Herodot Historien 7

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Herodot: Historien. 7. Buch. Griechisch/Deutsch.

Übersetzt von Christine Ley-Hutton.
Herausgegeben von Kai Brodersen. Ditzingen: Reclam 2016.
256 S. –
ISBN 978-3-15-018227-7 =  UB 18227.
7,60 €

 

Der Vater der Geschichte: Herodot erzählt
von den übermächtigen Persern und dem
Kampf der Griechen um die Freiheit

Eine Rezension von Christoph Auffarth

Kurz: Der „Vater der Geschichte“ hat sich neugierig umgehört und erzählt spannend von den Welten, die er bereist hat, mit dem Ziel zu erklären, wie es zu dem antiken Konflikt kam zwischen Orient und den Griechen, die Schlacht der Dreihundert an den Thermopylen.

Ausführlich: Wer seine Kultur verlässt und reist, kann viel ‚erfahren‘ durch die Be­gegnung mit dem Ungewohnten, nicht-Selbstverständlichen,  und letztlich über sich selbst. Der erste ‚Reiseblogger‘ und Vorbild dafür, selbst die Erfahrung machen, kritisch nachfragen, nicht alles akzeptieren, wie es erzählt wird,[1] ist Herodot. Das Wort, das er neu prägt, historia ἱστορία hängt zusammen mit „sehen“, „Augenzeugen­schaft“. Später wurde seine Erzählweise zu „Geschichte“. Was später in neun Bücher eingeteilt und nach den neun Musen benannt wurde, war wohl – wie KB in seiner Ein­leitung zum 5. Buch eine neue Forschung mitteilt –  in 28 logoi λόγοι unterteilt. Die In­haltsübersichten (hier S. 252f) erleichtern die Orientierung. Schwerpunkt des siebten Buches ist (nachdem Buch 5 den Aufstand der Griechen in Kleinasien gegen die Zumutungen der Perser, deren Herrschaft sie abschütteln wollten. Milet wird zum Brennpunkt des ‚Ionischen‘ Aufstandes. Bei der Suche nach Verbündeten reist Aristagoras nach Sparta und Athen und sieht die Unterschiede, hier der Staat der Elite-Soldaten, dort die Liebe zur Freiheit, Mitreden und Mitentscheiden Können, die Demokratie. Die Zerstörung von Milet im 6. Buch wird zum Fanal der Perserkriege). Buch 7 stellt das Perserheer auf, auf der anderen Seite die Griechen, die sich fragen, ob sie sich gemeinsam aufstellen oder lieber zuschauen wollen. Und dann dringt das riesige Heer des Xerxes nach Nordgriechenland ein. An den Thermopylen, wo Gebirge und Meer nur einen schmalen Durchgang lassen, verteidigt Leonidas mit seinen „Dreihundert“ Spartanern den Weiterzug.[2] Wird aber schließlich geschlagen – durch Verrat (7, 201-233). Das Riesenheer und die Flotte der Perser, 2 310 000 Mann (7, 184), bewegen sich weiter fort – Richtung Athen (Fortsetzung folgt). Nach dem Tod seines Vorgängers Dareios ist Xerxes besessen von dem Verlangen, die Griechen zu beherrschen. Er zwingt die Natur, ihm zu gehorchen. Er verlangt die Unterwerfung. Aber die meisten griechischen Städte verweigern das, töten sogar die Gesandten.[3] Nein, vor dem König ‚wie ein Hund zu kuschen‘ (proskynein προσκυνεῖν), würden sie auf keinen Fall tun (7, 136,5). In Athen beginnt der Aufstieg des Themistokles, als er den Orakelspruch des Apollon von Delphi, sie sollten sich hinter die hölzernen Mauern zurückziehen, so deutet, dass sie die Stadt verlassen, den Persern ihre Stadt zur Plünderung überlassen, stattdessen aus Holz Schiffe bauen und so die Perser auf See besiegen sollten (7, 138-144). Spannend, detailreich erzählt Herodot auch Szenen, bei denen er nicht dabei war. Er nimmt sich Zeit, genauer das Land und die Leute zu beschreiben, wenn sie in Berührung mit dem Perserreich kommen. Das gehört zu seiner Art der Geschicht­schreibung, dass man, was dann geschieht, nur verstehen kann, wenn man den Charakter, die Einstellung, die von ihnen gewählte Lebensweise kennt. Später nennt man das „Exkurs“ (Ausflug). Aus Herodots Reisebeschreibungen und überraschenden Begegnungen aber wissen wir viel etwa über Ägypten (Buch 2), über Skythien und Libyen (Buch 4), und die griechi­schen Städte. 7, 61-81 beschreibt Herodot beispielsweise, welche Rüstungen die am Krieg Beteiligten trugen, Religion und die Bedeutung der Götter, insbesondere die Voraussage der Zukunft, Die Einleitung von KB legt in aller Kürze dar die Sprache des Herodot, die dem Attischen nahe ist, aber doch etwas altertümliche Form, das (Ost-)Ionische.

