) sehr einleuchtend interpretiert wird: Nicht Konstantin sei dargestellt, sondern ein römischer Ritter, der seine Stadt gegen die Orientalen verteidigt. Der Orient taucht immer wieder als Quelle von Gefahr auf. Kaiserkritisch auch die Legende von der Ara Coeli (in den Mirabilia zuerst erzählt c. 11): Kaiser Augustus habe, als der Senat ihm göttliche Verehrung antrug, bei der Sorge um seine Nachfolge eine Vision gehabt: erst fragte er die tiburtinische Sibylle. Die kündet ihm den Weltenrichter an und Augustus sieht auf einem Altar im Himmel (ara coeli) stehend die Jungfrau Maria mit dem Jesus-Knaben. Augustus betet den Weltenkaiser an. Die Erklärung sollte hier die Reichseschatologie anschließen, die dem deutschen Kaiser eine zentrale Rolle zuschreibt, von der Tiburtinischen Sibylle ausgesprochen: Der deutsche Kaiser zieht nach Jerusalem, besiegt den Feind und legt die Krone am Ölberg nieder, die der Weltenrichter dann übernimmt [2].
Der Text ist keine große lateinische Prosa, vielfach eine Aufzählung, aber ein Text, der stolz durch die Stadt Rom führt und dabei für alles eine christliche Erklärung unterstellt, so unlogisch und unhistorisch sie auch sein mag. Der Text gehört in jede Vorbereitung einer Rom-reise, manches kann man auch im Unterricht behandeln. Der Zugang zu dem recht schwierigen Text – weniger sprachlich als bedeutungsmäßig – ist jetzt geebnet durch die Übersetzung und die Erklärungen. Dazu ist das Buch sehr schön gedruckt, eignet sich also als Geschenk für jede Rom-Liebhaberin und Rom-Fan: ein Schmuckstück mit hohem historischem Wert.

 

[1] Justus Lipsius: De Amphitheatro Liber, in quo forma ipsa Loci expressa, & ratio spectandi. Cum æneis figuris. Antverpiae: Plantin 1585. Herausgegeben, übersetzt und erklärt von Andrea Steenbeek. Leiden: Brill 2015.

[2] Im Zusammenhang und mit den Quellen bei Christoph Auffarth: Irdische Wege und himmlischer Lohn. Kreuzzug, Jerusalem, Fegefeuer. Göttingen 2002, 86-90. Hannes Möhring: Der Weltkaiser der Endzeit: Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung. Stuttgart: Thorbecke 2000.

Christoph Auffarth,
Religionswissenschaft
Universität Bremen

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