Cultures of Eschatology

Veronika Wieser, Vincent Eltschinger und Johann Heiss (Hgg.): Cultures of Eschatology.

 – Volume 1: Empires and Scriptural Authorities in Medieval Christian, Islamic and Buddhist Communities.

 – Volume 2: Time, Death and Afterlife in Medieval Christian, Islamic and Buddhist Communities

(Cultural History of Apocalyptic Thought / Kulturgeschichte der Apokalypse 3).

Berlin, New York: De Gruyter / Oldenbourg 2020.
834 S., 149,95 €
– OPEN ACCESS

Cultures of Eschatology

Eine Rezension von Christoph Auffarth

Die Eschatologie und besonders die Apokalypse galt lange als eine Besonderheit der drei monotheistischen Religionen, die Teleologie, im Unterschied zu der zyklischen Zeitkonzepti­on der anderen Religionen, in der Antike und den östlichen Religionen. Scharf formuliert hat diesen Unterschied Friedrich Nietzsche[1] und in seinem Gefolge hat Karl Löwith in Meaning in history 1949 das ‚Dritte Reich‘ als grausamen Gipfel solcher heilsgeschichtlichen Deutun­gen der Ge­schi­chte erklärt.[2] Da erstaunt der erste Satz der Einleitung zu dem Doppelband: „In all religi­ons, ideas of the past, the present and the future were shaped and made mea­ning­ful by beliefs and expectations related to the end of times.“  (so die Herausgeber Veroni­ka Wieser[3] und Vincent Eltschinger[4] in der Einleitung, S. 1). Gegenüber dem ersten Band in der Reihe „Kulturgeschichte der Apokalypse“,[5] der ein Kompendium Abendländische Apoka­lyp­tik[6] zu­sammenstellte,[7] will der zweibändige Konferenzband zum einen das Thema des Weltendes globalgeschichtlich weiten und zum andern, wie schon im Kompendium, bis zur Gegenwart führen (Dabei fällt auf, dass das Thema des Weltendes nicht mit dem Jahr­tau­sendende seine Bedeutung verloren hat, vielmehr verschärft ist durch das im Anthropo­zän selbst geschaffe­ne Ende der Welt – dazu nichts im Band). Die Weitung des Blicks ist erkauft durch einen völlig verwaschenen Begriff von Eschatologie. Statt die Unterschiede scharf herauszustellen und die grundlegenden Kategorien zu klären,[8] so wie die Umkehrung der Apokalypse von einer Untergrundsliteratur unterdrückter Völker zu einer Rechtferti­gung von Unterdrückern in gewaltsamen Reichen,[9] wird ein grobes Raster aufgestellt, das „in much the same way“ (3; 5) in jüdischen, christlichen, islami­schen, indischen und bud­dhis­tischen Religionskulturen zu beobachten sei, ohne die methodische Kraft des Vergleichs:[10]  Literary and Visual Traditions – Scriptural Traditions and their Reinterpretations – Empires and Last Days – Death and Last Judgment – Afterlife and Otherworld Empires sowie the Afterlife of Eschatology zu Giorgio Agamben (Kurt Appel 733-758), Jacob Taubes (Martin Treml 759-782) und Michel Foucault (Christian Zolles 783-816). Von den 32 Beiträgen behan­deln die Hälfte Themen aus dem Christentum, nur drei spezi­fisch jüdische, sieben islamische und vier buddhistische Themen, einer zum Manichä­ismus. Nur ein Beitrag nimmt ein Ele­ment vergleichend in den Blick, nämlich die Reiter­völker aus dem Norden, Gog und Magog (Faustina Doufikar-Aerts, 390-414). Explizit vergleichend ist der Beitrag von Philippe Buc.

