Buch des Monats Januar 2015: Eine Ärztin in Pakistan

Rz-Pfau-LepraRuth Pfau: Leben ist anders. Lohnt es sich? Und wofür?
Bilanz eines abenteuerlichen Lebens

Freiburg u.a.: Herder 2014, 256 S. — ISBN 978-3-451-33289-0 —

Pakistan wird immer wieder von Terrormeldungen und Selbstmordattentaten erschüttert. In diesem Buch zieht die Ordensschwester und  Ärztin Ruth Pfau Bilanz, indem sie nach dem Sinn des eigenen Lebens und nach dem Sinn eines (christlichen) Engagements für den Nächsten fragt. Die Begegnung mit Leprakranken in einem Elendsviertel in Karachi wurde für ihr Leben bestimmend. Die Gründung des Marie Adelaide Leprosy Centre (MALC) wurde schließlich in Pakistan zu einer anerkannt herausragenden Gesundheitsinstitution. Hinzu kamen ein Kontrollprogramm zur Eindämmung der Tuberkulose und Gesundheitsinititiven gegen die in Pakistan verbreitete Blindheit.

Ihre „Arbeit am Menschen“ hat zugleich eine interreligiöse Komponente. Sie merkte gerade in dem von vielen religiösen und ethnischen Spannungen geprägten Pakistan, wie schnell Hass und Gewalt aufkommen.  Ruth Pfau hat immer größten Wert darauf gelegt, unbewaffnet zu sein, weil Waffen Konflikte nur verschärfen (S. 160). Ihr Vorbild ist Jesus. Wie er mit den Kranken und Ausgegrenzten umging, ist ihr immer wieder Mut machendes Vorbild. So erfährt ihre Sicht des Glaubens eine konfessionelle Entgrenzung

Angesichts der brutalen Konflikte weltweit, aber auch im Zusammenhang mit den vielen furchtbaren Anschlägen in Pakistan selbst, wird ihr Buch zu einem ermutigenden Friedenszeugnis. Diese Lebensbilanz lädt zum helfenden Eingreifen ein, wo immer Menschen durch Krankheit, Armut oder Verfolgung bedroht sind.

Ausführliche Beschreibung des Buches: hier

Reinhard Kirste

Rz-Pfau-Lepra, 31.12.14   Creative Commons-Lizenz

Handbuch der Religionen (HdR): Kontinuierlich wachsende Printausgabe und Online-Zugänge

Trotz starker Digitalisierung in der Kultur des Buches ziehen es immer noch viele vor, sich Material auf der “Papierbasis” zu besorgen.
Dazu gehört seit 1997 das von dem Religionswissenschaftler  Udo Tworuschka und dem Historiker Michael Klöcker im Olzog-Verlag München herausgegebene
HANDBUCH DER RELIGIONEN (HdR)
Zugang zur Printausgabe: hier

Viele Spezialisten und für die einzelnen Themenfelder zuständige Fachgebietsleiter haben dieses Handbuch im Ringformat mit jährlichen Ergänzungslieferungen zu einem vierbändigen Werk anwachsen lassen. Inzwischen finden sich in den Ordnern mit inzwischen 37 Ergänzungsliefeungen über 4500 Seiten Text (!).
Hier wurde also ein umfassendes Lexikon der Religionen entwickelt.  Es ermöglicht einen umfangreichen Überblick über die Geschichte und Gegenwart der verschiedenen religiösen Traditionen und Strömungen in Deutschland.  Das macht allerdings die Übersicht und schnelle Auffindbarkeit bestimmter einzelner Themen nicht immer leicht.

Das Gesamtinhaltsverzeichnis bietet darum eine erste Übersicht.
Download Inhaltsverzeichnis: hier

Weiterhin können über eine Suchmaske nun alle Artikel als Volltextsuche
(einige kostenlos, die meisten gegen geringe Gebühr) online abgerufen und heruntergeladen werden:
Online-Zugang zum HdR

Dieses umfassende Werk zu den Konfessionen und Religionen  im deutschsprachigen Raum hat mit seinen Grundsatzbeiträgen eine religionswissenschaftliche Basis gelegt. Mit den Aktualisierungen zu religiösen Entwicklungen und Veränderungen dürfte es für die Recherche von Fachleuten und Interessierten aus allen gesellschaftlichen Bereichen ausgezeichnet recherchierte Zugänge für eine sachkompetente Orientierung bieten.

