Buch des Monats Mai 2015: Ent-Rüstung

Rz-Käßmann_Wecker-EntrüstetMargot Käßmann / Konstantin Wecker (Hg.):
Entrüstet euch ! Warum Pazifismus für uns das Gebot der Stunde bleibt.
Texte zum Frieden.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2015, 208 S.
— ISBN: 978-3-579-07091-9 —

Dem Mitgefühl Raum
und dem Pazifismus eine Stimme geben

In diesem Buch kommt intensives persönliches Engagement für Gewaltfreiheit und Frieden mit angenehmer Bescheidenheit zum Ausdruck. Die Autoren wissen nämlich, dass sie nicht den Schlüssel zum endgültigen weltweiten Frieden haben. Sie machen aber klar, dass Kriege immer wieder neue und größere Konflikte verursacht haben. Die Gefahr angesichts der Brutalitäten weltweit ist, dass das Mitgefühl stirbt (S. 21). Aber genau aus diesem Mitgefühl heraus muss der Widerstand wachsen, Konflikte militärisch zu lösen. Man darf nicht vergessen, dass immer wieder zur sog. Sicherung von (westlichen) Werten und Interessen sinnlos viele Menschenleben vernichtet werden.
Dieses aufrüttelnde Buch wird keineswegs die mehrheitliche Zustimmung der Gesellschaft finden. Auch die Massenmedien lassen sich vermutlich nicht zu einem generellen Umdenken bewegen. Aber der Ruf, wirklich Frieden zu machen und nicht mehr „den Krieg zu lernen“ (Jesaja 2,4), muss noch viel deutlicher zur Sprache kommen. Im Grunde müssten die hier vorliegenden Texte zum Pazifismus Pflichtlektüre in der Schule und in den Bildungseinrichtungen werden.

Ausführliche Beschreibung: hier

Reinhard Kirste

Rz-Käßmann-Wecker-Entrüstet, 01.05.2015   Creative Commons-Lizenz

 

 

Gerechter Krieg? Gerechter Frieden!

Rz-Neuhold-FriedenLeopold Neuhold (Hg.): Frieden, Frieden, aber es gibt keinen Frieden.
Theologie im kulturellen Dialog Band 24.
Innsbruck/Wien: Tyrolia 2014, 193 S.— ISBN 978-3-7022-3198-9.

Die hier präsentierten Beiträge wurden im Rahmen einer Vortragsreihe an der Karl-Franzens Universität Graz im Wintersemester 2011/2012 gehalten. Der Grazer Sozialethiker Leopold Neuhold, der das Buch herausgegeben hat, sieht die Intentionen in folgende Richtung gehen: Es geht beim Thema „Frieden“ nicht nur um Gewaltminimierung, sondern um die wirkende Wirklichkeit“ der Menschenrechte in unmittelbaren Bezug zur persönlichen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Welt (S. 11).

Die ebenfalls fast durchweg von der Universität Graz stammenden Autoren und Wissenschaftler gehen diese Aufgabe unterschiedlich an – mit theologiegeschichtlichen Bezügen und geografischen Verdeutlichungen und mehr grundlegenden Klärungsversuchen. Dabei werden kirchenkritische Anfragen nicht ausgeblendet.

Der pessimistische Titel des Buches (aus Jeremia 6,14) wirkt als beunruhigendes Steuerungselement durch alle Beiträge hindurch. Schaden abwehrende Lösungsansätze für einen gerechten Frieden scheinen an der konfliktbeladenen Realität der heutigen Welt zu scheitern. Vielleicht wäre es insgesamt weiterführender gewesen, wenn Beispiele konsequenten Pazifismus und der christlichen Friedensbewegung sowie Praktiken der Gewaltlosigkeit wie die von Gandhi oder Martin Luther King in diesem Kontext intensiver bedacht worden wären.