Die Frage, ob man außereuropäische Kulturen mit dem Latein-europäischen Epochenbegriff bezeichnen darf, ist knapp angesprochen.[11] Die enormen Unterschiede und die teils geringe oder überragende Bedeutung der Eschatologie in den hier thematisierten religiösen Traditi­onen kommen nicht zur Sprache oder ihre völlige Umdeutung in der ‚gleichen‘ Religion. So ist die Spanne der Heilsgeschichte im Judentum außerordentlich kurz auf 6 Wochen-Mill­ennien (sehr gut erläutert in dem Beitrag von Immo Warntjes 642-673, aber Apokalyptik und Naher­wartung spielen eine nur geringe Rolle, im Unterschied zum Christentum. In Hinduis­mus und Buddhismus hingegen sind die Zyklen in Zehntausenden von Jahren gedacht, so auch in der Einleitung (6f). Und sie bedrängen nicht, sind nicht so angstbesetzt, weil das Konzept von Selbst, Individuum, Identität ganz anders konzipiert ist als im westlichen Christentum (deutlich anders die östlichen Christentümer). Dennoch gibt Erzählungen von Weltende und kosmischen Kämpfen. Nur gehören sie eher zum Modell der renovatio bzw. Apokatastasis (Wiederkehr des Urzustandes, des Goldenen Zeitalters) als in die Apokalyptik.

 