 

 

Buch des Monats Juni 2013: Komparative Theologie als interreligiöse Basis

Rz-ClooneyFrancis X. Clooney (Hg. Ulrich Winkler): Komparative Theologie.
Eingehendes Lernen über religiöse Grenzen hinweg
.
Übersetzung: Michael Sonntag.
Beiträge zur Komparativen Theologie, Band 15
Paderborn: Schöningh 2013, 166 S.
— ISBN 978-3-506-77655-6 — 

Der Jesuit Francis X. Clooney (geb. 1950) gehört zu den Promotoren der Komparativen Theologie. Er leitet an der Universität Harvard das „Center for the Studies of World Religions“. Inzwischen hat sich eine ganze Gruppe von Theologen unter dieser Thematik zusammengetan. In Deutschland ist besonders Klaus von Stosch mit seinem Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften an der Universität Paderborn (http://kw.uni-paderborn.de/institute-einrichtungen/zekk/) zu nennen. Clooney betont wie die meisten komparativen Theologen, dass die globalen Zusammenhänge unserer Welt theologisch umfassend im Vergleich angegangen werden müssten.

 Für den Autor ist wichtig, komparative Theologie als einen Teilbereich der Theologie insgesamt zu verstehen. Es geht dabei durchaus um Wahrheit, aber so, dass respektiert und berücksichtigt wird, wie sie in anderen Traditionen geglaubt wird. Hierbei wird sorgfältige vergleichende Arbeit geleistet in Verantwortung gerade vor der anderen Religion und ihrer Interpretation aus dem eigenen (Vor-)Verständnis heraus. Das führt zu einem vertieften Verständnis des eigenen Glaubens unter bisher so nicht erkannten parallelen Gesichtspunkten.

Clooney weist schließlich daraufhin, dass Christentum und Hinduismus füreinander durchlässige Religionen werden können. Hier kann sich die Erfahrung einer globalen interreligiösen Begegnung so realisieren, dass die andere Religion den eigenen Glauben bereichert und vertieft. Komparative Theologie ist darum nicht nur etwas für Theologen, sondern auch für Christen die Möglichkeit, Christus neu zu entdecken.

Reinhard Kirste

Creative Commons-Lizenz

Rz-Clooney, 31.05.2013

 

Lieder der Gottesliebe – die Gitagovinda

Rz-GitagovindaJayadeva: Gitagovinda. Lieder zum Lob Govindas.
Aus dem Sanskrit übersetzt und herausgegeben von Erwin Steinbach.
Frankfurt/M. und Leipzig: Verlag der Weltreligionen (im Insel-verlag) 2008, 194 S., Glossar,
Kommentar und Register — ISBN 978-3-458-70012-8 — 

Ausführliche Beschreibung: hier

Kurzrezension
Es gibt zwar eine Faszination für indische Kulturen, dennoch bleiben wichtige literarische Werke aus dem indischen Subkontinent einem relativ kleinen Leserkreis in Deutschland vorbehalten. Darum erscheint es wichtig, auf poetisch geprägte heilige Texte aufmerksam zu machen, die durchaus der berühmten Bhagavad Gita nahekommen. Mit der Gitagovinda liegt vor uns gewissermaßen ein indisches „Hoheslied“, das Sinnlichkeit und mystische Gottesschau gleichermaßen verbindet.

Der Autor der Gita Govinda ist Jayadeva. Er lebte im 12. Jahrhundert in Orissa bzw. West-Bengalen und gehörte zu den Anhängen des Gottes Vishnu.  Jayadevas asketisches Leben, verbunden mit grenzenloser Liebe und Hingabe (Bhakti), seine Poesie und seine Qualitäten als Guru machen ihn bis heute in Indien zu einer spirituellen Berühmtheit.

