Spiele, Rituale und virtuelle Welten

Rz-Bornet-SpielPhilippe Bornet / Maya Burger (eds.): Religions in Play.
Games, Rituals, and Virtual Worlds.

CULTuREL 2. Zürich: Pano (TVZ) 2012, 351 S., Abb., Register
— ISBN 978-3-290-22010-5 —

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Kurzrezension
In der theologischen Diskussion der Gegenwart gibt es nur wenige Auseinandersetzungen mit dem „Spiel“ im Allgemeinen und mit den digitalen Welten im Besonderen. Offensichtlich aber haben Spiele generell sehr viel mit Religion zu tun. Das gilt für die Spiele in der Erziehung, im Sport und mit dem Computer, ja in allen Medien überhaupt. Zwei Wissenschaftler der Universität Lausanne, der Literaturwissenschaftler Philippe Bornet und die Indologin und Religionsgeschichtlerin Maya Burger, haben Referate und Ergebnisse eines Symposiums aus dem Jahre 2010 in Lausanne über „Homo Ludens: Play, Culture, and Religion“ systematisierend zusammengestellt und öffentlich zugänglich gemacht. Sie decken damit zugleich Elemente und Sichtweisen auf, die auf spannende Verhaltensmuster verweisen, wie sie sich u.a. auch in religiös geprägten Alltags- und Festritualen zeigen.

Die Themen sind schwerpunktmäßig:

  • Spielpraktiken und Religion vom Mittelalter bis zur Aufklärung. 
  • Zusammenhänge von  Chance, Spiel, Religiosität und Religion
  • Korrelationen von Spiel und Ritual 
  • Virtuelle Welten, Computerspiele und Filme.

 Das Buch eröffnet auf dem Weg über die Korrelationen von Spiel, Ritual, Elementen des Religiösen und virtueller Welt wichtige Einblicke in die kulturellen und geschichtlichen Grundlagen von Spiel überhaupt.  Das in der Konferenzsprache Englisch geführte Symposium hat nun auch eine englische Buchausgabe zur Folge. Dadurch wird es im deutschsprachigen Raum vielleicht nicht genügend in seiner soliden wissenschaftlichen und zugleich aktuellen Vorreiterfunktion erkannt. Die angesprochenen Themenfelder beleuchten alte und sich ändernde (religiöse) Weltsichten und Kulturspezifika von Spiel und Ritual. Das geht nicht nur TheologInnen, ReligionswissenschaftlerInnen und AnthropologInnen an, sondern im Computerzeitalter ganz direkt jede/n religiös und gesellschaftlich Interessierte/n.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Reinhard Kirste

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Rz-Bornet-Spiel, 21.02.13

Lieder der Gottesliebe – die Gitagovinda

Rz-GitagovindaJayadeva: Gitagovinda. Lieder zum Lob Govindas.
Aus dem Sanskrit übersetzt und herausgegeben von Erwin Steinbach.
Frankfurt/M. und Leipzig: Verlag der Weltreligionen (im Insel-verlag) 2008, 194 S., Glossar,
Kommentar und Register — ISBN 978-3-458-70012-8 — 

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Kurzrezension
Es gibt zwar eine Faszination für indische Kulturen, dennoch bleiben wichtige literarische Werke aus dem indischen Subkontinent einem relativ kleinen Leserkreis in Deutschland vorbehalten. Darum erscheint es wichtig, auf poetisch geprägte heilige Texte aufmerksam zu machen, die durchaus der berühmten Bhagavad Gita nahekommen. Mit der Gitagovinda liegt vor uns gewissermaßen ein indisches „Hoheslied“, das Sinnlichkeit und mystische Gottesschau gleichermaßen verbindet.

Der Autor der Gita Govinda ist Jayadeva. Er lebte im 12. Jahrhundert in Orissa bzw. West-Bengalen und gehörte zu den Anhängen des Gottes Vishnu.  Jayadevas asketisches Leben, verbunden mit grenzenloser Liebe und Hingabe (Bhakti), seine Poesie und seine Qualitäten als Guru machen ihn bis heute in Indien zu einer spirituellen Berühmtheit.