Zu den Beiträgen ein paar Bemerkungen: Von der Einleitung war schon die Rede: Veronika Wieser; Vincent Eltschinger: Introduction: Approaches to Medieval Cultures of Eschatology. In Teil 1 Literary and Visual Traditions stellt Guy Lobrichon: Making Ends Meet: Western Eschatologies, or the Future of a Society (9th–12th Centuries). Addition of Individual Projects, or Collective Construction of a Radiant Dawn? 25- die These auf, dass bis zu den Kreuz­zügen der apokalyptische Feind von außen kam, im Lauf des 12. Jahrhunderts aber der Feind im Innern der Christenheit sich versteckt. Die Historien des Rodulfus Glaber sehen das auch schon Mitte des 11. Jh.s so.[12] – Uta Heil: Apocalyptic Literature – A Never-Ending Story 45- führt die nicht sehr scharfe Definition, was Apokalyptik sei, von John Collins wieder vor und zeigt, wie in Athansius‘ Liste der kanonischen Schriften der Bibel die große Zahl apo­kalyp­tischer Schriften reduziert wird auf die eine ‚Offenbarung des Johannes‘. All die ande­ren, Henoch, Wächter, Elia, Moses usf Apokalypsen sind demnach apokryph. – Sebastian Günther “When the Sun is Shrouded in Darkness and the Stars are Dimmed” (Qurʾan 81:1–2). Imagery, Rhetoric and Doctrinal Instruction in Muslim Apocalyptic Literature 66- nennt die einschlägigen Koran-Stellen zur universalen und zur individuellen Eschatologie, um dann einen Überblick zu geben zu der Rezeption in der mittelalterlichen arabischen Litera­tur. Al-Gazalis umfangreicher Traktat warnt nicht vor der nahe bevorste­henden Apokalypse, sondern mahnt zu frommem Leben angesichts des (irgend wann ein­mal stattfindenden) Weltgerichts. – Armin Bergmeier: Volatile Images: The Empty Throne and its Place in the Byzantine Last Judgment Iconography 84- bietet reiches und selten dargebotenes ikonogra­phi­sches Material aus dem spätrömischen bzw. byzantinischen Reich mit dem Thema des leeren Throns im Himmel.[13] Vincent Eltschinger: On some Buddhist Uses of the Kaliyuga. Scriptural Traditions and their Reinterpretations 123-. Obwohl seit dem 2./3. Jh. christlicher Zeit­rechnung buddhistische und hinduistische Zeitvorstellungen deutlich auseinander gehen mit ihrem vier- bzw. fünftstufigen Verfallsschema – Kaliyuga als die tiefste und letzte Stufe im Hinduismus ist S. 123 Anm. 1 knapp erläutert –, verwenden buddhistische Autoren das hinduistische Kaliyuga, um dort Buddhas als Heilsfiguren auftreten zu lassen. –  Michael Sommer: Choices – The Use of Textual Authorities in the Revelation of John. 165- diskutiert die augenblicklichen Kontroversen über Absicht und Adressaten der Apokalypse des Johan­nes. Anders als bisher üblich (und auf Stefan Alkier und Tobias Nicklas aufbauend) seien die Gegner weniger der Kaiser und der Kaiserkult, sondern die assimilierten Christen, die den Kaiserkult ausübten. Im Hinblick auf die Intertextualität mit den Propheten des Ersten Testa­ments folgt er nicht der These von einer Fortschreibung oder Midrasch (insbe­sondere des Ezechiel), sondern führt den Begriff ‚Mosaik‘ ein, was m.E. wenig weiter hilft. – Johannes  van Oort: Manichaean Eschatology: Gnostic-Christian Thinking about Last Things 181-. Die Kenntnis des Mani und seiner Religion hat sich durch Neufunde deutlich verändert gegen­über der Polemik bei den Kirchenvätern, als der Manichäismus eine Weltreligion war. Van Oort erklärt hier die zentrale Bedeutung, die die Manichäer am Ende der Zeiten Jesus zu­schreiben. – Cinzia Grifoni and Clemens Gantner: The Third Latin Recension of the Revelati­ones of Pseudo-Methodius – Introduction and Edition 194-. Der Pseudo-Methodios ist eine zentrale Quelle für die Idee der translatio imperii, also der Vorstel­lung, dass das Vierte Reich der Daniel-Prophetie 2,31-45 das Römische Reich sei, dieses aber nicht in der Völkerwande­rung untergegangen sei, sondern im Karolinger­reich weiterlebe.[14]  Im Appendix hat Cinzia Grifoni, den Text der Dritten lateinischen Rezension des Pseudo-Method ediert: 233-248. – Matthias Däumer: Eschatological Relativity. On the Scriptural Undermining of Apocalypses in Jewish Second Temple, Late Antique and Medieval Receptions of the Book of Watchers 254-. Das Erste Buch Henoch, darin das Wächterbuch, erzählen die Vorgeschichte der Sintflut Gen. 6,1-4, wo die ‘Gottessöhne’ mit sterblichen Frauen Helden zeugen, die aber böse wur­den und so den Anlass zu Sintflut geben, zugleich als Apokalypse. Als Text sind sie erst in äthiopischer Sprache überliefert, unter den Qumran-Rollen aber fand sich auch ein Henoch-Text, der aus dem 3.Jh. v.Chr. stammt. Däumer will eine Überlieferung der Erzähltradition in chronologischen Texten erkennen, die, weil subversiv zur Heilsgeschichte und der herr­schen­den Eschatologie, erst im 13.Jh. wieder auserzählt wurde. Nicht