Buch des Monats Juli 2015 – Die dialogische Herausforderung Martin Bubers

Rz-Kuschel-BuberKarl-Josef Kuschel: Martin Buber – seine Herausforderung an das Christentum.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2015, 363 S. (mit einer „Nachlese“ in eigener Sache)
— ISBN 978-3-579-07086-5 —

Der katholische Theologe Karl-Josef Kuschel (geb. 1948) hat in Verbindung mit dem Weltethos-Projekt von Hans Küng und im Sinne einer Ökumene der Religionen auch „trialogische“ Schwerpunkte gesetzt.  Einzelne herausragende Persönlichketien aus Theologie, Philosophie und Liteaur treten dabei immer wieder besonders in den Fokus.

So verwundert es eigentlich nicht, wenn Kuschel sich im 50. Todesjahr von Martin Buber (1878–1965) diesem bedeutenden jüdischen Philosophen und Theologen widmet. Durch die Verbindung wichtiger Eriegnisse in Buberfs Leben in unmittelabrer Verknüpfung mit seinem theologisch-philosophische Werk gelingt ein umfassender Einblick in das jüdische Selbstverständnis Bubers, seine Auseiandnersetzung mit dem Christentum und sein Grenzen sprengendes dialogisches Denken. Es ist Karl-Josef Kuschel zu danken, die dialog-historische Bedeutung Bubers so deutlich und weiterführend herausgearbeitet zu haben.

Ausführliche Beschreibung: hier

Reinhard Kirste

 Rz-Kuschel-Buber, 30.06.15    Creative Commons-Lizenz

Vertiefter Dialog – für (inter-)kulturelle Transformation

LeRz-Swidler-Dialogueonard Swidler: Dialogue for Interreligious Understanding.
Strategies for the Transformation of Culture-Shaping Institutions.
New York /London: Palgrave: Macmillan 2014, 212 S., Index — ISBN 978-1-137-47119-2 —

Mit diesem Band verdeutlicht Leonard Swidler (geb. 1929), welche Ziele er von Anfang an verfolgte, als er den interreligiösen Dialog zu seinem Forschungs- und Lebensschwerpunkt machte. Der katholische Theologe lehrt seit 1966 an der Temple University in Philadelphia (USA) „Catholic Thought and Interreligious Dialogue). Er hat nicht nur die renommierte Zeitschrift Journal of Ecumenical Studies (zusammen mit seiner Frau Arlene) gegründet, sondern auch das Dialogue Institute, dessen Präsident er seitdem ist, und das er derzeit in ein internationales Netzwerk von Dialog-Instituten einbindet. Len Swidler hat viele Bücher geschrieben bzw. mit anderen Theologen und Religionswissenschaftlern herausgegeben. Als Gastprofessor hat er an vielen Universitäten weltweit Vorlesungen gehalten und tut dies immer noch.

Dieses Buch verbindet vieles von dem Bisherigen im Sinne einer „hilfreichen Kombination“ von theoretischen Ideen und praktischen Projekten (S. 3). Es ist ein Dialog über den Dialog. Das macht zugleich den Reiz der hier vorliegenden Texte aus. Einige hatte Swidler schon früher veröffentlicht. Sie sind nun teilweise überarbeitet und sollten als Einladung für einen vertieften Dialog verstanden werden. Diesen beschreibt Swidler zugleich als einen Weg, in dem kritisches Denken, emotionale Intelligenz und sich gegenseitig anspornende Kooperation zusammenkommen. Die Texte aus diesem Buch spiegeln darum die verschiedenen Aspekte von „deep dialogue“ und können als dialogisch-biografische Bilanz verstanden werden, die sich aus 60 Jahren Arbeit interreligiöser Begegnung ergeben haben. In seiner „Conclusion“ wünscht sich Swidler, dass die von ihm hier bilanzierten Gedanken nicht nur visionär wirken mögen, sondern dazu führen, dass viele Menschen diese miteinander im Sinne einer Global Business-Ethik teilen. Angesichts all der brutalen Konflikte und des unsäglichen Leids vieler Menschen wäre zu wünschen, dass sich viele Einzelne, aber auch Städte und Staaten bewusst auf diesen „Deep Dialogue“ einließen. Von daher erscheint es geradezu dringend, dass dieses Buch auch in anderen Sprachen und bald in Deutsch erscheinen könnte.

