Basler Münster

 

Das Basler Münster.
Die Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Stadt X.

(Die Kunstdenkmäler der Schweiz 138).

Verfasst von Hans-Rudolf Meier, Dorothea Schwinn Schürmann, Marco Bernasconi, Stefan Hess, Carola Jäggi, Anne Nagel, Ferdinand Pajor.

Bern: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte 2019.
550 Abb. 550 Seiten.
ISBN 978-3-03797-573-2
120.00 CHF

 

Die Kirche der Basler Bürger in allen Details

Eine Rezension von Christoph Auffarth

Kurz: Das Basler Münster ist einer der wichtigsten Bauten im reichen Bestand am Oberrhein. Hervorragend ausgestattet liegt nun ein Inventar vor, das den Bau von außen und innen in allen Einzelheiten zeigt und erklärt.

Ausführlich: Pünktlich zur 1000-Jahrfeier der Weihung des großen Vorgängerbaus, des sog. Heinrichsmünsters, am 11. Oktober 1019 im Beisein Kaiser Heinrichs II. und seiner Gemahlin Kunigunde (beide als stehen als Statuen links des Hauptportals: Abb. 3 und 4), erscheint das umfassende Inventar des Basler Münsters. Schon beim Erscheinen des ersten Bandes zum Basler Stadt-Kanton 1932 (zur Vor- und Frühgeschichte) und erst recht im Jahr darauf der Band zum Münsterschatz war immer klar, dass Basel auf den Band zum Münster wartete. 2012 erhielt das o.g. siebenköpfige Team den Auftrag – neben ihrer berufsmäßigen Arbeit –, das Inventar zu erstellen. Der zuvor vorgesehene François Maurer hatte Jahre an einem Band gearbeitet, aber zu einem Manuskript war es nicht gekommen. Jetzt, bald 90 Jahre später ist er da. Freilich waren all die Jahre davor mit wichtigen Vorarbeiten gefüllt, darunter die vollständige Aufnahme aller Grabmäler im Münster und den Kreuzgängen von Anne Nagel 1996 und 2002 (davon jetzt das Register der rund 500 bestatteten Personen 446-449 und die Beschreibung besonderer Grabmäler 324-419. Als Übersicht der Plan Abb. 394, S. 325; vor allem aber die älteren Bestattungen im Kirchenboden Abb. 326 auf der folgenden Seite); die Untersuchungen an der Galluspforte[1] und am Hauptportal;[2] die Edition des Grabbuches, die Untersuchungen der Farbspuren (eindrücklich Abb. 132, S. 154 und Abb. 175/179, S. 186/189), die Untersuchung und Beschreibung der abgenommenen Figuren im Museum Klingenthal. Die Ausgrabungen der 1960 und 70er Jahre sind nicht detailliert veröffentlicht worden. So opulent wie die beiden Portal-Bücher freilich darf ein Inventar die Dinge nicht beschreiben, es kann nur die Ergebnisse präsentieren (auch ein bisschen gedrängt im Layout), denn es muss alles umfassen, was das Münster von außen und innen an sich hat.[3] Und das ist sehr viel, obwohl das (schwerste in Europa nachgewiesene) Erdbeben von 1356 und der Bildersturm der Reformation 1529 viel zerstört haben und danach Weihungen kaum noch zulässig waren in der reformierten Kirche. Alles ist exzellent nachgewiesen in den Anhängen mit der Liste der 60 Altäre, den archäologischen Befunden, den Skulpturenfun­den, den Anmerkungen und dem Quellen- und Literaturverzeichnis sowie einem hervor­ragend detaillierten Register auf fast hundert eng bedruckten Seiten, so dass man dem Einzelnen genauer nachgehen kann, wenn man tiefer greifen möchte. Detaillierte Aufrisse kann man aus der Tasche hinten entnehmen und neben das Buch legen, während man für den Grundriss auf S. 19, bes. 62/63 und die Bauphasen-Grundrisse (etwa S. 95, 150, 249, 267) zurückblättern muss.  Der Band enthält durchgehend farbige Abbildungen und Farbe auf den Plänen, die so sehr viel übersichtlicher zu verstehen sind (Farbe didaktisch hervor­ragend eingesetzt!).