Für den nicht indologisch kundigen Leser ist es nicht ganz leicht, diese Krishna-Lieder in sich aufzunehmen, zumal uns Heutigen die Sprache oft extrem blumig und damit fremd vorkommt. Und dennoch eröffnet sich in dem Überschwang solch mystisch-poetischen Erzählens ein Geheimnis, das die Menschlichkeit des Göttlichen zum Ausdruck zu bringen versucht und damit spirituell-interreligiöse und nicht nur religionswissenschaftliche oder literarische Beachtung verdient. Denn trotz der anders kulturell eingefärbten Bilder scheint eine Nähe zu den Mystikern der Nachbarreligionen Islam und Christentum durch. Manche Textpassagen erinnern an Worte berühmter Sufi-Poeten wie Attar, Rumi und Ibn Arabi oder schlagen gar die Brücke zur christlichen Mystik in Europa (des Mittelalters) mit ihren Themen von Liebe, Leiden und Gottversenkung. Der relativ kurze Text der Gita Govinda wird damit zu einer poetisch-ästhetischen Erweiterung eigenen spirituellen Selbstverständnisses.

Reinhard Kirste

15.02.2013

 

Theologie der Befreiung – christlich und islamisch

Rz-Stosch-BefreiungKlaus von Stosch / Muna Tatari (Hg.): Gott und Befreiung.Befreiungstheologische Konzepte in Islam und Christentum.
Beiträge zur Komparativen Theologie, Bd 5.
Paderborn: Schöningh 2012, 285 S., Personenregister  
ISBN 978-3-506-77317-3 — 
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Kurzbeschreibung
Der hier vorliegende 5. Band aus der Reihe Beiträge zur Komparativen Theologie nimmt ein wichtiges Thema auf, das im Christentum und Islam eine herausragende Rolle spielt: Freiheit und Befreiung;
vgl. zur gesamten Reihe die Besprechung in „Ein-Sichten“:
http://buchvorstellungen.blogspot.de/2012/02/zwischen-glaubesngewissheit-und-gewalt.html
Befreiung im Zusammenhang irdischer Gerechtigkeit und göttlicher Erlösung ist in den Grundschriften des Christentums und des Islams fest verankert und ethisch normgebend. Die hier aufgenommenen Beiträge befassen sich nicht nur mit geschichtstheologischen Hintergründen, sondern fragen vielmehr, wie unter den Bedingungen der Gegenwart im Islam und Christentum Theologie als Theologie der Befreiung sich artikulieren kann und muss.

Die Herausgeber, der Paderborner katholische Systematiker Klaus von Stosch und die Islamwissenschaftlerin Muna Tatari (beide am Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaft der Universität Paderborn), verweisen wie auch komptente VertreterInnen beider Religionen immer wieder auf das emanzipatorische Potential beider Religionen. Im Verlauf der Darstellung wird bei einigen AutorInnen mit geradezu systematischer Wucht deutlich, dass ein solch komparativ-interreligiöser Ansatz aus der Einseitigkeit von Wahrheits- und Absolutheitsansprüchen herausgeführt werden muss. Keine Position kann für sich also Deutungshoheit beanspruchen. So können, vielleicht sogar müssen im Horizont des interreligiösen Dialogs eigene theologische Positionen verändert werden. 

Wie unterschiedlich die theologischen Denkbewegungen und -konstrukte der einzelnen AutorInnen auch sind, man merkt, dass die adäquaten befreiungstheologischen und feministischen Auslegungsmöglichkeiten von Koran und Bibel noch keineswegs ausgeschöpft sind. Hier aber ist Weiterarbeit dialogisch-theologisch und praktisch-gesellschaftlich notwendig im Sinne der Option für die Armen und für ein konsequentes Engagement, das Gerechtigkeit für alle Menschen einleitet. Die Anstöße aus diesem Buch sollten darum keinesfalls nur dem innertheologischen Diskurs vorbehalten bleiben.

Reinhard Kirste

Rz-Stosch-Befreiung, 22.01.13

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Ibn al-Farid: Reisewege der Seele

Rz-Ibn al-FaridIbn al-Farid: Der Diwan. Mystische Poesie aus dem 13. Jahrhundert.
Aus dem Arabischen übersetzt und herausgegeben von Renate Jacobi.