Seit 2002 erscheint eine Neuübersetzung bei Reclam von Christine Ley-Hutton, knappe Einleitungen und sehr wenig Kommentar von dem Erfurter Althistoriker Kai Brodersen. Nachdem Herodot in vielen Übersetzungen zu lesen ist, ist die neue Ausgabe mit den griechischen Text links, der deutschen Übersetzung rechts ausgesprochen hilfreich.

Das letzte große Übersetzungsprojekt war das von Walter Marg, Zürich: Artemis 1973-1983, ND München: dtv 1991. Einer der besten Kenner war Heinrich Stein, der 1856-1982 einen Kommentar zu Herodot herausgab, immer wieder verbessert, zuletzt 61908 (davon auch Nachdrucke); seine Über­setzung Die Geschichten des Herodot erschien zuerst in 2 Bänden in Oldenburg: Schmidt, 1875, zuletzt ND Essen: Magnus 2006. Theodor Braun, zuerst Leipzig: Insel 1927 zuletzt Frankfurt am Main: Insel 2001. Walther Sontheimer übersetzte Herodot für Reclam 1974. Die erste Übersetzung bei Reclam in Leipzig von Friedrich Lange erschien 1885-86. Neu herausgegeben von Dr. Otto Güthling 1929.

Der neuen Übersetzerin gelingt ein Mittelweg zwischen einer modernen Sprache, die ‚die Sprache Kanaans‘ vermeidet (Wörter, die nur noch für Übersetzungen verwen­det werden; nie Fremdwörter), aber auch nicht zu alltagssprachlich daher kommt. So bleiben manche Worte absichtlich unübersetzt, wie logos (171) oder Polis. „Traumge­sicht“ ὄνειρον 15 „Treffen“ statt Aufeinandertreffen. Karthager mit dem griechischen Wort Karchedonier. Insgesamt eine gute Balance neben dem griechischen Text nun eine eher konservative Übersetzung.

Auf jeden Fall lohnt sich, die spannenden Geschichten Herodots zu lesen.

 Juli 2016                                                                               Christoph Auffarth

Religionswissenschaft,

Universität Bremen

E-Mail: auffarth@uni-bremen.de

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[1] Der polnische Journalist Ryszard Kapuściński lobte Herodot als sein Vorbild Meine Reisen mit Herodot: Reportagen aus aller Welt. München: Piper 2007 (polnisch Podróże z Herodotem, 2004).

[2] Berühmt durch den Film „300“ USA 2006, Regie Zack Snyder.

[3] Eine sehr gute Beschreibung der Haltung der Griechen und, wie sie aus den Perserkriegen ohne triumphales Gehabe die Kunst der Klassik entwickelten, gibt Werner Gauer: Der Zorn des Zeus und die klassische Kunst der Griechen: Einladung zu einer Griechenlandreise. Mainz: Rutzen 2012.

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