beachtet ist die Traditi­on der Erzählung im Islam in der (auch lateinisch übersetzten) mirağ (‚Himmelfahrt‘) Mo­ham­meds. Empires and Last Days 1 Philippe Buc: Eschatologies of the Sword, Compared: Latin Christianity, Islam(s), and Japanese Buddhism 277-. Dieser Beitrag trifft die Anliegen einer vergleichenden Methode am besten, indem (1) das typologische Problem angegangen wird, ob Monotheismus eine treibende Kraft für Gewalt und Begründung für Krieg sei. (2) Weiter ist hier deutlich gemacht, dass religiöse Gewaltphantasien und -aufrufe nicht überall und orthodox waren/sind, also ‚der‘ Islam, sondern in Epochen und Gruppen. Der Rezen­sent gehört zu denen, die keinen apokalyptischen Aufbruch in den Kreuzzügen erkennen (Buc sagt das zwar, dass das kontrovers sei, nennt aber keine Gegenstimme 280 Anm. 18),[15] findet auch keine eindeutigen Belege, leitet es aber von späterer religiöser Gewalt im 15./16. Jh. ab, die apokalyptisch motiviert war. Das ist methodisch falsch. (Auch in der Einleitung S. 6 ist die These aufgenommen). Für ‘den’ Islam, Buc zieht den Plural vor, die Islame (282), und macht die Differenzen deutlich: das passive Martyrium der Schiiten, die Figur des Mahdi, der heutige ‚Islamische Staat‘. Daneben stellt er noch Japan mit den Begriffen der westlichen Traditionen. – Stephen Shoemaker: The Portents of the Hour: Eschatology and Empire in the Early Islamic Tradition 294-. Eine Antwort auf das Problem, wie denn der frühe Islam Eroberungen durchführen und Herrschaften errichten konnte, wenn er gleich­zeitig an das Weltende glaubte. Das sei nicht widersprüchlich: die Vertreibung der Römer von den Heiligen Stätten bereite den Weg zum Jüngsten Gericht. – Ann Christys: The History of Ibn Ḥabīb: al-Andalus in the Last Days 319-. Die Geschichts­schreibung des Ibn Habib (starb 853) aus dem spanischen Islam verwendet eschatologische Zitate aus dem Koran und den Hadithen, in denen auch der Untergang der regierenden Dynastie der Umajaden voraussagt. Aber offenbar steht die Welt nicht unmittelbar vor dem Ende (325). – James T. Palmer Apocalyptic Insiders? Identity and Heresy in Early Medieval Iberia and Francia 337-. Obwohl der Islam im lateinischen Europa des 8./9. Jh.s als Gefahr angesehen wurde, wird die christliche Identität ausgehandelt in Auseinandersetzung über den Adopti­anismus als Lehre des Antichrist, den Märtyrern von Cordoba (ca. 850) und der Chronica Propetica von 883. Es gebe keine einheitliche ‘Western apocalyptic tradition’, vielmehr kann apokalyptische Rede angewendet werden in ganz flexibler Weise, ohne das Weltende konkret anzukündigen   – Apocalyptic Cosmologies and End Time Actors Zsóka Gelle: Treasure Texts on the Age of Decline: Prophecies Concerning the Hidden Land of Yolmo, their Reception and Impact 359-. Das handelt von dem ‘Verborgenen Land’ Yolmo, in das die Buddhisten aus Tibet fliehen sollen, wenn ihr Land erobert wird, eine Prophetie aus dem 14./15. Jh. – Faustina Doufikar-Aerts: Gog and Magog Crossing Borders: Biblical, Christian and Islamic Imaginings 390-. Hier wird vor allem die breite islamische Tradition und die Lokalisierungsversuche auf den Weltkarten vorgestellt, die mit den Expeditionen Alex­anders des Großen verknüpft werden. – Johann Heiss and Eirik Hovden: Theology Popula­rised: A Hailstorm Hitting the Heterodox 415-. Eine Naturkatastrophe, die 1205/10 ein Dorf im Jemen zerstört, wird zum Anlass einer religiösen Kontroverse: War es der Zorn Gottes über die heterodoxen Zaydis? Oder der Beginn der Erneuerung der Welt? – Elena Tealdi: Political Propheticism. John of Rupescissa’s Figure of the End Times Emperor and its Evolu­tion 441-. Mitte des 14. Jh.s schreibt der Franziskaner Johannes von Roquetaillade über den Endkaiser im Sinne Joachims von Fiore. Die Stauferkaiser werden als Antichrist identifi­ziert; Endkaiser und Engelspapst sind wie der Autor Franzosen.[16]Death and Last Judg­ment. Roberto Tottoli: Death and Eschatological Beliefs in the Lives of the Prophets accor­ding to Islam 467-. Der Todesengel kommt zum Propheten; der reagiert entweder mit der Bitte um Aufschub oder nimmt sein Schicksal gläubig an. Der Prophet Isa/Jesus erhält den Auftrag, den Antichrist Dajjal zu töten. Nichts zu dem gewaltsamen Tod der Propheten auf dem Tempelberg von Jerusalem.