Ausführliche Beschreibung: hier

Reinhard Kirste

Rz-Swidler-Dialogue, 30.12.14    Creative Commons-Lizenz

 

Handbuch der Religionen (HdR): Kontinuierlich wachsende Printausgabe und Online-Zugänge

Trotz starker Digitalisierung in der Kultur des Buches ziehen es immer noch viele vor, sich Material auf der “Papierbasis” zu besorgen.
Dazu gehört seit 1997 das von dem Religionswissenschaftler  Udo Tworuschka und dem Historiker Michael Klöcker im Olzog-Verlag München herausgegebene
HANDBUCH DER RELIGIONEN (HdR)
Zugang zur Printausgabe: hier

Viele Spezialisten und für die einzelnen Themenfelder zuständige Fachgebietsleiter haben dieses Handbuch im Ringformat mit jährlichen Ergänzungslieferungen zu einem vierbändigen Werk anwachsen lassen. Inzwischen finden sich in den Ordnern mit inzwischen 37 Ergänzungsliefeungen über 4500 Seiten Text (!).
Hier wurde also ein umfassendes Lexikon der Religionen entwickelt.  Es ermöglicht einen umfangreichen Überblick über die Geschichte und Gegenwart der verschiedenen religiösen Traditionen und Strömungen in Deutschland.  Das macht allerdings die Übersicht und schnelle Auffindbarkeit bestimmter einzelner Themen nicht immer leicht.

Das Gesamtinhaltsverzeichnis bietet darum eine erste Übersicht.
Download Inhaltsverzeichnis: hier

Weiterhin können über eine Suchmaske nun alle Artikel als Volltextsuche
(einige kostenlos, die meisten gegen geringe Gebühr) online abgerufen und heruntergeladen werden:
Online-Zugang zum HdR

Dieses umfassende Werk zu den Konfessionen und Religionen  im deutschsprachigen Raum hat mit seinen Grundsatzbeiträgen eine religionswissenschaftliche Basis gelegt. Mit den Aktualisierungen zu religiösen Entwicklungen und Veränderungen dürfte es für die Recherche von Fachleuten und Interessierten aus allen gesellschaftlichen Bereichen ausgezeichnet recherchierte Zugänge für eine sachkompetente Orientierung bieten.

 

 

Vernünftiger Glaube und religiöse Erfahrung – der Religionsphilosoph William James

Thörner, Katja: William James‘ Konzept eines vernünftigen Glaubens auf der Basis religiöser Erfahrung.
Münchener philosophische Studien, NF Bd. 29.
Stuttgart: Kohlhammer 2011, 240 S., Register
zugleich Diss. 2009/2010
an der Hochschule für Philosophie, Philosophische Fakultät SJ, München
— ISBN 978-3-17-021718-8 — 

 Die hier vorliegende Dissertation bezieht sich schwerpunktmäßig auf einen philosophischen Bestseller aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts: „The Varieties of Religious Experience“ sowie „The Principles of Psychology“ von William James (1842-1910), der mit seinen philosophischen Vorlesungen insbesondere ein junges Publikum begeisterte. Hintergrund dieser Begeisterung dürfte die Tendenz in James‘ Denken gewesen sein, den Dogmatismus in die Grenzen zu verweisen. Das gilt sowohl für den Theismus wie für einen überbordenden Rationalismus. Denn dieser amerikanische Psychologe und Philosoph hat sich dadurch einen Namen gemacht, dass er seine rationalistisch angelegte Welterklärung weder monistisch noch dualistisch aufbaute, sondern einen metaphysischen Pluralismus favorisierte und mit religiöser Erfahrung verband. Das wäre dann ein erweiterter Vernunftbegriff, der mit Überlegungen einhergeht, dass die Welt kein Uni-versum, sondern ein Multi-versum ist, in dem das Individuum einen entsprechenden Platz findet.