Für den nicht indologisch kundigen Leser ist es nicht ganz leicht, diese Krishna-Lieder in sich aufzunehmen, zumal uns Heutigen die Sprache oft extrem blumig und damit fremd vorkommt. Und dennoch eröffnet sich in dem Überschwang solch mystisch-poetischen Erzählens ein Geheimnis, das die Menschlichkeit des Göttlichen zum Ausdruck zu bringen versucht und damit spirituell-interreligiöse und nicht nur religionswissenschaftliche oder literarische Beachtung verdient. Denn trotz der anders kulturell eingefärbten Bilder scheint eine Nähe zu den Mystikern der Nachbarreligionen Islam und Christentum durch. Manche Textpassagen erinnern an Worte berühmter Sufi-Poeten wie Attar, Rumi und Ibn Arabi oder schlagen gar die Brücke zur christlichen Mystik in Europa (des Mittelalters) mit ihren Themen von Liebe, Leiden und Gottversenkung. Der relativ kurze Text der Gita Govinda wird damit zu einer poetisch-ästhetischen Erweiterung eigenen spirituellen Selbstverständnisses.

Reinhard Kirste

15.02.2013

 

Perry Schmidt-Leukel: Grundlegendes zum Buddhismus und zu religiöser Pluralität

Der interkulturelle Theologe und Religionswissenschaftler  

Perry Schmidt-Leukel (Universität Münster) hat sich  als Vertreter der religionspluralistischen Theologe international einen Namen gemacht.
Das folgende Buch steht dafür als herausragendes Beispiel:
Gott ohne Grenzen.
Eine christliche und pluralistische Theologie der Religionen
.
Gütersloher Verlagshaus 2005
(Rezension von Gerd Neuhaus in „Stimmen der Zeit, Nr. 05/2006)
Schmidt-Leukel ist jedoch auch ein bekannter Buddhismusforscher. Das Ergebnis seiner intensiven jahrelangen Arbeit zusammen mit weltweit renommierten Forscherinnen und Forschern hat er jetzt als vierbändiges Werk herausgegeben.  

Perry Schmidt-Leukel (ed.): Buddhism and Religious Diversity
Reihe: Critical Concepts in Religious Studies.
London: Routledge 2012, insgesamt 5112 S.!


Der Verlag stellt ausführlich vor, wie die Autoren die „Buddhismen“ im Kontext ihrer Geschichte, Gegenwart, geografischen Ausbreitung und gesellschaftlicher Stellung untersucht haben und dabei konsequent den die religiöse Vielfalt Asiens berücksichtigten (in englischer Sprache): 

Die Hinweise des Verlags lassen auf ein neues Standardwerk zum Buddhismus im (inter)religiösen Kontext (Asiens) schließen.

Auf der INTR°A-Rezensionsseite „Ein-Sichten“ wurden bereits vorgestellt:

Ein-Sichten – die INTR°A-Rezensionsseite mit weiterer Adresse

Die Rezensionsseite der Interreligiösen Arbeitsstelle (INTR°A) hat eine weitere Adresse: Buchbesprechungen, Literaturhinweise, Filmkritiken usw. zu (inter-)religiösen Themen  können jetzt hier ausführlich abgerufen werden.

Rezensionsseite “Ein-Sichten” jetzt unter: http://buchvorstellungen.blogspot.de/

Alle bisherigen Eintragungen bis März 2012 sind weiter erreichbar und auch unter einer Adresse zusammengefasst,
und zwar als Archiv der Rezensionen:
http://buchvorstellungen.blogspot.de/2012/03/archiv-alterer-rezensionen.html

Das auf aktuelle religiöse Ereignisse eingehende INTR°A-Tagebuch hat ebenfalls eine
zweite Adresse: http://intra-tagebuch.blogspot.de/

Eine ausführliche Übersicht über alle veröffentlichten Materialien im Zusammenhang mit der Interreligiösen Arbeitsstelle (INTR°A) bietet die Seite: http://religiositaet.blogspot.de/

Buch des Monats März 2012: Mission in interkultureller und prophetischer Perspektive

Hinter der renommierten Zeitschrift für Missions- und Religionswissenschaft (ZMR) steht ein internationales Missionswissenschaftliches Institut (IIMF) in Fribourg (Schweiz), das über die Jahre nicht nur die Debatte um die Mission reflexiv verfolgt hat, sondern immer wieder neue Impulse setzte. Das machen die Herausgeber nun auch mit dem Sonderband der ZMR deutlich: Vor 100 Jahren wurde das IIMF gegründet und die ZMR hat den 95. Jahrgang erreicht.

