Handbuch Dialogorientierter Religionsunterricht

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Christine Lehmann*, Martin Schmidt-Kortenbusch*

Handbuch Dialogorientierter Religionsunterricht

Grundlagen, Materialien und Methoden für integrierte Schulsystem

1. Auflage 2016  mit 16 Abbildungen u. 35 Tab. kartoniert

ISBN 9783525702185               Vandenhoeck & Ruprecht      25.-

Folgendes Szenario steht mir vor Aufgen: Die Fachkonferenz Religion – Ethik bzw. Werte und Normen plant ein schulspezifisches Curriculum für den Fächerverbund in einem großen Schulzentrum. Zu Grunde gelegt werden die fachspezifischen Bildungspläne – Kerncurricula –  mit Standards, Kompetenzen und Inhalten. Zur Vorbereitung hat die Konferenzleitung mehreren Kolleginnen und Kollegen verschiedene Kapitel aus dem neuen Handbuch Dialogorientierter Religionsunterricht zur Lektüre gegeben. Ich darf als Gast zugegen sein und mache mir fleißig Notizen von dieser Konferenz.

Kollege A. setzt sich besonders für ein fruchtbares Miteinander der Fächer Evangelische und Katholische Religion, Ethik (Werte und Normen/Philosophie) und auch islamischer RU ein. Aus seiner langjährigen Praxis zieht er nun den Schluss: „Die traditionelle Form des Religionsunterrichts in seiner grundsätzlichen Trennung von Evangelisch und Katholisch ist überholt!“ (14)  Nachdem er die Vielfalt der verschiedenen Modelle in Deutschland in ihrem Für und Wider mit Hilfe der gründlichen Synopse aus dem Handbuch (26 -31) durchgearbeitet hat, schlägt er der Konferenz das Modell eines konfessionell-kooperativen Religionsunterrichtes in enger Zusammenarbeit mit dem Alternativfach (28) vor!  Die anwesende Schulleitung erkundigte sich nach den rechtlichen Grundlagen für dieses Modell; auch hier konnte das Handbuch (15 – 21) solide Informationsdienste leisten. So wurde für die weitere Planung grünes Licht gegeben. Im Hinblick auf die kommende Sitzung des Gesamtelternrates der Schule wurden dann Argumentationshilfen zum Thema „Schule braucht Religionsunterricht“ erörtert. Hier griff man gerne zu den Fünfzehn Argumentationssträngen, die im Handbuch vorlagen (21 – 25). Besonders wurde betont, dass „Geschichte und Kultur … ohne Kenntnis grundlegender biblischer Erzählungen und Motive nicht hinreichend zu verstehen“ sei (24). Kollegin B. machte sich  dafür stark, dass das friedliche Miteinander der Menschen aus verschiedenen Kulturen und Religionen durch einen plural angelegten Religionsunterricht gestützt und gefördert werde: „In einer pluralen Gesellschaft müssen religiöse und nicht religiöse Menschen ihr Zusammenleben auf Dauer friedlich gestalten“ (24).  Die Vertreter des Faches Ethik unterstützten dies sehr und verwiesen auf den grundsätzlichen Orientierungsbedarf, der auch für Kinder und Jugendliche aus nichtreligiösen Traditionen gegeben sei. Gemeinschaftlich war man sich einig, dass es im Fächerverbund vorrangig darum gehe, „zur Selbstreflexion und zu verantwortungsbewusstem Handeln zu befähigen“ (25). Zu diesem gemeinsamen Ziel könne aus der Substanz der verschiedenen Fächer viel zusammen getragen werden (vgl. bes. 43).  „Das Bemühen um ein besseres Verhältnis zwischen dem RU und dem Alternativfach ist dem Handbuch deutlich anzumerken“, meinten die Konferenzmitglieder erfreut.