[17] – Pia Lucas: Scattered Bones and Miracles – The Cult of Saints, the Resurrection of the Body and Eschatological Thought in the Works of Gregory of Tours 479-. Gregors Haltung zum Weltende ist ambivalent: Einerseits ist seit der Schöpfung der Welt noch nicht so viel Zeit vergangen, andrerseits ist das letzte Buch voller “Zeichen der Zeit”. Im Heiligenkult trifft beides aufeinander: die Eschatologie wird in die Gegenwart geholt, präsentische Eschatologie. – Miriam Czock (†): Arguing for Improvement: The Last Judgment, Time and the Future in Dhuoda’s Liber manualis 509-. Das karolingerzeitliche Vademecum (nicht ‘Handbuch’) einer Mutter an ihren Sohn. Eine doppelte Zukunft betont weniger das Gericht als die folgende Heilszeit, die aber auch schon im hiesigen Leben gilt. – Bernhard Scheid: Death and Pollution as a Common Matrix of Japanese Buddhism and Shintō 528-. Die Todestabus im Shinto kamen erst auf, als buddhistische Gottesdienste und Shinto-Kulte nebeneinander existierten. Das Shinto-Konzept der Verunreinigung kegare spielte dem Buddhismus in die Hände, denn dessen Tempel haben ihr ökonomische Basis im Ahnenkult. – Afterlife and Otherworld Empires Marilyn Dunn: Apocalypse Now? Body, Soul and Judgment in the Christianisation of the Anglo-Saxons 549-. Es dauerte zweihundert Jahre, bis bei den Angelsachsen auch die Ideen von Jüngstem Gericht und Apokalypse pro­minent wurde. Grabesbeigaben bei Neu-Christen zeigten eine undifferenzierte Vorstellung vom Leben nach dem Tod. Dann kam das Problem auf, was mit den ungetauft Gestorbenen geschieht. – Frederick Shih-Chung Chen: The Evolution of the Buddhist Otherworld Empire in Early Medieval China 578-. Das Jenseits ist eine Bürokratie, deshalb muss man korrespon­dieren, am besten direkt mit dem obersten Bürokraten, dem Jenseits-Kaiser. – Eirini Afentou­lidou:  Space and Power in Byzantine Accounts of the Aerial Tollhouses 603-. Ähnlich struk­tu­riert ist das Jenseits in Byzanz. Hier muss man an Zollhäusern für die jeweilige Sünden­kategorie bezahlen mit guten Taten. Wenn die aufgebraucht sind vor dem letzten Zoll, ist man verdammt. – Marc Tiefenauer: The End of the End: Devotion as an Antidote to Hell 616-. In Indien gibt es erst seit den ersten christlichen Jahrhunderten in den Puranja-Texten die Hölle., nicht weniger grausam und riesig als die im Buddhismus oder bei den Jains. Und im gleichen Augenblick werden Rettungsversprechen der beiden konkurrierenden großen Gottheiten angeboten, von Shiva und Vishnu. – Empires and Last Days 2 Johann Heiss: The Multiple Uses of an Enemy: Gog, Magog and the “Two-Horned One” 631-. Der Beitrag behandelt nur den frühen Islam: die Tradition der Nordvölker und eine südliche Bedrohung durch den Zweigehörnten aus dem Jemen. – Immo Warntjes A.D. 672 – The Apex of Apo­calyptic Thought in the Early Medieval Latin West? 642-. Die Rechnung nach Anno Domini wird erst in der Karolingerzeit breit rezipiert. Davor waren drei Rechnungen nach der Schö­p­fung, anno mundi verwendet, um die Stellung der Gegenwart zum Drama des Weltendes zu bestimmen, der ‚count down‘, der aber immer noch etwas Zeit zum Korrigieren lässt. Die Arbeiten von Richard Landes und Arno Borst bilden die Grundlage. – Graeme Ward: Exege­sis, Empire and Eschatology: Reading Orosius’ Histories Against the Pagans in the Carolin­gian World 674-. Ward wiederholt die These auf, dass die Apokalypse das ‘core component of Christianity’ sei (ohne Rücksicht auf Palmers Beitrag). Die erste christliche Weltgeschichte, parallel zu Augustins Civitas Dei geschrieben, sei nicht als translatio imperii gelesen worden, sondern um die Geburt Jesu nach Matthäus in die Weltzeit einordnen zu können. – Rutger Kramer: The Bede Goes On: Pastoral Eschatology in the Prologue to the Chronicle of Moissac (Paris BN lat. 4886) 698-. Das Chronicon von Moissac versteht sich als Fortsetzung der Ge­schi­chte in sechs Zeitaltern De temporum ratione des Beda Venerabilis (der Text ist zweispra­chig zitiert). Ein Autor aus Aquitanien ordnet die frühen Jahre Ludwigs des Frommen ein in einen eschatologischen Rahmen. –  The Afterlife of Eschatology Kurt Appel: The Testament of Time – The Apocalypse of John and the recapitulatio of Time according to Giorgio Agam­ben 733-. Der Wiener Fundamentaltheologe hebt den entschiedenen Bruch hervor, den Agam­ben in Il tempo chi resta (2000) gegenüber dem ‘Ende der Geschichte’ und gegenüber Hegels ‚Weltgeist‘ vorträgt: Sein Messianismus betont die Zeit, die am Ende noch bleibt. Agambens problematische Übernahmen von Carl Schmitts Ausnahmezustand, Weltbürger­krieg usf. bleiben ohne die nötige Kritik – Martin Treml: Eschatology as Occidental Lebens­form: The Case of Jacob Taubes 759-. Jacob Taubes, der streitbare Judaist, schrieb 1947 seine Abendländische Eschatologie. Die exzellente Beschreibung erklärt den Ort des Buches in der jüdischen Diskussion – mit überraschend wenig Bezug zur Shoa. – Christian Zolles: History beyond the Ken: Towards a Critical Historiography of Apocalyptic Politics with Jacob Taubes and Michel Foucault 783-. Die eine und die Anläufe zu weiteren, aber nicht erfolg­reichen Begegnungen zwischen den beiden Revolutionären der Epistemologie.