Dieser voluminöse Festschrift-Sonderband bietet eine beeindruckende Zwischenbilanz für missionarisches Handeln unter den Bedingungen der Globalisierung und Interkulturalität. Man kann die hier zum Ausdrcuk kommenden Perspektiven von Mission undDialog zu Recht eine prophetische Perspektive nennen:

Mariano Delgado / Michael Sievernich (Hg.):
Mission und Prophetie in Zeiten der Interkulturalität
Festschrift zum 100jährigen Bestehen des Internationalen Instituts für missionswissenchaftliche Forschungen 1911-2011
ZMR Sonderband, 95. Jg.
St. Ottilien: EOS 2011
— Rezension hier —

Einblick in das Werk von Raimon Panikkar (1918-2010)

Raimon Panikkar i Alemany gehört zu den umfassendsten theologisch-philosophischen Denkern der Gegenwart. Mit seinem Lebenshintergrund verband er bereits zwei Kulturen: Die spanische Mutter war römisch-katholisch, der Vater Hindu indischer Herkunft. Panikkar durchlief eine jesuitische Erziehung. Sein Denken war von Anfang an Grenzen überschreitend. Das zeigen bereits seine Promotionen:
Dr. phil. und Dr. rer.nat (Chemie) an der Universität Madrid,
Dr. theol an der Päpstlichen Lateran-Universität in Rom.
Sein Forschen und interreligiöses Handeln waren besonders durch den Vergleich europäischer  mit der indischer Theologie und Philosophie geprägt. Er bezog sich jedoch zugleich auf religiöse Strömungen in Vergangenheit und Gegenwart, die zum Thesaurus menschlicher Weisheit insgesamt gehören. Seine Theologie der Religionen gewann nicht nur globale Weite, sondern gewissermaßen auch kosmologische Tiefe.

Die Fülle seiner Veröffentlichungen ist nicht leicht überschaubar.
Die Interreligiöse Arbeitsstelle (INTR°A) hat versucht, einige Orientierungsmarken zu setzen:

Weltreligionen entdecken – Arbeitsbücher nicht nur für die Sekundarstufe II

Der Theologe und Didaktiker Werner Trutwin – mit langjähriger Schulerfahrung – hat die bisherige Reihe der Arbeitsbücher „Die Weltreligionen“ völlig neu bearbeitet. Diese aktualisierte Fassung von Unterrichtsmaterialien ermöglicht Lehrenden eine gute Hinführung zu den einzelnen Welteligionen und älteren SchülerInnen eine eigenständige Vorbereitung für den Unterricht. Die Hefte eignen sich nicht nur für den Religionsunterricht aller Konfessionen und Religionen, sondern auch für Ethik, Philosophie, Geographie und Kunst.

     Werner Trutwin:
Weltreligionen. Arbeitsbücher Sekundarstufe II:
Religion – Ethik – Philosophie

Judentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus
Berlin: bsv-Patmos 2011
— Rezension hier —

Weltreligionen erklärt – Material nicht nur für die Sekundarstufe II

WELTRELIGIONEN.  RELIGION – ETHIK – PHILOSOPHIE
Arbeitsbücher Sekundarstufe II
Berlin: bsv Patmos 2011, jeweils 144 S., Abb., Glossar

Der Verlag Oldenbourg/bsv (mit Patmos) als Teil der Cornelsen-Schulverlage sieht die Behandlung der Weltreligionen angesichts von Globalisierung und rasanter gesellschaftlicher Entwicklungen als dringende Notwendigkeit an, umfassende Kenntnisse und vertiefte Einsichten auch in der Schule zu erwerben.