Ausführliche Besprechung: hier

Reinhard Kirste


Rz-Neuhold-Frieden, 11.07.14     Creative Commons-Lizenz

Buch des Monats Juli 2014: Konstantin Wecker – Engagement und Vision

Rz-Wecker-MönchKonstantin Wecker: Mönch und Krieger.
Auf der Suche nach einer Welt, die es noch nicht gibt.

Gütersloher Verlagshaus 2014, 288 S. — ISBN 978-3-579-07066-7

Konstantin Wecker (geb. 1947) gehört zu den Menschen, die die Spannungen und Extreme ihres Lebens in poetischer und politisch engagierter Weise in Text und Lied umsetzen.
Nun ist Biografisches von Prominenten durchaus im Trend. Vermutlich würde man auch dieses Buch schnell wieder beiseitelegen, wenn nicht das innere Ringen, die ehrliche Auseinandersetzung und das eigene quälende Scheitern zum Ausdruck kämen. Sie sind untrennbar verbunden mit der Sehnsucht nach Freiheit. Diese Sehn-Sucht zielt immer dahin, das innerste Potenzial des eigenen Menschseins ans Licht zu heben, ohne dabei dem Egozentrismus zu verfallen.

Konstantin Wecker hat von sich ein mutiges Lebensbild sprachlich beeindruckend gezeichnet. Er konturiert den friedlichen Kämpfer, den die Vision einer versöhnten Welt innerlich vorantreibt. Er verleiht damit der Verteidigung solidarischer Menschlichkeit eine besonders glaubwürdige Stimme – der wahrhaften Demokratie zu Ehren. Die Lektüre sei darum allen jungen und alten Suchenden besonders empfohlen.

Ausführliche Besprechung: hier

Reinhard Kirste

 Rz-Wecker-Mönch, 30.06.14     Creative Commons-Lizenz

Die Arabische Welt im Umbruch

Rz-Pott-arab-SeeleMarcel Pott : Der Kampf um die arabische Seele.
Der steinige Weg zur islamischen Demokratie.
Köln: Kiepenheuer & Witsch, Köln 2012, 208 S. (mit einem kleinen Islam-Glossar, S. 194), zugleich bpb Schriftenreihe Bd. 1359 –— ISBN: 978-3-462-04407-2 —

Der Journalist und Autor Marcel Pott hat sich als Nahost-Experte durch seine Recherchen, Dokumentationen und Veröffentlichungen als kompetenter Berichterstatter und Kommentator erwiesen. Er schreibt: „Der arabische Frühling war kurz, doch er hat viele Fragen aufgeworfen, auf die es noch keine Antworten gibt.“

Für den Verfasser entscheidet sich vor allem in Ägypten mit 85 Millionen Menschen, das Ursprungsland der Muslimbruderschaft (S. 62 ff), wohin die Reise der arabischen Völker in der Zukunft geht.

Für den Verfasser entscheidet sich vor allem in Ägypten mit 85 Millionen Menschen, das Ursprungsland der Muslimbruderschaft (S. 62 ff), wohin die Reise der arabischen Völker in der Zukunft geht. Besonders interessant sind bereits seine Bemerkungen zu Heliopolis, wo Macht und Reichtum aufeinandertreffen (S. 13).

Analysen der ägyptischen nach-revolutionären Gesellschaft und Politik bis zur Präsidentschaftswahl in Ägypten im Juli 2012 und Konflikte zwischen säkularen und religiösen Kräften und die Rolle des Militärs sind auch nach dem Sturz des Präsidenten Mohammed Mursi relevant. Dazu blickt er in diesem Buch auf Entwicklungen in Libyen und Syrien, in Tunesien. Könnte letzteres ein Musterbeispiel für eine islamische Demokratie (S. 122 ff.) und damit Modell der gesamten arabischen Welt sein? Denn vom Atlantik bis zum Arabischen Meer ist die arabische Welt im Umbruch (S. 136 ff.).

Nun will offensichtlich Saudi-Arabien eine Union der Monarchien (S. 149), und Libyen bleibt ein Sonderfall (S.154).