Um den fachlichen und inhaltlichen Dialog für alle Schülerinnen und Schüler fruchtbar zu machen, nutzte die Konferenz ein konkretes Planungskonzept (49 ff). Kollege C, der auch im Stundenplanteam der Schule mitarbeitet, zeigte eine verdeutlichende Grafik (52) am Beispiel der Planung für ein 5. Schuljahr. In verschiedenen „Bändern“ und „Kursen“ und „Klassenphasen“ werden alle Schülerinnen und Schüler durch die Lehrkräfte mit Inhalten aus den verschiedenen Bereichen vertraut gemacht! Die Fachkonferenz schloss sich dem Konzept an und entwarf konkrete Sequenzen und Planungen zu Themen des 5. Jahrganges (53 -57). Beispiele dieser konkreten Schuljahresplanung findet man im Downloadmaterial, das Herausgeber und Verlag im Internet zur Verfügung stellen.[1]

„Gut, dass es endlich mal Grundlegungen und Materialien für den Religionsunterricht an Gesamtschulen gibt“, meint Kollegin D., „Das sollte auch in Fortbildungen stärker zum Zuge kommen!“ Sie bezog sich mit diesem Lob vor allem auf das 2. Kapitel des Handbuches. Dort findet man schuldidaktische Begründungszusammenhänge und didaktische Anknüpfungen zur Religionspädagogik (vgl. 58 ff). Damit wird der Boden bereitet für die Zielrichtung: “Auf dem Weg zur inklusiven Schule“ ( 80 ff). Kollege E. vertritt die Auffassung, dass Gesamtschulen per se gut geeignet seien, den inklusiven Bildungsanspruch umzusetzen. „Wir machen das schon in vielen Bereichen“, argumentiert er, „denn wir haben uns ja längst von der Fiktion der Homogenität in der Schulklasse verabschiedet“. Er zitiert die biblisch begründete Haltung, dass sich „der Blick der Lehrkraft primär auf die Stärken eines Kindes richten sollte und nicht auf die Defizite“ (88).
Kollege F. setzt an dieser Stelle nach und formuliert prägnant: „Inklusion und konfessioneller RU – ein Widerspruch“ (89). Er bittet um wörtliche Aufnahme dieses Satzes ins Protokoll! Bevor es dazu kommt, setzt sich die Konferenz aber noch mit weiteren Begründungen und Konsequenzen zur Umsetzung des Inklusionsgedankens auseinander (89). [2] Als hilfreich wurde empfunden, dass im Handbuch klare Thesen mit Erläuterungen zum Inklusions-Komplex zu finden sind (vgl. 91-93). Kollegin F., die aktuell eine Weiterbildung zu diesem Themenkomplex absolviert – und die nicht ganz zu Unrecht die „reflektierende Praktikerin“ (99) genannt wird – zeigte sich besonders erfreut über die ausführliche Literaturliste zum Inklusionsthema, auch gerade für das Fach Religion! (93f).  „Ganz praktisch wird es dazu im Kapitel 5“, erläuterte sie, „hier finden wir Aufgabenbeispiele für alle Jahrgänge“ (177 – 236).

„Und wir brauchen auch endlich mal neue Reli-Bücher“, warf Kollege G. ein. „Ich habe im Handbuch eine gute Liste von Kriterien dazu gefunden“ (131 – 134) [3]. Man beschloss, die vielfältigen Verlagsangebote daraufhin zu prüfen. In der folgenden Konferenz sollten die Vorzüge und Nachteile der neuen Religionsbücher auf der Tagesordnung stehen.