Mit Werner Trutwin hat der Verlag dazu einen kompetenten Didaktiker gewonnen, der sich seit Jahrzehnten als (katholischer) Christ, Theologie und Religionspädagoge für einen sachkompetenten, auf Dialog und kritischer Auseinandersetzung gegründeten Religionsunterreicht eingesetzt hat. (vgl. z.B. die Schulbücher für katholische  Religionslehre Sekundarstufe I. Düsseldorf: Patmos 2000–2004 und das als Longseller thematisch aufgebaute und in vielen Heften erschienene „Theologische Forum“ [seit 1970, ebenfalls bei Patmos].
Von Anfang an kam neben den christlichen Themen und ethischen Fragestellungen die Darstellung der Weltreligionen in den Blick – mit den entsprechenden Unterrichtsmaterialien.    
In der Würdigung des Patmos-Verlages zum Lebenswerk von Werner Trutwin wird sein facettenreiches Engagement sehr schön deutlich.

Der bisherigen Reihe „Die Weltreligionen“ (Patmos-Verlag 1998/1999) folgt nun eine unter dem Signet „bsv/Patmos“ die völlig neubearbeitete „Serie“ von fünf wichtigen
Weltreligionen – für die Sekundarstufe II:
Islam, Judentum, Hinduismus, Buddhismus und Christentum.
Alle Hefte erschienen 2011.

Das mehrfach überarbeitete Sachbuch und nicht auf die Schule zugeschnittene Werk:  
Werner Trutwin: Die Weltreligionen. Wege zum Licht. Düsseldorf: Patmos 1996, 464 S., Abb.,
Sonderausgabe 2002: „Die Welteligionen“ [Albatros], ebenfalls im Patmos-Verlag, zuerst 1976 erschienen unter dem Titel „Licht vom Licht. Religionen in unserer Welt“ (s. Bild), kann man fast als eine Art (unterstützendes) Grundwerk für die hier angezeigten Arbeitsbücher bezeichnen.

Die neue Serie wird vermutlich wie die ältere Reihe überwiegend dem Religionsunterricht beider Konfessionen dienen. Es sei angemerkt, dass ihr religiöser Schwerpunkt den Einsatz nicht nur im Ethik-Unterricht, sondern auch in Philosophie, Geschichte, Geografie und sogar im Kunstunterricht nahelegt.

Zur Gliederung:
Nach Anregungen für die unterrichtliche Arbeit folgen sog. Annäherungen, das heißt Besonderheiten der jeweiligen Religion – gerade im Blick auf ihr Selbstverständnis. Dann geht es weiter in die Geschichte, die heiligen Schriften werden vorgestellt, Gottesbilder bzw. das Transzendenzverständnis kommt zur Sprache, anthropologische Präzisierungen, Ethik und Moral, Bräuche, Riten, und Feste. Es werden immer Glaubensschwerpunkte besonders herausgestellt. An wichtigen Persönlichkeiten in Vergangenheit und Gegenwart kommen wirkungsgeschichtliche Weichenstellungen ins und religiöse Veränderungen innerhalb der Religion ins Blickfeld. Die Verbindungen zu den kulturellen Vorgegebenheiten und Korrelationen im Blick auf Geografie, Architektur, Kunst, Poesie usw. zeigen die vielen Gesichter der jeweiligen Religion. Mystische Dimensionen und politische Realisierungen, gegenwärtige Probleme und die Begegnung mit anderen Religionen finden schließlich im Heft auch noch Platz.
Trotz dieser eingängigen Grundstruktur geht Trutwin auch christlich-vorurteilsbedingten Vereinfachungen aus dem Wege und eröffnet – verbunden mit zusätzlichen Hinweisen und Arbeitsaufgaben – einen eigenständigen und differenzierten Zugang zu der behandelten Religion. Er verfällt dabei auch nicht einer religionskundlichen „Objektivität“, sondern übt eine von Sympathie für die anderen Religionen getragene Darstellung.