Berlin: Verlag der Weltreligionen im Insel-Verlag Berlin 2012, 407 S.,
mehrere Register — ISBN 978-3-458-70037-1

Ausführliche Bescheibung: hier

Kurzrezension
Der Diwan des Ibn al-Farid lenkt den Blick auf einen der herausragenden Vertreter des späteren Sufismus und der arabischen Poesie. Ibn al-Farid wurde 1181 in Kairo geboren und starb auch dort im Jahre 1235. Er wurde wegen seiner herausragenden Persönlichkeit und verinnerlichten Sprache geradezu als Heiliger verehrt. Er lässt sich in seiner gelebten Spiritualität und sprachlichen Ausdruckskraft durchaus mit Meister Eckhart, Johannes vom Kreuz und Angelus Silesius vergleichen.

Erfahrungen der Gottesliebe brechen poetisch  in den Sprachformen arbischer Poesie, den Kassiden durch, der Wein wird zum Symbol göttlichen genießens. In der Stufenreise der Seele bewegen den spirituellen Pilger Manifestationen der Schöpfung und des des Kosmos durch, in Bildern von Gefährdung und von Gnade, ver-dichtet im Erleben von Liebe und Leiden. Dies geschieht in einer sprachlichen Ästhetik, der es gelingt, sich dem Geheimnis der Überwindung von Dualität anzunähern.

Den Lesenden eröffnet sich mit dieser bildreichen Sprache eine Welt, die aus dem Alltäglichen heraus in die Tiefe wahren Seins führt. Die innere Nähe zu christlichen MystikerInnen macht Ibn al-Farid zugleich zu einem Brückenbauer zwischen Orient und Okzident, und zwar in glaubwürdiger Authentizität über Religionsgrenzen hinweg. Ich wünschte mir, dass Ibn al-Farid mit seiner interreligiösen Perspektive stärker im christlich-islamischen Gespräch wirksam wird.

Reinhard Kirste
Rz-Ibn al-Farid, 17.01.13

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Buch des Monats Januar 2013: Paul F. Knitter – Dialogische Theologie und interreligiöses Christsein

KnitterWithout Buddha I Could not be a Christian.
Oxford (UK): OneWorld 2009, XVII, 214 S., Index
— ISBN 978-1-85168-673-5 —
Deutsch: Ohne Buddha wäre ich kein Christ.
Aus dem Englischen von Gerlinde Baumann. Freiburg u.a.: Herder 2012, 360 S. — ISBN 978-3-451-30278-7 —

Der katholische Theologe Paul F. Knitter (geb. 1939) aus den USA gehört seit vielen Jahren zu den Promotoren interreligiöser Begegnung. Seine innere Verbindung mit der religionspluralistischen Theologie hat ihn nicht nur zu einem Wegbereiter des Dialogs im Sinne der Gleichwertigkeit (nicht Gleichartigkeit) der Religionen gemacht, sondern er hat in der Debatte um die Religionsphilosophie und religionspluralistische Theologie von John Hick zudem den Gedanken der „Gerechtigkeit“ konsequent einbezogen. Dazu hat ihn besonders sein Engagement im Zusammenhang der gesellschaftlichen Umbrüche in Lateinamerika geführt. Er hat so das eigene Christsein in doppelter Weise erweitert  – in theologischer Theorie wie in spiritueller und politischer Praxis.

In dem vorliegenden Buch, das nun auch in Deutsch verfügbar ist, schiebt sich ein weiterer wesentlicher Gesichtspunkt in den Vordergrund, der der christlichen Identität. Nachdem er schon länger der christlichen Superiorität als Heilsweg eine Absage erteilt hat, lässt er sich intensiviert auf ein Verstehen des eigenen Glaubens aus der Perspektive anderer Religionen ein. Dies führt bis zu der in diesem Buch bilanzierten Konsequenz: „Without Buddha I Could not be Christian“ Die deutsche Übersetzung des Titels wird manchem etwas synkretistisch erscheinen: „Ohne Buddha wäre ich kein Christ“. Aber darum geht es Knitter nicht, vielmehr darum, dass sich christliche Identität heute nicht mehr ohne die anderen Religionen sagen lässt. Für ihn hat dabei die Begegnung mit dem Buddhismus den Ausschlag gegeben. Knitter hat auch die persönliche Konsequenz gezogen und „Zuflucht zum Buddha“ genommen. Damit bringt er noch einmal zum Ausdruck wie eng sich sein Christsein inzwischen mit dem Buddhismus verbindet.