Ganz aktuell ist das Kapitel: Die syrische Tragödie: Freiheitskampf oder Religionskrieg (S.162 ff.): Die Machthaber um Assad bilden immer noch einen Machtfaktor, von oppositionellen Gruppen (insbesondere islamisch und islamistisch orientierten) bedrängt. Zusätzlich wirken die auswärtigen Mächte hinein, und zwar durch die gegensätzlichen Interessen von Saudi-Arabien und dem Iran, verstärkt durch den Machtkampf zwischen den USA und Russland im Blick auf die Einflussnahme im Nahen Osten.

Der Kampf um die arabische Seele und eine neue soziokulturelle Identität sowie eine Neubestimmung des politischen Islams beginnt. Die Entwicklungen zu einem demokratischeren System erscheinen fraglich. Wahrscheinlich werden die Unruhen noch länger andauern.

Das Buch ist generell ein neutraler und gut lesbarer Einstieg in die Entwicklungen im arabischen Raum seit 2011.

Prof. Dr. Eckhard Freyer, Hochschule Merseburg

 

Rz-Pott-arab-Seele-Freyer, 29.12.13   Creative Commons-Lizenz

 

Handbuch der Religionen (HdR): Kontinuierlich wachsende Printausgabe und Online-Zugänge

Trotz starker Digitalisierung in der Kultur des Buches ziehen es immer noch viele vor, sich Material auf der “Papierbasis” zu besorgen.
Dazu gehört seit 1997 das von dem Religionswissenschaftler  Udo Tworuschka und dem Historiker Michael Klöcker im Olzog-Verlag München herausgegebene
HANDBUCH DER RELIGIONEN (HdR)
Zugang zur Printausgabe: hier

Viele Spezialisten und für die einzelnen Themenfelder zuständige Fachgebietsleiter haben dieses Handbuch im Ringformat mit jährlichen Ergänzungslieferungen zu einem vierbändigen Werk anwachsen lassen. Inzwischen finden sich in den Ordnern mit inzwischen 37 Ergänzungsliefeungen über 4500 Seiten Text (!).
Hier wurde also ein umfassendes Lexikon der Religionen entwickelt.  Es ermöglicht einen umfangreichen Überblick über die Geschichte und Gegenwart der verschiedenen religiösen Traditionen und Strömungen in Deutschland.  Das macht allerdings die Übersicht und schnelle Auffindbarkeit bestimmter einzelner Themen nicht immer leicht.

Das Gesamtinhaltsverzeichnis bietet darum eine erste Übersicht.
Download Inhaltsverzeichnis: hier

Weiterhin können über eine Suchmaske nun alle Artikel als Volltextsuche
(einige kostenlos, die meisten gegen geringe Gebühr) online abgerufen und heruntergeladen werden:
Online-Zugang zum HdR

Dieses umfassende Werk zu den Konfessionen und Religionen  im deutschsprachigen Raum hat mit seinen Grundsatzbeiträgen eine religionswissenschaftliche Basis gelegt. Mit den Aktualisierungen zu religiösen Entwicklungen und Veränderungen dürfte es für die Recherche von Fachleuten und Interessierten aus allen gesellschaftlichen Bereichen ausgezeichnet recherchierte Zugänge für eine sachkompetente Orientierung bieten.

 

 

Buch des Monats Dezember 2012: Interreligiöse Friedensbeiträge

Michaela Sohn-Kronthaler / Paul Zahner OFM (Hg.): Pax et Bonum.
Franziskanische Beiträge zu Frieden und interreligiösem Dialog.
Theologie im kulturellen Dialog, Band 23.
Innsbruck –Wien 2012, 216 S., Abb.,  Personenregister
— ISBN 978-3-7022-3187-3

Ausführliche Rezension: hier

Der vorliegende Band ist das Ergebnis eines intensiven Diskurses der Franziskaner mit den Friedensintentionen ihres Gründers. Leitmotiv insgesamt bildet die von Franziskus unternommene Reise zum Sultan Malek al-Kamel von Ägypten im Jahre 1219, deren äußerlicher Misserfolg dennoch eine interreligiöse Offenheit des Franziskanerordens initiierte, die sich kreativ und konsequent bis in die Gegenwart hin auswirkt.