Was dieses Buch für die Theologie und auch für den interreligiösen Dialog so anregend macht, ist neben religionspsychologischen und religionsphilosophischen Querverbindungen das von Thörner herausgehobene pluralistische Weltverständnis von James und seine Kritik am Absoluten/„Absoluten Geist“. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit den Fragen:Inwiefern ist die Kraft des Universums wirklich personaler Natur (vgl. S. 218)?
Und: Könnte sich Personalität gerade angesichts der Komplexität des Universums doch nur als eine relative Hilfskonstruktion herausstellen?

 Ausführliche Besprechung: hier

Reinhard Kirste

 Rz-Thörner-James, 28.07.12

Buch des Monats Juni 2012: Rudolf Otto und die Diskussion um das „Heilige“

Thorsten Dietz / Harald Matern (Hg.): Rudolf Otto. Religion und Subjekt.

Christentum und Kultur, Band 12. Zürich: TVZ 2012, 264 S, Register— ISBN 978-3-290-17608-2

Die Diskussion um das berühmte Buch des evangelischen Theologen und Religionswissenschaftlers Rudolf Otto (1869–1937) hat bis heute eine intensive Auseinandersetzung zur Folge. Otto hatte das „religiöse Gefühl“ für das „Heilige“ mit transzendentalphilosophischen und phänomenologischen Theorieelementen verbunden und eine für viele Fachkollegen fragwürdige  Kriteriologie dafür entwickelt. Im 1977 erschienenen Sammelband „Die Diskussion um das Heilige“ drückt der herausgebende Religionswissenschaftler Carsten Colpe sein Unbehagen u.a. folgendermaßen: aus1:
„Würde ich gefragt, wie ich … über das Problem selbst schreiben würde, dann hätte ich etwa zu antworten: Herauslösung von Ottos Heiligem aus der Zweideutigkeit zwischen psychologischem und transzendentem Apriori (mit Paus); Einführung einer wieder an Kant orientierten Bedingung der beiden Möglichkeiten: der erkenntnistheoretischen, das Heilige als formales Prinzip der Weltdeutung zu kategorisieren (mit Feigel …) und der ethischen, die Empirie des unfreien Willens innerhalb einer Ontologie des Bösen transzendental zu deduzieren (mit Ricœur …) …“


Das hier vorzustellende Buch, das die beiden Theologen Thorsten Dietz (Ev. Hochschule Tabor in Marburg) und Harald Matern (Universität Basel und Erlangen) herausgegeben haben, stellt das Ergebnis eines Forschungssymposiums zu Rudolf Otto vom Dezember 2010 in Marburg vor. Der Schwerpunkt hat sich hier – wie schon im Vorwort angesprochen – auf die Begründungszusammenhänge religiöser Subjektivität verschoben, und zwar in vierfacher Hinsicht: religionswissenschaftlich, religionsphilosophisch, religionspsychologisch und narrativ-theologisch. Dazu treten exemplarisch die Interpretationen und unmittelbaren Bezüge Ottos zu Martin Luther (1483–1546), Immanuel Kant (1724–1804), Friedrich Schleiermacher (1768–1834), Friedrich Jakob Fries (1743–1843), Nathan Söderblom (1866–1931), Wilhelm Wundt (1832–1920) und Paul Tillich (1886–1965).
Reinhard Kirste
Anm. 1: Carsten Colpe (Hg.): Die Diskussion um das „Heilige“. Wege der Forschung CCCV. Darmstadt 1977, S. XXV