Der „Heilige Krieg“ im Pentateuch und im deuteronomistischen Geschichtswerk

Rüdiger Schmitt:
Der „Heilige Krieg“ im Pentateuch und im deuteronomistischen Geschichtswerk.

Studien zur Forschungs-, Rezeptions- und Religionsgeschichte von Krieg und Bann im Alten Testament. (Alter Orient und Altes Testament 381)
Münster: Ugarit-Verlag 2011, XII, 248 Seiten.

 

Der Gott des Krieges?

Zusammenfassend: Jahwe, ein Gott des Krieges? – Obwohl gerade die Propheten zahllose Worte Gottes übermitteln, in denen Jahwe den Krieg verbietet, nicht nur zu bestimmten Anlässen, sondern prinzipiell? „Schwerter zu Pflugscharen“ ist eines der bekann­ten. Aber daneben stehen die Erzählungen vom „Jahwe-Krieg“: Gott selbst zieht in die Schlacht, verlangt, alle Feinde zu töten, die Beute muss vollständig Gott über­geben werden. Die Untersuchung von RS analysiert nicht nur den Jahwekrieg in den ver­schiedenen Theologien der Hebräischen  Bibel, sondern auch in der christ­lichen Rezeption von den Kreuzzügen über die Reformation bis zur christlichen Rechtfer­tigung der Weltkriege des 20. Jahrhunderts – durch evangelische  Theologen mit Verweis auf den Jahwe-Krieg.

Im Einzelnen: Zur Forschungsgeschichte (Kapitel 1, S. 1–50), beschreibt RS, wie auf der Grundlage der Abgrenzung von (liberalem) Judentum und (liberalem) Protestantis­mus – etwa bei William Robertson Smith und Julius Wellhausen Ende des 19. Jh.s – ,die Juden’ als kriegerische Nation bewertet wurden (die 1800 Jahre keinen Krieg mehr geführt hatten!). Unter dem Eindruck des Nationalsozialistischen Krieges inter­pre­tierte besonders Gerhard von Rad (ein ausgesproche­ner Gegner des NS)  in seiner Monographie von 1951 die Texte vom Heiligen Krieg. Während von Rad noch von archaischen Texten ausging, die eine vorstaatliche Epoche repräsentieren, wurde in der Bibelwissenschaft deutlich, dass etwa das Buch Josua eine späte Rekonstruktion der Frühzeit darstellt. Spiegelt der Jahwe-Krieg die berüchtigte Kriegesführung der Assyrer?

Die Kapitel 2 bis 4 besprechen die Sakralisierung des Krieges in den Texten der Hebrä­ischen Bibel, zunächst (Kapitel 2, S. 51–148) die deuteronomistische Traditionsbil­dung, dann in der priesterschriftlichen Traditionsbildung (S. 149–158), weiter solche Traditionen, die den beiden genannten nicht zuzuordnen sind (S. 159–170). Die zahl­reichen Abkürzungen und Geheimzeichen der engeren Forschungsdis­kus­sion (wie dtrP) sind nicht aufgelöst und die neuen Quellentheorien werden vorausgesetzt. Hebräische Texte werden vorzugsweise in Umschrift gegeben. Wichtige Texte, die auch in der Schule regelmäßig behandelt werden, sind hier auf dem neuesten Stand der Bibel­wissenschaft interpretiert: David und Goliath, David und Saul, die Eroberung von Jericho, die Landnahme, Moses gegen Pharao.

Es folgt mit Kapitel 5 die Rezeptionsgeschichte des Jahwekriegs in der christlichen Tradition (S. 171–208). Die Kreuzzüge nicht nur aus der einseitig-propagandistischen Sicht Bernhards zu besprechen, sondern die Sicht der Laien hinzu zu nehmen,[1]  hätte das Bild genauer dif­feren­ziert; das ist aber in dem Zusammenhang nicht zu leisten. RS präsentiert dann sehr wichtige Texte der Reformatoren für die Rechtfertigung der Konfessions­kriege.  Dann die Rechtfertigungen für die National- (die antinapoleo-nischen wären hier zu ergänzen) und Weltkriege, bis hin zu Johannes Hempel im Dritten Reich. Ab­schlie­­ßend eine gelungene Zusammenfassung, Kapitel 6, S. 209–218). Eine umfang­reiche Bibliographie und Indices (Personen, Sachen, Bibelstel­len) erleichtern die Arbeit mit dem wichtigen Buch.

Die spannende, etwas mühsam zu lesende Monographie greift darin zu kurz, als sie das Gegenstück – Jahwe als Gegner des Krieges – nicht mit einbezieht. Was bedeutet es, wenn die Utopisten des Exils (denen einen Krieg zu führen unter der Perserherr­schaft völlig unmöglich war) dieses Bild von einer grausamen, radikalen Kriegsideo­logie unter Gottes Führung vorzeichneten?  – Und unter entgegengesetzten Vor­zeichen dann in den Makkabäerkriegen vierhundert Jahre später verwirklich­ten? Das Material für die Beantwortung dieser Frage liegt hier, nach den neuesten bibel­wissen­schaftlichen Erkenntnissen interpretiert, vor.

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[1] Auffarth, Christoph: Irdische Wege und himmlischer Lohn : Kreuzzug, Jerusalem und Fegefeuer in religionswissenschaftlicher Perspektive. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2002, S. 123–150; Bull, Marcus Graham: Knightly Piety and the Lay Response to the First Crusade: the Limousin and Gascony, c. 970 – c. 1130. Oxford: Clarendon 1993.

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Bremen, 22. Juni 2011
Christoph Auffarth,
Religionswissenschaft
Universität Bremen

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