Das Münster steht auf einem Felsklotz über dem Rheinknie, ein prominenter Platz. Schon die Römer hatten dort den Hauptplatz ihrer Stadt Basilea. Ein historischer Überblick (34-59) erklärt die Abfolge der Bauphasen, Neubauten, Renovierungen und Brände wie Einstürze. Es folgt ein knapper, aber wichtiger Abschnitt über die Liturgie (59-67), zu dem man auf Abb. 10, S. 31 zurückgreifen sollte, auf dem die Prozessionen eingezeichnet sind. So bekommt das Gebäude etwas Leben in seiner Hauptaufgabe: dem Gottesdienst. Das Kapitel Vorgängerbauten 68-95 zeigt die Kontinuitäten im Grundriss, v.a. in Chor und Krypta und Breite des Schiffes, vom karolingischen Bau an mit dem alleinstehenden kleinen dreischiffi­gen Kirchlein noch über den späteren Chor hinausgreifend. Zusammengefasst in Plan 63, S. 95. S. 96 beginnt die Beschreibung des spätromanischen und – nach dem Brand von 1185 und einem weiteren (?) Brand 1258 – hochgotischen ‚heutigen‘ Münsters 116-148. Die Bau­hütten der Großbaustellen des Mittelalters (in der Nähe Straßburg, Thann, Freiburg i.Br., Bern) stehen in Korrespondenz und Konkurrenz, besonders in der Planung und Ausführung der Türme, des Georgs- und des Martinsturms.[4] Das Basler Münster folgt keinem direkten Vorbild, doch wird es selbst zum Vorbild, etwa für Freiburg i.Br. Aus der Überlegung zwischen dem Mut, das gotische Münster ganz neu zu denken und zu bauen, und der Bewahrung des Vorhandenen wird ein Kompromiss: auf den romanischen Unterbau wurde das gotische Glashaus „etwas brutal“ aufgepfropft (152). Die figurenreichen Portale an der Westfassade und die ganz besondere Galluspforte mit dem Glücksrad der stürzenden und der aufsteigenden Lebensläufe fassen zusammen, was in den beiden Bänden ausgebreitet ist. Nicht entgehen sollte man sich die Tiere außen am Chor, darunter die knuffigen Elefanten (196f). Auf die äußeren Fassaden folgt die Beschreibung des Innenraums (201-323) von den Altären über die Kapitelle bis zu den Resten der Ausmalung, die die Reformation über­tünchte, die Glasmalereien, der Bischofsthron, etc., bis hin zum Dachstuhl aus Eisen 1886 wie in Köln, nicht ‚der Wald‘ in Notre Dame de Paris, der am 15. April 2019 in Flammen aufging.

Keine Frage, endlich kann man das Münster von Basel in allen Details bewundern, mit sehr guten farbigen Abbildungen ausgebreitet, Grund– und Aufrissen, Rekonstruktionen, wissen­schaftlich sind die Vergleichsbauten genannt (nicht gezeigt) und die Autoren behutsam Stellung bezogen zu den Theorien früherer Bearbeiter. Knapp, sogar etwas gedrängt, aber umfassend alles, wie das bei einem Inventar sein muss. Hier ist ein großartiges Werk gelun­gen für jede und jeden, die an Baukunst, Mittelalter, Religion interessiert sind. Passend zur Reihe hat die Schweizer Gesellschaft den Band fadengeheftet in nobles Leinen binden lassen, alter Adel, den sich heute kaum noch ein Verlag leistet.

 Bremen/Much, April 2020                                                            Christoph Auffarth

Religionswissenschaft,
Universität Bremen

E-Mail: auffarth@uni-bremen.de

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[1] Hans-Rudolf Meier; Dorothea Schwinn Schürmann: Schwelle zum Paradies. Die Galluspforte des Basler Münsters. Basel: Schwabe 2002.

[2] Hans-Rudolf Meier; Dorothea Schwinn Schürmann: Himmelstür. Das Hauptportal des Basler Münsters. Basel: Schwabe 2011.

[3] Formal beinhaltet das fast gleichzeitige Buch über das Berner Münster nur die hundert Jahre vom Neubau der gotischen Kirche bis zur Reformation, gönnt sich aber viel mehr Platz und Raum für Vergleich und Einordnung. Siehe die Rezension Christoph Auffarth: Die Berner leisten sich im 15. Jahrhundert eine kostbare Kirche. Bernd Nicolai; Jörg Schweizer (Hrsg.): Das Berner Münster. Das erste Jahrhundert 2019. https://blogs.rpi-virtuell.de/buchempfehlungen/2020/01/07/berner-muenster/ (7.1.2020). – Während für Bern Computer-Rekonstruktionen dreidimensionale Modelle visualisieren, z.B. auf Augenhöhe der Passanten, haben die Basler auch exzellente Modelle aber immer aus Vogel­perspektive dargestellt.

[4] Zu den Türmen Christoph Auffarth: Kölner Dom und Kölner Bahnhof. Ankunft und Zukunft: technische Machbarkeit und unerfüllte Heilserwartung.In: [Themenschwerpunkt Sakralarchitektur. Hrsg. von Peter Bräunlein; Sabrina Weiß]. In: Zeitschrift für Religionswissenschaft 28 (2020), im Druck. (28 Seiten)

 

 

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