Weltreligionen: Judentum
— ISBN 978-3-7627-0432-4 —

Trutwin verweist gleich am Anfang darauf, dass das Judentum nicht nur in seiner Sonderstellung zum Christentum eine herausragende und prägende Rolle spiele. Zugleich ist das Judentum die älteste lebende Religion neben dem Hinduismus. So muss also das Judesein besonders geklärt werden und die wechselvolle Geschichte wenigstens in Umrissen nachgezeichnet werden. Die „Schriften der Heiligkeit“, das Gottes-Tetragramm JHWH, der Schöpfungsgedanke und das Ethos werden immer auch unter den vergangenen und gegenwärtigen Bedingungen angesprochen.
Nach Alltag und Festen, Strukturierung des jüdischen Jahres, wird das Messias-Problem gerade in Abgrenzung und Gemeinsamkeit mit dem Christentum behandelt. Dass wichtige jüdische Persönlichkeiten den Schülern näher gebracht werden, macht die Vielfältigkeit jüdischer Intellektueller konkret: Philo von Alexandrien, Maimonides, Baruch Spinoza, Moses Mendelssohn, Martin Buber, Walter Benjamin, Hannah Arendt, Emmanuel Lévinas. Die vielen Gesichter des Judentums kommen nicht nur in Architektur und Kunst, sondern auch in jüdischer Typik zwischen Rabbinen, Mystikern, Chassidim, Orthodoxen und Reformern zur Sprache.
Im Folgenden bezieht sich Trutwin auf den Juden Jesus und die Trennung von Juden und Christen. Dann kommt das heutige Israel und Palästina sowie jüdisches Leben in Deutschland zur Sprache. Angesichts von Antisemitismus und Schoa ist dies ein hoffnungsvoller, aber zugleich belasteter „Trialog“ von Juden, Christen und Muslimen, bespielhaft dokumentiert an Jerusalem.

Weltreligionen: Islam
ISBN 978-3-7627-0420-1

Dieses Unterrichtsmaterial wird sicher die größte Aufmerksamkeit in den Schulen finden, weil der Islam für die Menschen in Deutschland die nächste Religion neben dem traditionellen Christentum und dem Judentum ist. Es ist auch diejenige Religion, die mit den meisten Vorurteilen zu kämpfen hat. Trutwin sagt sehr klar, dass die mit dem Islam verbundenen bedrohlichen Elemente nicht ignoriert werden sollten. Das Bild des Islam lässt sich von daher nicht sinnvoll zeichnen: Der Islam ist eine „Religion, … die über viele positive Ressourcen verfügt, die für eine gute Zukunft der Menschheit nützlich sind“ (S. 4). Von dieser Einstellung her konstruiert der Autor nun einen Islamkurs, dem einige wichtige Daten vorangestellt werden, um von daher den Blick auf die Geschichte von Abraham bis in die Gegenwart zu zeichnen. Im Sinne der Intentionen versäumt es der Autor nicht, auf den Islam in seiner vielfältigen Schönheit in Kunst, Literatur und Architektur zu verweisen.
Die Basis des Heftes bilden die Ausführungen über den Propheten Mohammed, den Koran als Gottes Wort und den islamischen Glauben an den einen Gott. Von daher werden das Menschenbild im Islam und die ethischen Ableitungen (eben auch die 5 Säulen) thematisiert. Bei der Besprechung der „Scharia“ (S. 96ff) hätte man gewünscht, dass dies weniger als „Recht des Islam“, sondern mehr als Rechtsrahmen dargestellt worden wäre. Sehr schön ist dann die Auswahl wichtiger engagierter dialogoffener Persönlichkeiten von Mohammed Iqbal bis Fatima Mernissi.
Zu guter Letzt fächert Trutwin die Begegnung mit dem Islam „trialogisch“ auf und macht damit die inhaltliche Nähe und zugleich Problematik der theologischen und religionspolitischen Auseinandersetzung mit dem Islam deutlich.
Schon beim Blick auf die Geschichte fiel die Pluralität des Islam auf, die im Kapitel „Vielfalt statt Einheit“ deutlich durch die Darstellung der Sunniten, Schiiten, Alewiten, Wahabiten und des Sufismus ausdifferenziert wird. Die Aktualität fordert hier vermutlich bald eine Ergänzung durch die Bewegung der Salafiyya. Damit ist die Basis in der Spannung des heutigen Islamismus und der Rolle des Islam in der europäischen und deutschen Politik gegeben.