Bei Lesen  sowohl der historisch bezogenen wie der gegenwärtig aktuellen Beiträge spürt man: Der Geist des Hl. Franz motiviert die AutorInnen, einen Religionsgrenzen überschreitenden Frieden weiter zu tragen und gesellschaftliche Konflikte nicht zu überspielen. Das Buch macht Mut, angesichts aller Glaubensansprüche und Vorurteile die interreligiöse Begegnung freundschaftlich zu fördern und die Friedenskräfte aller Religionen wirksam werden zu lassen.

Reinhard Kirste

Rz-Sohn-Kronthaler-Franziskus, 30.11.12

Spirituelle Oase im Shopping-Center Sihlcity, Zürich

Jakob Vetsch: Neunundneunzig Rastworte aus Sihlcity. Edition Occidente.          
München: Books Ex Oriente 2012, 132 S., Abb. — ISBN 978-3-9815153-2-9

Der seit 1999 existierende kleine Verlag „Books Ex Oriente“ in München hat im Jahre 2009 damit begonnen, Schriften und Werke zu Kultur, Religion und Philosophie des Orients herauszubringen. Axel Monte, der Verlagsleiter und zugleich Herausgeber vergaß dabei nicht, den Westen mit der „Edition Occidente“ in den Blick zu nehmen.
Eine kleine Besonderheit in diesem Rahmen ist das jüngst erschienene Bändchen, das einen spirituellen Einblick nach Sihlcity ermöglicht. Kaum eine/r außerhalb Zürichs wird viel über diesen Ort wissen, der auf einem Gelände der ehemaligen Papierfabrik Sihl als Shopping- und Wellness-Zentrum entstand
— Internet:
http://sihlcity.ch/de/

Hier befindet sich neben dem alten Schornstein auch ein spiritueller Ort, ein Rastplatz für die hastende Seele, eine interreligiös offene Citykirche
(Internet:
http://www.sihlcity-kirche.ch/).

Der dort seit 2007 wirkende Pfarrer, der Autor dieses Bändchens, hat sich noch etwas Besonderes zum Lesen in der Kapelle einfallen lassen: Rastworte der Woche – ein Spruch und eine kurze aktualisierende Auslegung dazu.
Man kann sich diese Gedankensplitter mit nach Hause nehmen. Sie sind als PDF-Datei auch im Internet abrufbar:
http://www.sihlcity-kirche.ch/index.php?option=com_content&task=view&id=12&Itemid=26

Was das Team um den Pfarrer Jakob Vetsch bewegt, kommt in einem Gespräch zum Vorschein, das der Herausgeber Axel Monte mit dem Pfarrer in der Spannbreite von Konsum, religiöser Pluralität und Spiritualität führte. Die Kirche war – so erzählt die Bibel – „schon immer an den Wegen und Märkten“ (S. 125). Deswegen stellt sich das kirchliche Angebot als „kleines, reales Modell des Friedens unter den Religionen“ im Sinne von Hans Küng vor (S. 126).

Übrigens: das hier besprochene Buch wird in Sihlcity am 15.10.2012 vorgestellt.

Die aus der Fülle der Rastworte ausgewählten Texte zusammen mit einem Blick auf die Homepage der Sihlcity-Kirche signalisieren sehr deutlich: Hier ist ein besonderer spiritueller Ort im Getriebe von Kauf und Verkauf entstanden, ein kontemplativer Lernort der besonderen Art. Es lohnt sich, dort zu verweilen.