Das was man von einem Band in der Kulturgeschichte der Apokalypse erwarten darf, näm­lich eine komparatistische oder gar globalgeschichtliche Geschichte erfüllt der Band nicht. Nicht einmal innerhalb der Bände gibt es Querverweise auf andere Beiträge; die Einleitung vermag das nicht zu leisten. Das Buch ist erschlossen mit einem Personen- und einem Orts­register (kein Sachregister). Aber davon abgesehen versammelt der Band wertvolle Beiträge zu den religiösen Traditionen.

 

Wellerscheid, 29. Dezember 2020                                            Christoph Auffarth,

Religionswissenschaft
Universität Bremen

auffarth@uni-bremen.de

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[1] Zur Einordnung Hubert Cancik: ‚Ewige Wiederkunft‘: Antike Zeitvorstellungen bei Nietzsche. In: HC: Nietzsches Antike. Stuttgart: Metzler 1995 (²2000), 107-121.

[2] Die deutsche Übersetzung Weltgeschichte und Heilsgeschehen. Stuttgart: Kohlhammer 1953 jetzt zu benutzen in KL: Sämtliche Schriften. Band 2. Stuttgart: Metzler 1983, 7-239. Damit setzte sich ausein­ander Hans Blumenberg: Legitimität der Neuzeit. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1964, vgl. Rüdiger Zill: Der absolute Leser: Hans Blumenberg. Berlin: Suhrkamp 2020, 265-267, 477-489 vgl. Christoph Auffarth https://blogs.rpi-virtuell.de/buchempfehlungen/2020/11/21/hans-blumenberg/ (21. 11. 2020).

[3] Veronika Wieser hat zu Spätantike und Frühmittelalter geforscht am Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien. Die Akademie hat eine Reihe der Autoren, die Konferenz und die Herausgabe der Bände gefördert.

[4] Vincent Eltschinger ist Prof. für indischen Buddhismus an der École Pratique des Hautes Études in Paris.

[5] Der zweite, schmale Band in der Reihe ist von Christian Zolles: Die symbolische Macht der Apokalypse. Eine kritisch-materialistische Kulturgeschichte politischer Endzeit. 2016. https://www.degruyter.com/view/title/518574 (18.12.2020).

[6] Veronika Wieser; Christian Zolles, Catherine Feik; Martin Zolles; Leopold Schlöndorff (Hrsg.): Abend­ländische Apokalyptik. Kompendium zur Genealogie der Endzeit. Berlin: Akademie 2013. 738 Seiten.

[7] Der Titel verweist auf das Hauptwerk des Berliner Judaisten und Religionswissenschaftlers Jacob Taubes (1923-1987): Abendländische Eschatologie. [Diss. Zürich bei René König 1947] Bern: Francke ND Berlin: Matthes und Seitz 1991. Dazu Richard Faber; Eveline Goodman-Thau; Thomas Macho (Hrsg.): Abendländische Eschatologie. Ad Jacob Taubes. Würzburg: Königshausen & Neumann 2001. Dort sind auch die Verbindungen zu Hans Urs Balthasar (aus dessen Apokalypse der deutschen Seele, 3 Bände. Salzburg: Pustet 1937-1939, Taubes reiches Material entnehmen konnte), Nietzsche und Löwith untersucht. In diesem Band der sehr gute Beitrag von Martin Treml zu Taubes 759-782.