Weltreligionen: Hinduismus
ISBN 978-3-7627-0434-8

Beim Hinduismus betont Trutwin zum einen den religiösen Pluralismus der indischen Religionen und die Bedeutung der heiligen Schriften mit ihrer zum Teil ausgefeilten Philosophie eine wesentliche Rolle. Zum andern geht es natürlich um die (reinkarnatorischen) Erlösungswege hin zur Befreiung (Moksha). Die Vielfalt der Götter wird sorgfältig auf die Grundstrukturen vom frühen Indra bis zu den wirkmächtigen „Haupt“göttinnen zurückgeführt. Natürlich kommt auch der göttlichen Dreigestalt die nötige Beachtung zu.

In der Folge wird die den Alltag durchdringende Spiritualität angesprochen: Heilige Kuh, Tantrismus, moralische Lebensordnung, Dharma-Struktur der Kasten. Aus der lebendigen Spiritualität erwuchsen und erwachsen Reformversuche bis hin zu eigenen Religionen: Buddhismus, Jainismus und Sikhismus.
Es sei auch erwähnt, dass Trutwin große indische Reform-Denker unter bestimmten Gesichtspunkten darstellt: Shankara als Lehrer der Einheit, Ranamuja als dualistischen Philosophen, Tagore als Dichter in neuer Zeit, Ramakrishna als Mystiker der Gottesliebe, Vivekananda als religiöser Reformator, Gandhi als Politiker der Gewaltlosigkeit.

Angesichts des dialogischen Ansatzes der Weltreligionen-Hefte setzt sich der Theologe am Schluss auch mit den Schwierigkeiten und Chancen interreligiöser Begegnung auseinander, und zwar sowohl im Blick auf den Islam in der indischen Geschichte und in der Gegenwart, auf das Christentum und auf die Möglichkeiten hin zu einem Religionen übergreifenden Weltethos.

Weltreligionen: Buddhismus
ISBN 978-3-7627-0435-5

Neben den Anregungen für die Arbeit erlaubt der „erste Blick“ einen Zugang, über den sich die Grundlagen und weiteren Besonderheiten des Buddhismus in seiner Vielfalt aufschlüsseln lassen. Diese nicht-theistische Glaubenstradition gilt als die erste „universale Religion“. In klarer Aufgliederung werden zuerst die buddhistischen Anfänge im Sinne eines Reform-Hinduismus auf dem indischen Subkontinent dargestellt. Es folgen das Leben des historischen Buddha mit den legendarischen Überhöhungen. Trutwin zeigt in der buddhistischen Lehre, dem Dharma, sowohl die literarisch-typischen Elemente wie die inhaltlichen Fundamente. Er elementarisiert dies auf die 4 Edlen Wahrheiten und den achtfachen Pfad, das Ich-Verständnis, die Anhaftungsproblematik, den Weg zum Verlöschen, zum Nirwana, ohne dass dazu eine personale Gottes- oder Göttervorstellung notwendig ist.
Die Ausformung der Lehre in der Theravada- und Mahayana-Richtung (kleines und großes Fahrzeug) verbindet er mit dem von Zen und dem Amida-Buddhismus. Das Diamantfahrzeug, die Vajrajana-Ausprägung, zeigt sich im tibetischen Buddhismus. Sie werden die Unterschiedlichkeit buddhistischer Entwicklungen und Rituale deutlich. Es entwickelt sich auch eine Spiritualität der Frömmigkeitspraxis in Festritualen, Kontemplation und ethisch-praktischer, Gewaltlosigkeit.
Dass die Wanderung des Buddhismus nach Westen diesen nicht nur selbst verändert hat, sondern auch eine große Herausforderung für die westliche Moderne geworden ist, zeigt sich nicht nur an Veränderungen der Frömmigkeitspraxis in den asiatischen Ländern, sondern in der Begegnung und Auseinandersetzung mit (post-)kolonialen Einflüssen und zunehmender Globalisierung. So werden buddhistische gewaltlose Aktionen und soziales Engagement mehr und mehr kennzeichnend. Dies wird an einigen Beispielen wie Ambedkar in Indien und Aung San Suu Kyi in Burma verdeutlicht.    
Dass es auch im Westen einen „Buddhismus light“ gibt, unterscheidet sich dann allerdings wesentlich von den asiatischen Aufbrüchen.
Der interreligiöse Aspekt des vorgestellten Heftes kommt ähnlich wie in den anderen Heften dadurch zum Ausdruck, dass neben dem Vergleich von Buddha und Jesus die unterschiedlichen Lebensziele thematisiert werden. Sie lassen allerdings die Frage offen, ob man als Christ zugleich Buddhist sein kann.   