Sowohl für die interreligiöse Begegnung wie für die religionstheologischen Debatten und die Notwendigkeit des interreligiösen Lernens ist dies darum ein unverzichtbares Buch. Hier werden zwei Besprechungen vorgestellt: Die eine geht mehr den religionstheologischen Zusammenhängen nach, die andere den Möglichkeiten, aus einer solchen Konzeption das interreligiöse Lernen zu bereichern.

Achim Riggert / Reinhard Kirste:
Theologische Grenzüberschreitungen und interreligiöse Lernbewegungen 

Ältere Buchbesprechungen von Büchern Paul Knitters in RIG 5 (1998) mit Ergänzungen bis 2005

 In der Reihe „Religionen im Gespräch“ (RIG) erschienene Beiträge von Paul Knitter

 

                                                                                                                                                                    Rz-Knitter-Buddha-Christus-Einl, 31.12.12

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Christliche Ökumene und jüdische Perspektiven

Rz-Fornet-PonseFornet-Ponse, Thomas: Ökumene in drei Dimensionen.
Jüdische Anstöße für die innerchristliche Ökumene.
Jerusalemer Theologisches Forum, Bd. 19. Münster: Aschendorff 2011. 516 S., Register
(zugleich Diss. 2010, Kath. Theol. Fakultät der Paris Lodron-Universität Salzburg)
— ISBN 978-3-402-11023-2 — 

Forschungsaufenthalte in Jerusalem können das christlich-jüdische Gespräch in zuweilen etwas vernachlässigte Denkrichtungen bringen. Dafür steht beeindruckend die leicht überarbeitete Dissertation des katholischen Theologen Thomas Fornet-Ponse, der das vom 2. Vatikanischen Konzil initiierte dialogisch-theologische Umdenken im Blick auf das Judentum einfordert. Denn Kirche hat wesentliche Strukturen ihrer Identität vom Judentum erhalten. Schlimm genug jedoch ist, dass es weiterhin Reserven gegen eine konsequente Öffnung zum Judentum innerhalb sich ökumenisch gebender Theologie gibt.

Das Verhältnis von Identität und Differenz in der Okumene von Katholiken, Protestanten und Orthodoxen zeigt sich mehr und mehr als hermeneutische Chance, auch innerchristlich aus einer vielfältigen Einheit heraus zu denken. Die jüdische Seite macht dazu Mut, sich der Wahrheit in pluralen Ausdrucksformen anzunähern. So müssen auch Differenzen nicht vorrangig miteinander versöhnt werden, weil die Einheit selbst Vielfalt erlaubt. Das heißt praktisch, dass Kirche viel stärker von der Ortskirche her gedacht werden sollte. Orthodoxie und Protestantismus könnten so positiv auch auf das katholische Amtsverständnis einwirken, wenn dieses durchgängig als Dienst an der (zu erwartenden, aber vielfältig bleibenden) Einheit gesehen werden könnte. Die jüdischen Verstehensebenen von Autorität, Einheit und Pluralität in der Auslegung der hebräischen Bibel und im Talmud sind darum in die Debatten innerchristlicher Ökumene-Differenzen einzubringen.

Vom lutherischen Kirchenverständnis her hat es übrigens immer wieder – auch innerprotestantisch strittige – Signale gegeben, über die gesamtkirchliche Stellung des Papstes als Ehrenprimat ins Gespräch zu kommen. Im Hoffnungsrahmen von Pluralität in der Einheit scheinen hier allerdings noch viele Stolpersteine zu liegen. Und trotz einiger vom Autor herangezogenen ermutigender Formulierungen Ratzingers muss man unter seiner Ägide als Benedikt XVI. doch eine Tendenz wahrnehmen, in der sich die Gewichte zuungunsten einer Einheit in versöhnter Verschiedenheit verschieben. So bleibt auch Fornet-Ponses Resümee der Einheit in versöhnter Verschiedenheit eine innerchristliche Vision, deren Realisierung man sich jedoch endlich wünscht.

Reinhard Kirste

Rz-Fornet-Ponse, 22.12.12

 

Sekten – aus der facettenreichen Vielfalt religiöser Bewegungen

Gerald Willms: Die wunderbare Welt der Sekten.
Von Paulus bis Scientology
.
Mit einem Vorwort von Marco Frenschkowski.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2012, 320 S.
— ISBN 978-3-525-56013-6.