Es war ein langer, aber anregender Konferenz-Nachmittag. „Wir sind heute gut voran gekommen“ – so lautete die einhellige Meinung! –

In den Tagen danach habe ich das „Handbuch Dialogorientierter Religionsunterricht noch weiter emsig gelesen. Als Fachdidaktiker bin ich von der Aktualität und Gründlichkeit in vielen Dingen beeindruckt. Neue Ansätze wie Kompetenzorientierung und eine differenzierte Aufgabenkultur werden für die Praxis fruchtbar gemacht. Inhalte und Themen sind ausgewogen in ein Spiralcurriculum eingebettet, so dass der Religionsunterricht über Jahre hinweg auf Grundlagen aufbauen kann und Neues hinzufügen kann.[4] Die sieben Hauptkapitel gehen auf grundlegende Fragen der Schulgestaltung um die Fächer Religion bzw. Ethik (Werte und Normen / Philosophie) ein. In dieser umfassenden Sicht ist das Buch wirklich ein Handbuch für die Praxis, das seine Prägnanz auch durch die reflektierte Theorie erhält.

 

  • Die Autoren
    Dr. Christine Lehmann ist Lehrerin an einer Integrierten Gesamtschule (IGS) in Braunschweig, Landesfachmoderatorin für Ev. Religion an Gesamtschulen in Niedersachsen und Privat­dozentin am Institut für Theologie und Religionswissenschaft der Leibniz Universität Hannover.
    Martin Schmidt-Kortenbusch ist ebenfalls Lehrer an einer IGS in Braunschweig und Landesfachmoderator für Kath. Religion an Gesamtschulen in Niedersachsen.

 

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Christine Lehmann, Martin Schmidt-Kortenbusch

Dialogorientierter Religionsunterricht in integrierten Schulsystemen

Unterrichtsplanungen und -materialien zu zentralen Themen der Sek I

  1. Auflage 2016      mit 46 Abbildungen kartoniert    ISBN 9783525770207
    Vandenhoeck & Ruprecht

Das Handbuch wird ergänzt durch einen Praxisband mit Unterrichtsbeispielen. Christine Lehmann und Martin Schmidt-Kortenbusch bieten Unterrichtsplanungen und Materialien zu diesen Themen an: Jahrgang 5/6: „Wer bin ich?“ – Nachdenken über Schöpfung und Mitwelt; Jahrgang 7/8: „Der Frieden – ein unterfüllbarer Wunschtraum?“; Jahrgang 9/10: Die Kirche hat doch immer mit den Mächtigen paktiert“ …? – Die Kirchen im Nationalsozialismus.  Jedem Thema werden ca. 30 Seiten gewidmet. So entsteht mit den religionspädagogischen Leitgedanken und der vorgelegten Unterrichtsplanung ein reicher Materialfundus. Zahlreiche neue bzw. bisher `unverbrauchte` Texte und Bilder stehen hier für den Unterricht zur Verfügung.

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Dr. Manfred Spieß, Oldenburg     7.7.2016

 

[1] Hier stehen zahlreiche Materialien (pdf-Dateien) bereit, die direkt oder auch durch eigene Neugestaltung in der schulischen Arbeit eingesetzt werden können.

[2] In der kritischen Auseinandersetzung mit dem konfessionellen Religionsunterricht ist öfters festzustellen, dass die präzise Argumentation zu kurz kommt. So auch an dieser Stelle, S. 89 u.ö. Die Kritiker schreiben „konfessioneller RU“, sie meinen aber damit die grundsätzlich getrennte Erteilung des Unterrichts! Eine konfessionelle Orientierung wird von den Autoren doch durchaus gewünscht! Eine genaue Sprachfindung würde manches Missverständnis vermeiden!

[3] Warum haben die Autoren an dieser Stelle keine beispielhaften Religionsbücher aufgeführt?  Waren keine empfehlenswerten vorhanden? Hauptgrund vermutlich: das Problem der weit verbreiteten Viergliedrigkeit im Schulwesen prägt auch die Herstellung von Schulbüchern …!

[4] Besonders Kapitel 4.4. „Progression statt Addition – Schulcurriculum als Spiralcurriculum“, 138 – 156. An dieser Stelle sind auch erkennbar interreligiöse Zusammenhänge einbezogen, zu islamischen und jüdischen Themen. Das ist noch ausbaufähig, auch auf der Materialebene!

 

 

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