— Weitere Informationen zum Verlag „Books Ex Oriente“: http://www.books-ex-oriente.com/index.html          
— Besprechung der Heftreihen „Ex Oriente“ und „Ex Occidente“:          
     http://www.rpi-virtuell.net/workspace/24686AD5-936C-476D-9EA0-65E2968590C8/rezensionen/rz-monte.pdf

Ausführliche Rezension: hier

Reinhard Kirste

Rz-Vetsch-Sihlcity, 07.10.2012

 

 

Religion und Gewalt als Thema des Unterrichts

Bundeszentrale für politische Bildung (bpb Hg.): Religion und Gewalt. Themenblätter im Unterricht Nr. 17, Frühjahr 2002, 10 S. 

Ankündigungstext der bpb: „Die großen Religionen wurden zu allen Zeiten zum Guten gebraucht und zum Schlechten missbraucht: Am Beispiel des Nahost-Konfliktes können diese Zusammenhänge verdeutlicht werden.“
Die hier vorgestellten Arbeitsblätter bieten Lehrerinnen und Lehrern die Möglichkeit, anhand ausgewählter Beispielaufgaben den Themenschwerpunkt Nahostkonflikt im Unterricht behandeln zu können.
Zu Beginn erfolgt eine kurze Charakterisierung der verschiedenen Weltreligionen bezüglich ihrer vermeintlichen Universalansprüche. Im Anschluss findet ein kurzer geschichtlicher Abriss sowohl des Christentums als auch des Islam statt, in welchem wichtige Jahreszahlen und Begebenheiten genannt werden.

Die Definition des Begriffes Fundamentalistschließt daran an und führt zur ersten Arbeitsaufgabe. Es werden viele Fakten zum bestehenden Konflikt zwischen Israel und Palästina in loser Reihenfolge aufgeführt. Diese sollen von den Schülerinnen und Schülern nach ihrer subjektiven, respektive objektiven Aussagekraft in zwei entsprechenden Spalten geordnet werden. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte soll dann ein Rollenspiel stattfinden, in welchem die beiden Konfliktparteien mit den jeweils für sie passenden Argumenten diskutieren können.
Die Problematik dieser Aufgabenstellungwird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, wie lange der Nahostkonflikt eigentlich schon schwelt und wie verschachtelt die Situation sich darstellt. Anhand einiger Stichpunkte kann der immensen Tragkraft und Hartnäckigkeit der realen Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern nämlich nicht adäquat Rechnung getragen werden. Zu differenziert fallen bei näherer Betrachtung die Positionen der beiden streitenden Parteien aus, als dass ein ordentlicher Zugang nur anhand einer Arbeitsaufgabe ohne konkretes Hintergrundwissen erfolgen könnte. Daher ist es unabdingbar, im Unterricht zunächst eine Einführung in das Thema Nahostkonfliktabzuhalten. Ohne eine ungefähre Kenntnis der Standpunkte beider Parteien dürfte es den Schülerinnen und Schülern schwerfallen, die auf dem Arbeitsblatt genannten Argumente nachvollziehen oder gar zuordnen zu können.
Es folgt das Gedicht „Nur“ des deutschen Schriftstellers und Journalisten Eugen Roth (1895-1976). Zu diesem gesellt sich eine Karikatur, welche von den Schülerinnen und Schülern nachfolgend unter anderem auf ihre Intention untersucht werden soll.
Die letzte Aufgabe des Arbeitsblattesmarkiert eine Auseinandersetzung mit dem Prinzip der „Goldenen Regel“. Diese taucht, unterschiedlich formuliert, in allen Weltreligionen auf. Es gilt herauszufinden, welche dieser Formulierungen am sinnvollsten erscheint und die Entscheidung dann auch zu erörtern.
Die Aufgabenstellung nötigt in diesem Fall keine grundlegenden Kenntnisse ab, sondern fordert von den Schülerinnen und Schülern vielmehr eine intuitive Wahrnehmung. Indem sie darstellen, warum sie sich für diese oder jene Version der goldenen Regel entschieden haben, bereiten sie den Boden für eine daran anschließende Diskussion rund um die sozialen und ethischen Prinzipien der entsprechenden Religion. Die Entscheidung soll dabei durchaus auf Grundlage persönlicher Erfahrungen erfolgen, da sich die Kinder und Jugendlichen auf diese Weise selbst einen Zugang zur Thematik legen können.
Zusammenfassend betrachtet fällt die Qualität dieser Themenblätter „durchwachsen“ aus. Die geschichtlichen Abrisse von Christentum und Islam geben ein zu sehr reduziertes Bild, um das zu behandelnde Thema zu vertiefen. Es fällt außerdem schwer, eine Beziehung zwischen den beiden Themenkomplexen Nahostkonflikt und „Goldene Regel“ herzustellen. Die Zusammenstellung erscheint ohne Vorkenntnisse etwas willkürlich. Somit können die gestellten Aufgaben nicht von vornherein als eine Einheit behandelt werden. Das Arbeitsblatt sollte erst herangezogen werden, wenn die Schülerinnen und Schüler bereits mit der Geschichte des Nahostkonfliktes vertraut gemacht wurden.
Die „Goldene Regel“ hingegen erscheint als generell gute Hinführung zu einer Diskussion im religiösen oder ethischen Kontext. Doch auch zur Vertiefung kann sie dienen, indem man, beispielsweise den Nahostkonflikt, auf ein etwaiges Vorhandensein des in der Regel aufgestellten Prinzips untersucht.
Sascha Göddenhoff
Im Rahmen eines Seminars an der TU Dortmund (SoSe 2012):
„Theorie und Praxis der Religionen bei Krieg und Frieden“
Rz-bpb-Krieg-Frieden-Göddenhoff, 21.05.12