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Der Soziologe Gerald Willms unterscheidet sich in dieser Darstellung von den bekannten kirchlichen Kompendien zur Sektenproblematik. Die großkirchlich eingeleitete Frage: “Ist eine bestimmte Gruppe mit den Richtlinien der Großkirche in Übereinstimmung zu bringen, oder eben nicht?“, entfällt bei Willms. Die Frage: „Darf man – oder darf man nicht?“, wurde bis dato kirchlich erörtert. Willms hingegen sortiert nicht „gut und böse“ aus. Er lässt das Spektrum religiöser Erscheinungen einfach nebeneinander existieren. Für Willms trifft die gängige Anti-Sekten-Polemik nicht zu. Das gewohnte „Schwarz-Weiß-Denken“, fordert deshalb bei der Lektüre der wunderbaren Welt einige konzentrierte Veränderungen.
Das Buch ist im eigentlichen Sinne die endgültige Aufgabe der ehemaligen alleingültigen kirchlichen Deutungshoheit, nämlich was als „richtig“ oder „falsch“, „wahr“ und „unwahr“ einzuschätzen ist. So ist das Entscheidende: Der Autor muss nicht gegen jemanden oder gegen eine religiöse Richtung opponieren. Sogar das eigene Urteil zu Scientology hält der Autor einer angstverzerrten weltanschaulichen Opposition entgegen. Ich verstehe das als einen möglichen demokratischen Akt, der in der Religions- und Weltanschauungsfreiheit garantiert ist.
Ohne „Aus“- oder „Nicht-Ausgrenzen“ zu müssen, entspannt sich die religiöse Lage von selbst. Von selbst kann es zum heiteren Dialog werden. So lässt sich der Leser vom Autor zum eigenen entspannten Überblick von den Anfängen des Christentums bis in die Gegenwart mit einem Schuss Humor einladen.
Und man vergesse es nicht: Zur zeitlos gültigen Unbestechlichkeit gehört Humor. Gerald Willms verbindet Sachlichkeit mit dieser heiter gestimmten Gelassenheit. Sie macht das Buch so sympathisch.

Gerhard Kracht
ehemaliger Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen
der Evangelischen Kirche von Westfalen

Rz-Willms-Sekten, 08.12.12

Der Moderator und der Tod

Jürgen Domian:  Interview mit dem Tod.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2012, 4. Aufl., 174 S. — ISBN 978-3-579-06574-8

Ausführliche Rezension: hier

Der Journalist Jürgen Domian (geb. 1957) ist durch seine „Telefon-Nächte“, die er im Studio mit Anrufern verbrachte, im Grunde zum Radio-Seelsorger geworden. Durch diese in die Tausende gehenden Gespräche seit 1995 ist er sehr bekannt geworden, besonders über den WDR-Hörfunk 1 LIVE. Aber nun erfolgt eine Zwischenbilanz zu den oft noch als Tabu behandelten Themen – Krankheit, Schmerzen, Sterben, Tod, Sterbehilfe.

Beim Lesen eröffnen sich auch die biografischen Schritte des Medienmannes. Sie führten ihn aus einer konservativ christlichen Phase zur Ablehnung alles Religiösen und in einen konsequenten Atheismus. Dieser trug allerdings wiederum Züge von Glaubensüberzeugungen, die er in ihrer Problematik zuerst nicht wahrnahm. Auch die Auseiandersetzung mit philosophische Antworten blieben für ihn weitgehend unbefriedigend
Erst die bewusste Wahrnehmung der eigenen Sterblichkeit und die  existentiell nicht mehr abzuweisenden Fragen von Sterben, Tod und möglichen Jenseits zwangen ihn umzudenken.  Die Gesprächsprotokolle seines fiktiven Interviews mit dem Tod
sind in nachdenklich machende Anmerkungen eingebunden.

 Bei allen auch herausfordernden Formulierungen Domians erscheint der Tod keineswegs unmenschlich, dies zeigen seine respektvollen Beschreibungen zu Sterbehospizen und zur Palliativmedizin. Das Buch ist eine Einladung, die eigenen Sinne „für die Mysterien der Welt [zu] schärfen“ (S. 152) – Ewigkeit in der Zeit und jenseits der Bedingungen von Zeit. Es wäre zu wünschen, dass gerade junge Leute sich auf diese Existenzfragen  einlassen, um dadurch ihre Zukunft glücklicher zu leben.