[8] Die grundlegenden Unterscheidungen von individueller vs. universaler Eschatologie, Individual­gericht vs. Jüngstes (Universal-) Gericht, präsentischer und künftiger Eschatologie, Eschatologie vs. Apokalyptik, Apokalypse als Literaturform und Apokalyptik als soziale Bewegung, Politik/Autori­täten vs. Frömmigkeit, innerweltliches vs. jen­seitiges Reich, kalte und heiße Apokalyptik, Chiliasmus, usf. Dazu Hans G. Kippenberg: Apokalyptik/Messianismus/Chiliasmus. Handbuch religionswissen­schaftlicher Grundbegriffe, Band 2. Stuttgart: Kohlhammer 1990, 9-26. Christoph Auffarth: Irdische Wege und himmlischer Lohn. Kreuzzug, Jerusalem und Fegefeuer in religionswissenschaftlicher Perspektive. (Veröf­fent­lichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 144), Göttingen: Vandenhoeck&Ruprecht 2002.

[9] Das hat Jürgen Ebach: Apokalypse. Zum Ursprung einer Stimmung. Einwürfe 2(1985), 5-61 glänzend herausgearbeitet. Dazu auch die Arbeiten des amerikanischen Religionswissenschaftlers Bruce Lincoln.

[10] In der Konferenz 1979, die David Hellholm herausgegeben hat Apocalypticism in the Mediterranean World and the Near East. Tübingen: Mohr 1983, ²1989, wurden auch religiöse Konzepte außerhalb der jüdischen und christlichen Traditionen diskutiert, aus dem antiken Kontext. (Vgl. Uta Heil in ihrem Beitrag S. 45f., dort auch zur Planung der deutschen Übersetzung der Apokalypsen in Antike Christ­liche Apokryphen, hrsg. von Christoph Markschies und Jens Schröter. Vgl. Auffarth: Der Eisberg, dessen Spitze das Neue Testament darstellt. Antike christliche Apokryphen in deutscher Überset­zung. Hrsg. Christoph Markschies und Jens Schröter, 2012. http://buchempfehlungen.blogs.rpi-virtuell.net/2013/06/06/markschiesantike-christliche-apokryphen/ (6. Juni 2013).

[11] Jetzt grundsätzlich Thomas Bauer: Warum es kein islamisches Mittelalter gab. München: Beck 2018.

[12] Auffarth: Die Ketzer ³2016, 11-16. Und im Investiturstreit sind die Ketzer, die der römischen Kirche nicht gehorchen, s. Gerhoch von Reichersberg: Opusculum de aedificio Dei. Edition, Übersetzung, Kommentar Julia Becker. Regensburg: Schnell und Steiner 2020. https://blogs.rpi-virtuell.de/buchempfehlungen/2020/12/07/gerhoch-von-reichersberg/ (7.12.2020).

[13] In seiner Begriffsbestimmung Apokalyptik/Eschatologie kehrt er um: Eschatologie ist der Ober­begriff, Apokalyptik der engere. Die fehlende Differenzierung der Einleitung rächt sich.

[14] Auffarth, Irdische Wege 2002, 86-90. Hier ist wenigstens einmal das grundlegende, weil ver­gleichen­de Buch von Hannes Möhring, Der Weltkaiser der Endzeit 2000 zitiert.

[15] Die Makkabäer, mit denen sich die Kreuzfahrer identifizierten, sind nicht apokalyptisch motiviert, wie ich nachgewiesen habe: Auffarth, Irdische Wege 2002, 123-150. Im Augenblick habe ich leider keinen Zugang zu den umfassenderen Darstellungen Bucs.

[16] Zur Tradition der Prophetie des Joachim von Fiore meine Rezension Ein Paradigmenwechsel in der Europäischen Religionsgeschichte: Joachim von Fiores Drittes Reich. [Dasselbe in Langfassung mit einem Teil (1) zu Joachim von Fiore und der Edition seiner Werke, (2) Rez Nelly Ficzel, Der Papst als Antichrist 2019 und (3) der Rezeption des ‚Dritten Reiches‘ in der Wissenschaft der NS-Zeit. In: https://blogs.rpi-virtuell.de/buchempfehlungen/2019/09/30/der-papst-als-antichrist/ (30. 9. 2019).

[17] Das übernehmen die Muslime aus der jüdischen Tradition, die diese auch nach der Zerstörung des Tempels weiter pflegen. Andreas Kaplony: The Haram of Jerusalem 324 – 1099: temple, Friday mosque, area of spiritual power. Stuttgart: Steiner, 2002

 

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