Friedensfähigkeit und Gewaltpotential in den Religionen – Bücher zum Thema

Für die hier vorgestellten Bücher liegen zugleich ausführliche BESPRECHUNGEN vor – Bitte anklicken!









Zwischen Glaubensgewissheit und Gewalt im Islam und Christentum

Jürgen Werbick / Sven kalisch / Klaus von Stosch (Hg.): Glaubensgewissheit und Gewalt Eschatologische Erkundungen in Islam und Christentum.  
Beiträge zur Komparativen Theologie Band 3. Paderborn u.a.: Schöningh 2011, 183 S., Namensregister — ISBN 978-3-506-77058-5

Der katholische Systematiker an der Universität Paderborn, Klaus von Stosch, hat sich zum Ziel gesetzt, mit FachkollegInnen auch aus anderen Religionen einen eigenständigen Weg in der interreligiösen Gegenüberstellung aktualisierend und dialogoffen zu verfolgen. Seine Besonderheit liegt in einem hermeneutischen Ansatz, den er als „Komparative Theologie in die Debatte einbringt. Dieser soll sich auch von den religionspluralistischen Ansätzen abheben. Den offensichtlichen Schwerpunkt bilden dabei Verhältnisbestimmungen von Christentum und Islam. In der dazu gehörenden Buchreihe sind bisher 5 Bände erschienen und zwei weitere kurz vor dem Erscheinen (1). Sie nehmen überwiegend Identitäts-problematiken in der Spannung von Glauben, Gewalt und Freiheit auf.
Der hier vorzustellende 3. Band entstand im Rahmen einer Tagung zum Exzellenzprogramm „Religion und Politik in vormodernen und modernen Gesellschaften“ an der Universität Münster. Er nimmt sich der sog. „letzten Dinge“ an. Angesichts apokalyptischer Vorstellungen, die bis in die Populärkultur reichen, sind die Religionen mit ihren Eschatologien entsprechend herausgefordert. Zugleich fordern solche Vorstellungen mit ihren Glaubensansprüchen bisherige Glaubens- und Lebensmuster heraus, umso mehr auch in ihnen ein „Gewaltförmigwerden“ (S. 9) auffällig ist. Die Frage der Erlösung angesichts der gegenwärtigen Unerlöstheitserfahrungen muss darum in Islam und Christentum intensiv und ggf. revidierend bedacht werden.
Nachdem Martin Ebner, Neutestamentler an der Universität Münster, den Verunsicherungsfaktor eines Endgerichts angesprochen hat, weist er auf die darin liegende Chance, nämlich, dass das „Ende“ nicht in unserer Hand liegt. Der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide, vom Religiösen Centrum der Universität Münster, steigt darum sogleich mit einer veränderten Interpretation des Jenseits im Sinne von Transformation/Verwandlung ein, bei der Gott in seiner Barmherzigkeit erscheint. Damit verwandelt er den apokalyptischen Gedanken des Strafgerichts zugunsten einer Vervollkommnung des Menschen. In ähnliche Richtung von christlicher Seite argumentiert der Baseler Systematiker Reinhold Bernhardt. Er trennt strikt das Handeln des Menschen vom Handeln Gottes. Nur so kann die “pervertierte Selbstermächtigung des Menschen“ (S. 63) zurückgenommen