ZWISCHENBILANZ

Didaktischer Gewinn: Werner Trutwin ist es aus seiner christlichen Sicht heraus gelungen – unabhängig von der Konfession oder Religion – den SchülerInnen einführendes und vertiefendes Material zu wichtigen großen Religionen vorzulegen. Dies tut der ehemalige Lehrer ohne vorurteilsbehaftete Einführungen. Die Schüler haben so die Chance, mit diesem Material selbständig zu arbeiten. Die klare Struktur ermöglicht es, sich leicht zurecht zu finden. Die Glossare erlauben ein schnelles Nachschlagen wichtiger und oft fremder Begrifflichkeit. Dies gilt übrigens nicht nur für die asiatischen Religionen, sondern auch für die drei monotheistischen Glaubenstraditionen, wohlgemerkt auch für das Christentum; denn auch hier kann man von einer allgemeinen Grundbildung aller SchülerInnen nicht mehr ausgehen. Die dem Text schon beigegebenen Erläuterungen helfen, Sachverhalte umfassender zu verstehen. Das reiche Bildmaterial hat keineswegs illustrierenden Charakter, sondern ist Teil des Lernprozesses. Dieser stützt sich nicht nur auf Texte und Bilder, sondern auf die unmittelbar damit zusammenhängenden didaktischen Hinweise und Aufgabenstellungen.

Kontinutät der Lernwege im Blick auf andere Religionen: Diese ansprechend aufgemachte Reihe ist – wie schon erwähnt – eine Fortsetzung der im Patmos-Verlag 1998/1999 herausgekommenen Unterrichtsmaterialien. Werner Trutwin hat im Prinzip die damalige Grundstruktur beibehalten, hat jedoch Präzisierungen, neuere Forschungsergebnisse eingearbeitet und Aktualisierungen vorgenommen. Die „alte“ Reihe muss deshalb keineswegs ad acta gelegt werden, sondern kann als Hintergrundmaterial herangezogen werden. Dabei lohnt sich an manchen Stellen, besonders im Islam und im Christentum ein Vergleich der Fassungen. Dieser macht deutlich, dass unsere Kenntnis von den Weltreligionen immer wieder einer Revision bedarf. Es geht darum, mit empathischer Sichtweise auf die anderen Erlösungswege zuzugehen.
Hinzu kommt natürlich, dass alle religiösen Traditionen derzeit große Veränderungen durchmachen sowohl was den Umgang mit den Inhalten, der Interpretation der Glaubensgrundlagen als auch den Zusammenhang mit gesellschaftlichen Entwicklungen betrifft. Diese haben für die dargestellten Religionen im Westen oft eine andere Bedeutung als in den Herkunftsländern. Eine Printausgabe schreibt immer einen bestimmten Zeitpunkt fest. Man wird gespannt sein dürfen, wann Neuauflagen die aktuellen religiösen und politischen Veränderungen aufnehmen. Eine kompetente Basis-Arbeit zum Religionen-Lernen in der Sekundarstufe II ist hiermit jedoch gelegt.

                                                                                                                   Reinhard Kirste
Die Vorgängerausgabe:

Werner Trutwin:
Die Weltreligionen.

Arbeitsbücher
für die Sekundarstufe II.
Religion – Philosophie – Ethik: 

JUDENTUM, CHRISTENTUM,
HINDUISMUS, BUDDHISMUS, ISLAM
Düsseldorf: Patmos 1998/1999 
mit weiteren Auflagen in den folgenden Jahren.