Reinhard Kirste

Ausführliche Rezension: hier

Rz-Domian-Tod, 26.10.12

 

Buch des Monats Oktober 2012: Religiöser Pluralismus als Herausforderung und Chance

Karl Gabriel / Christian Spieß / Katja Winkler (Hg.):
Modelle des religiösen Pluralismus.

Historische, religionssoziologische und religionspolitische Perspektiven, Bd. 5.
Katholizismus zwischen Religionsfreiheit und Gewalt..
Paderborn u.a.: Schöningh 2012, 364 S.
— ISBN 978-3-506-77407-1 —

Multikulturalität und Multireligiosität sind Signalwörter für die Gesellschaft der Moderne, die nicht nur von der Vielfalt der Kulturen, sondern auch von religiösem Pluralismus geprägt ist. Neben den klassischen Glaubensformulierungen der großen christlichen Kirchen, sind Bekenntnisse zu anderen Religionen teilweise in Konkurrenz getreten. 

Bei der Darstellung des hier vorliegenden Bandes werden die pluralistischen Entwicklungen und religionssoziologischen Erkenntnisse auf die Religionsgemeinschaften und ihre gesellschaftlichen Lernprozesse ausgeweitet. Dies geschieht unter historischen, soziologischen, politikwissenschaftlichen, rechtswissenschaftlichen und sozialethischen Gesichtspunkten: Es ist übrigens auch der endlich erfolgreiche Weg des Katholizismus zur Anerkennung der Religionsfreiheit auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil und daraus folgende Konsequenzen.

Herausgeber und Autoren haben angesichts fortschreitender Säkularisierung und eines wachsenden religiösen Pluralismus nicht nur die „Großwetterlage“ mit dem Handwerkszeug ihrer jeweiligen Fachdisziplin sorgsam beschrieben, sondern die Herausforderungen markiert, auf die politische Gemeinwesen aller Größenordnungen reagieren müssen. Sie haben damit Grundlegendes geleistet und zugleich eine Zukunftsorientierung für die bleibende Faktizität pluraler Gesellschaften angesprochen. 

Ausführliche Beschreibung: hier

Reinhard Kirste

Rz-Gabriel-rel-Plural, 30.09.12

 

 

Weltreligion Christentum – ökumenisches Lernen in der Oberstufe

Werner Trutwin: Weltreligionen – Christentum. Arbeitsbücher Sekundarstufe II.
Religion – Ethik – Philosophie.
München: Bayerischer Schulbuch Verlag (Patmos) 2012, 192 S. Abb. — ISBN 978-3-7627-0433-1
Völlige Neubearbeitung des bisherigen Heftes, das 1999 im Patmos-Verlag Düsseldorf erschien.

Mit diesem Band über die Vielfalt des Christentums ist nun die neubearbeitete Reihe für die Sekundarstufe II „Weltreligionen“ abgeschlossen.
Die bisherige Bände – Judentum,Islam, Hinduismus und Buddhismus – sind bereits unter „Ein-Sichten“ vorgestellt worden.

Der erfahrene Praktiker und Religionspädagoge Werner Trutwin behält auch bei diesem Arbeitsheft die gewählte Struktur zum Verständnis einer Religion bei, um damit zugleich eine gewisse Vergleichbarkeit im Blick auf die anderen Religionen zu ermöglichen.

Nach Anregungen für die unterrichtliche Arbeit im Kontext des Religionsunterrichts erwähnt Trutwin die „direkten“ Bezugsfächer „Ethik“ bzw. „Praktische Philosophie“. Er stellt dann einen klar strukturierten Kursunterricht in Religion vor.

Trutwin setzt gerade für die Schuke auf die positiven konfessionsökumenischen Erfahrungen. Zugleich wird die Begegnung der Religionen „auf Augenhöhe“ gerade für die Zukunft als eine unausweichliche Notwendigkeit postuliert. Damit ist hier ein religionsökumenisch offenes „Lehrbuch“ entstanden, das man als Christentum-Materialbasis mit seiner didaktischen und methodischen Vielfalt für den katholischen, evangelischen und islamischen Religionsunterricht nur wärmstens empfehlen kann.

                                                                                                                                                    Reinhard Kirste
Rz-Trutwin-Christentum, 03.08.12