und die Spirale apokalyptisch eingefärbter Gewalt gestoppt werden. Der Mitherausgeber und Münsteraner Fundamentaltheologe Jürgen Werbick wendet sich gegen religiöse End-Gewissheiten (S. 67) im Stile von Siegermentalität und apokalyptischem Terrorismus. Erlösung geschieht nicht durch Vernichtung, sondern im Sinne einer apokalyptischen Hoffnung, die die Unmenschlichkeit des Vorletzten offenlegt (S. 81), getragen von der „Widerstands-Vergewisserung“ gegen die Unmenschlichkeit für ein Leben ohne Tod. Die islamische Theologin Hamideh Mohagheghi von der Universität Paderborn hebt in ihrer Erwiderung auf diesen Ansatz hervor, dass die Motivation für das „Tun des Guten“ durch den Beistandswillen Gottes verstärkt wird.
Sven Kalisch, ebenfalls Mitherausgeber, ist nach seiner Abkehr vom Islam nun Professor für „Geistesgeschichte im Vorderen Orient in nachantiker Zeit“ an der Universität Münster. Er stellt Jenseitsvorstellungen in der islamischen Theologie vor mit Schwerpunkten auf die islamische Mystik des Mittelalters und die aufklärerische Mu‘tazila. Hier ist die „Lehre von der Exklusivität des Heils im Islam“ zum Teil verinnerlicht worden. Damit tritt neben Auferstehung und Gericht, Paradies und Hölle, der Gedanke der Sinnerfüllung des Lebens stärker hervor. Von diesen teilweise recht unorthodoxen Überlegungen her hinterfragt auch der Mitherausgeber Klaus von Stosch in seiner Erwiderung die „letzten Gewissheiten“ generell auf das in ihnen liegende Gewaltpotential. Die Entwicklung des Monotheismus in Israel ermöglichte faktisch durch die Abschaffung der Götterhierarchie auch die Zurückweisung menschlicher Hierarchien. Dies scheint jedoch nicht nur ein Vorzug des Monotheismus zu sein, weil der Glaube an den einen einzigen Gott auch zur Abgrenzung und sogar zum Völkermord diente. Es gilt im Sinne christlicher Vollendungshoffnung (offensichtlich anders als im Islam) die „Gewaltpotenziale in dem jeweiligen Denken zu identifizieren und zu pazifizieren“ (S. 115).
Der Leiter des islamischen (schiitischen) Zentrums in Hamburg, Ayatollah Ghaemmaghami stellt mit der Hilfe von M. Djavad Mohagheghi, dem Ehemann von Hamideh Mohagheghi (übrigens im Autorenverzeichnis nicht erwähnt), die Friedensintentionen des Koran in den Vordergrund und sieht auch Möglichkeiten, religiöse Monopolansprüche um einer versöhnten Gesellschaft willen beiseite zu lassen. Das allerdings entbindet nicht vom (möglichen bewaffneten) Verteidigungskampf bei Bedrohung der (religiösen) Freiheiten (nicht nur des Islams). Die endgültige Glück-Seligkeit jedoch ist mit der Erkenntnis der „rechtmäßigen Wahrheit“ verbunden und steht unter eschatologischem Vorbehalt. Wahrheit als „Begründetheit“ ist jedoch menschlich möglich (S. 126f). Bei aller Dialogoffenheit des Korans gegenüber anderen Religionen schimmert jedoch sehr deutlich ein inklusives Vereinnahmungsverständnis des Glaubens durch. In ihrer Antwort auf die Überlegungen des Ayatollah fragt Anja Middelbeck-Varwick von der Freien Universität Berlin darum mit Recht, ob bei aller Zustimmungsfähigkeit zu den islamischen Friedensintentionen wirklich der Abschied von der Absolutheit schon geleistet sei. Sie stellt diese Rückfrage aber auch an das Christentum, lässt allerdings offen, wie Joh 14,6 unter multireligiösen Bedingungen zu verstehen sei. Dafür legt sie Wert auf die Betonung der eschatologischen Unterschiede in beiden Religionen: Im Christentum hat die Erwartung des Reiches Gottes erhebliche gegenwärtige Konsequenzen für die Gläubigen.
Die „eschatologischen Erkundungen“ der BeiträgerInnen haben bei aller Unterschiedlichkeit deutlich gemacht, dass die Hoffnung auf „das Letzte“ die vorletzten Dinge nicht ausblenden darf. Aber gerade diese Spannung von Letztem und Vorletztem birgt erhebliche Konflikt- und Gewaltpotentiale in sich. Diese schlagen oft gefährlich gegen Andersdenkende und „Ungläubige“ durch, besonders wenn gegenwärtige Ereignisse und Entwicklungen Glaubensverunsicherung erzeugen, aber veränderndes Handeln jetztgefragt ist.
Reinhard Kirste, Rz-Werbick-Glaubensgewissheit, 08.02.12
Anmerkung1:
Themen der bisher erschienenen bzw. in Erscheinung begriffenen Bände –
alle aus dem Schöningh-Verlag Paderborn
  1.   Jürgen Werbick / Klaus von Stosch / Muhammad Sven Kalisch (Hg.): Verwundete Gewissheit.
    Strategien zum Umgang mit Verunsicherung in Islam und Christentum.
    Beiträge zur Komparativen Theologie 1 (2010)
    http://blogs.rpi-virtuell.de/ein-sichten/2010/08/03/verwundete-glaubensgewissheit-und-gewaltreaktionen-in-der-begegnung-von-christentum-und-islam/ (Ein-Sichten, 03.08.10)
  2.  Hamideh Mohagheghi / Klaus von Stosch (Hg.):
    Moderne Zugänge zum Islam. Plädoyer für eine dialogische Theologie
    Beiträge zur Komparativen Theologie 2 (2010):

    http://blogs.rpi-virtuell.de/ein-sichten/2011/01/16/moderne-zugange-zum-islam/
    (Ein-Sichten 16.01.11)
  3.  Jürgen Werbick / Klaus von Stosch / Muhammad Sven Kalisch (Hg.):
    Glaubensgewissheit und Gewalt. Eschatologische Erkundungen in Islam und Christentum.
    Beiträge zur Komparativen Theologie 3 (2011)
  4. Michael Hofmann / Klaus von Stosch (Hg.): Islam und Literatur.
    Islam in der deutschen und türkischen Literatur.
    Beiträge zur Komparativen Theologie 4 (2011)
  5.  Klaus von Stosch / Muna Tatari (Hg.): Gott und Befreiung.
    Befreiungstheologische Konzepte in Islam und Christentum.
    Beiträge zur Komparativen Theologie 5 (2011)
  6.  Klaus von Stosch: Komparative Theologie als Wegweiser in der Welt der Religionen.
    Beiträge zur Komparativen Theologie 6 (2012)
  7. Mouhanad Khorchide / Klaus von Stosch (Hg.): Trinität –
    Anstoß für das islamisch-christliche Gespräch.
    Beiträge zur Komparativen Theologie 7 (2012)